# taz.de -- Schwarz-gelber Koalitionsvertrag: Was schon Konsens ist | |
> Mindestlohn, Wehrpflicht, Arbeitsmarkt: Wo sich Union und FDP schon einig | |
> sind. Eine Übersicht, zitiert aus dem vorläufigen Koalitionsvertrag, der | |
> der taz vorliegt. | |
Bild: Angela Merkel erhebt sich. Die ersten Fakten sind geklärt. | |
Union und FDP stellen die von der großen Koalition beschlossenen | |
Mindestlöhne wieder in Frage. Das geht aus dem Entwurf des | |
Koalitionsvertrags hervor, der der taz vorliegt. | |
Arbeitsmarkt: Die beiden Parteien haben sich darauf verständigt, "die | |
gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn bis Oktober 2011 zu evaluieren". | |
Die Überprüfung soll Erkenntnisse darüber liefern, ob die Untergrenze für | |
die Bezahlung Jobs vernichtet oder gefährdet. Danach wollen die | |
Koalitionäre entscheiden, "ob die geltenden Mindestlohnregelungen Bestand | |
haben oder aufgehoben werden sollten". Die große Koalition aus Union und | |
SPD hat in den vergangenen Jahren mehrere Branchen mit Mindestlöhnen | |
ausgestattet. Diese Regelungen sind nun gefährdet. | |
Hartz IV: Die FDP hat einen Einstieg in ihr Bürgergeld-Konzept | |
durchgesetzt. Die Koalition will versuchen, "die Energie- und Nebenkosten | |
sowie gegebenenfalls die Kosten der Unterkunft zu pauschalieren". | |
Hartz-IV-Empfänger bekämen dann nicht mehr ihre tatsächlichen Kosten | |
erstattet, was für manche mit herben Einbußen einhergehen dürfte. Die | |
beiden Parteien wollen dabei aber "regionale Besonderheiten" | |
berücksichtigen. | |
Bundeshaushalt: Um das Defizit im Budget zu reduzieren, nehmen sich Union | |
und FDP vor, dass das "Ausgabenwachstum unter dem Wachstum des | |
Bruttoinlandsprodukts bleiben muss". Weil die Einnahmen unter dieser | |
Voraussetzung schneller steigen als die Ausgaben, würde das Etatloch | |
schrumpfen. Als weitere Sparmaßnahmen nennen Union und FDP die Deckelung | |
der Bundeszuschüsse für die Sozialversicherungen: "Ein weiteres Anwachsen | |
der Bundesleistungen über die bestehenden Regelmechanismen hinaus ist nicht | |
möglich." Werden die Sozialsysteme trotzdem teurer, müssten die Bürger | |
höhere Beiträge zahlen oder mehr Leistungen privat versichern. Neben dem | |
ausgelagerten Parallelhaushalt zur Finanzierung der Defizite der | |
Bundesagentur für Arbeit enthält der Koalitionsvertrag einen weiteren | |
potenziellen Schattenetat. Die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft soll das | |
Recht erhalten, Kredite aufzunehmen, um Straßen zu bauen. | |
Unternehmensteuer: Mit einem Sofortprogramm wollen Union und FDP die | |
Unternehmensteuerreform der großen Koalition "teilweise korrigieren". | |
Einige der Maßnahmen sollen schon zum 1. Januar 2010 greifen. Konzerne und | |
mittelständische Firmen erhalten die Möglichkeit, höhere Beträge von der | |
Gewinnsteuer abzusetzen. Die Energiesteuer will die neue Regierung auf das | |
Niveau der ersten Stufe der Ökosteuerreform von 1999 zurückführen. Auch das | |
würde Firmen entlasten. | |
Erbschaftsteuer: Geschwistern, Nichten und Neffen von Verstorbenen sollen | |
niedrigere Steuersätze erhalten. Ferner räumt man Firmennachfolgern das | |
Recht ein, mehr Jobs abzubauen, ohne die Freistellung von der | |
Erbschaftsteuer zu verlieren. | |
Kartellrecht: Energiekonzerne oder Banken müssen sich darauf einstellen, | |
dass ihnen das Bundeskartellamt künftig mit einem "Entflechtungsinstrument" | |
auf den Leib rückt. Zu große Unternehmen, die den Markt beherrschen, können | |
dann aufgespalten werden. Außerdem wollen sich die Koalitionäre für die | |
Gründung eines europäischen Kartellamts einsetzen. | |
Verbraucherschutz: Hier hat die FDP Verbesserungen gegenüber der Rechtslage | |
durchgesetzt. "Das geltende Verbraucherinformationsgesetz wird reformiert | |
und auf alle Produkte und Dienstleistungen ausgedehnt", heißt es im | |
Vertragsentwurf. Firmen müssten dann mehr Informationen herausrücken. | |
Wehrdienst: Vertreter von Union und FDP haben sich darauf verständigt, die | |
Wehrpflicht zu erhalten. Der derzeit neun Monate dauernde Wehrdienst solle | |
aber zum 1. Januar 2011 auf sechs Monate verkürzt werden. | |
Vorratsdatenspeicherung: Der Erfolg der FDP bei der Vorratsdatenspeicherung | |
fällt geringer als zunächst angenommen. So soll die Nutzung der Daten über | |
Telefon- und E-Mail-Verbindungen bis zu einer Entscheidung des | |
Verfassungsgerichts weitgehend ausgesetzt werden. "Bundesbehörden" dürfen | |
die Daten einstweilen nur noch zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben und | |
Freiheit einer Person benutzen. Die Einigung betrifft im wesentlichen also | |
nur das Bundeskriminalamt. Die überwiegend bei den Bundesländern | |
angesiedelte sonstige Polizei kann die Daten weiter verwenden und zwar | |
sowohl für die Strafverfolgung wie für die Gefahrenabwehr. Jedes Bundesland | |
müsste also für seinen Bereich beschließen, dass es sich der Einigung auf | |
Bundesebene anschließt. | |
Internetsperren: Die Aussetzung von Internetsperren dürfte deutlich länger | |
währen als ein Jahr, hier wäre der Erfolg der FDP also größer als gedacht. | |
Im Koalitionsvertrag heißt es zwar, dass das im Juni beschlossene Gesetz, | |
das durch Internetsperren den Zugang zu Kinderpornographie erschweren soll, | |
"für ein Jahr" nicht angewandt wird. Allerdings sollen danach zunächst die | |
Erfahrungen evaluiert werden, wie gut es gelungen ist, Kinderporno-Seiten | |
gleich beim Host-Provider zu löschen. Anschließend soll anhand der | |
Evaluierung ergebnisoffen eine Neubewertung des Gesetzes vorgenommen | |
werden. Das alles kann dauern. Im Vertrag heißt es dazu: "Vor Abschluss der | |
Neubewertung" werden beim BKA keine Sperrlisten geführt und an die Provider | |
übermittelt." | |
Flugdaten: Die Koalition ist sich bewusst, dass die nächsten großen | |
Überwachungsprojekte auf europäischer Ebene beschlossen werden sollen. So | |
plant die EU-Kommission ein eigenes System zur Speicherung von | |
Fluggastdaten. Für die Terrorbekämpfung sollen die Reisedaten von | |
Fluggästen 13 Jahre lang registriert bleiben. Bisher werden die Daten | |
aufgrund eines Abkommens nur an die USA weitergegeben. Länder wie | |
Frankreich und Großbritannien sind für eine eigene EU-Speicherung. | |
SPD-Justizministerin Brigitte Zypries lehnte dies als "verfassungswidrig" | |
ab. In der Koalitionsvereinbarung heißt es: Falls eine EU-Richtlinie komme, | |
werde ein "höheres Datenschutzniveau" angestrebt als bei der Vereinbarung | |
mit den USA. | |
Bankdaten: Auch bei den Verhandlungen mit den USA zur Nutzung europäischer | |
Bankdaten will die Koalition nicht blockieren. Angestrebt wird in diesem | |
Abkommen "ein hohes Datenschutzniveau". Es soll "klare Regelungen bezüglich | |
Weitergabe an Drittstaaten" geben. Union und FDP sind also einverstanden, | |
dass Bankdaten von den USA auch an Staaten weitergegeben werden können, | |
wenn dies nur klar geregelt ist. Die Datenmenge soll aber aufgrund einer | |
"Bedrohungs- und Gefährdungsanalyse" eingegrenzt werden. | |
23 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
H. Koch | |
W. Mulke | |
C. Rath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schwarz-Gelbe Energiepolitik: Schattige Zeiten für Solarenergie | |
Schwarz-Gelb will "ökologische Fehlanreize" mit einem neuen | |
"Energiekonzept" korrigieren. Die Vergütung beim Solarstrom soll gesenkt | |
werden. | |
Kommentar Koalitionsvereinbarung: Alles für die teure Kundschaft | |
FDP und Union versuchen, die Besitzstände aller mächtigen Lobbys zu | |
schonen. Diese Konsenspolitik kommt sie teuer. |