# taz.de -- Atomrenaissance in Skandinavien: Schweden will Atomkraftwerke bauen | |
> Die Regierung in Stockholm macht den fast 30 Jahre alten Beschluss zum | |
> Atomausstieg rückgängig. Ihr Argument: Klimawandel. 2020 will Schweden | |
> unabhängig sein vom Öl. | |
Bild: Pannenreaktor: Das AKW Ringhals in Schweden. | |
STOCKHOLM taz Ende nächsten Jahres sollte eigentlich der letzte schwedische | |
Atomreaktor vom Netz gehen. So hatte es eine Volksabstimmung 1980 bestimmt. | |
Die soll jetzt nicht mehr gelten. | |
"Das Gesetz zum Atomausstieg wird zurückgezogen", erklärte der schwedische | |
Ministerpräsident am Donnerstag. Gleichzeitig öffnete seine bürgerliche | |
Vierparteienkoalition den Weg für den Bau neuer AKWs. Der war in Schweden | |
bislang verboten. Der Schwenk war von langer Hand vorbereitet. Die | |
Industrie hatte Anfang des Jahres eine PR-Kampagne für neue Atomkraft | |
gestartet. Auch Gewerkschaften aus Branchen mit hohem Energiebedarf ließen | |
sich einspannen. In den letzten Wochen hatten die Zentrumspartei und die | |
Christdemokraten, die beide 1980 noch für den Atomausstieg gekämpft hatten, | |
ihre Positionen gewechselt. | |
Der Vorsitzende der Christdemokraten, Göran Hägglund, meinte, man habe vor | |
29 Jahren nicht ahnen können, wie schlecht es um die Erde bestellt sei und | |
welche Probleme der Klimawandel mit sich bringe. Der "Kompromiss", auf den | |
sich Atomfreunde- und kritiker in der Koalition nun geeinigt haben: In | |
Schweden dürfen in Zukunft jeweils nur an den vorhandenen Standorten und | |
auch dort nur zur Ausmusterung anstehende Altreaktoren durch Neubauten | |
ersetzt werden. Die Zahl von zehn Reaktoren, die es derzeit gibt, soll | |
nicht überschritten werden. | |
In der Praxis heißt das: Ausgediente Reaktoren mit einer Leistung zwischen | |
500 und 900 Megawatt werden durch nun übliche Neubaumodelle von 1.600 bis | |
2.000 Megawatt ersetzt. Schweden würde sich damit noch mehr als jetzt von | |
Atomstrom abhängig machen, der heute knapp die Hälfte der Stromproduktion | |
ausmacht. Folge wäre ein massives Überangebot von Elektrizität, für die man | |
allenfalls Abnehmer im Ausland finden könnte. Stockholm will nämlich | |
gleichzeitig den Stromverbrauch im Land durch verschiedene | |
Effizienzmaßnahmen reduzieren. Berechnungen zeigen, dass eine Halbierung | |
der Strommenge bis zum Jahre 2030 realistisch wäre. Gleichzeitig mit dem | |
Atombeschluss wurde ein umfassender Ausbau der Windkraft bis 2020 | |
angekündigt. Zusammen mit der vorhandenen Wasserkraft bliebe dann | |
eigentlich kein Bedarf mehr für auch nur einen einzigen Atomreaktor. Das | |
Verbot zum Bau neuer AKWs findet sich in einem "grünen" Energie- und | |
Klimapaket, das Wirtschaftsministerin Maud Olofsson selbst als das | |
"ambitionierteste Europas und der ganzen Welt" lobte. Ab 2020 will Schweden | |
unabhängig von Erdöl sein. | |
Linkspartei, Grüne und Sozialdemokraten verurteilten den Atombeschluss: | |
Kapital für neue Elektrizitätsproduktion solle besser in erneuerbare | |
Energien fließen. Lars G. Josefsson, Chef des staatlichen Energiekonzerns | |
Vattenfall, begrüßte dagegen den Schwenk. Es sei "sehr wahrscheinlich", | |
dass Vattenfall in den nächsten zwei bis vier Jahren Neubauprojekte | |
beschließe. | |
5 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
Reinhard Wolff | |
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Technikfolgenabschätzung | |
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