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# taz.de -- WM-Kucken mit meiner Frau: Erlösung durch Schlusspfiff
> Meine Frau lässt mich nicht in Ruhe vor dem Fernseher die WM verfolgen.
> Ich halte das nicht mehr aus.
Bild: Foul auf dem Feld und Foul auf der Couch: die WM sorgt für viel Verdruss
„Osman, alle unsere Freunde machen ständig was Spannendes, nur wir hocken
unser Leben lang hier vor der Glotze rum“, meckert meine Frau Eminanim,
genau in dem Moment, als es im Fernsehen wirklich ganz, ganz spannend wird.
„Eminanim, was willst du von mir? Wir schauen uns ein
Weltmeisterschaftspiel an. Und wir werden endlich erfahren, ob
[1][Argentinien oder Kroatien ins Finale kommt]. Mehr Spannung geht doch
nun wirklich nicht mehr!“, bitte ich sie mit pochendem Herzen nicht so
undankbar zu sein und wenn doch, dann bitte erst nach dem Spielschluss.
„Siehst du, was habe ich eben gesagt? [2][Dein Leben findet in dieser Kiste
statt.] Wenn ich jetzt plötzlich den Stecker ziehen würde, würdest du hier
jämmerlich krepieren!“
„Jetzt übertreib’ mal nicht so, das ist doch kein Beatmungsgerät. Noch bin
ich nicht in ein künstliches Koma gefallen, im Gegensatz zu diesem
erbärmlichen Stürmer da, der stehend k.o. ist.“
„Es sieht aber so aus, ich sehe nämlich überhaupt keine Lebenszeichen von
dir! Alle meine Bekannten machen was Aufregendes, Bungee-Sprung mit ’nem
Segelflugzeug, starten eine Weltreise oder graben einen Brunnen in Afrika
für arme Waisenkinder! Und was machen wir die ganze Zeit außer dumm
rumzusitzen und das blöde Ding mit den noch blöderen Fußballern
anzustarren?“
## Kaputte Waschmaschine
„Wie bitte? Ich kenne keine Waisenkinder, die mit ’nem Segelflugzeug eine
Weltreise machen“, stammele ich geistesabwesend, um Eminanim noch etwas
hinzuhalten.
„Da sieht man doch mal wieder, dass du mir nie zuhörst, du taube Nuss! Ich
sagte, alle meine Freundinnen führen ein spannendes Leben – nur ich nicht!“
„Eminanim, bitte, eine [3][Fußball-Weltmeisterschaft] findet doch nur alle
vier Jahre statt! 50 Milliarden Menschen in aller Welt schauen jetzt gerade
höchst gespannt zu. Nur ich darf das irgendwie nicht. Heute springt niemand
mit einem Segelflugzeug in einen afrikanischen Brunnen, verdammt!“
„Das ist ja wieder mal typisch für dich. Du denkst sofort, alle Menschen
auf dem Planeten hocken vor der Glotze – nur weil du das tust!“
„Eminanim, bei dem letzten WM-Spiel hast du mich damit in den Wahnsinn
getrieben, dass die Waschmaschine kaputt gewesen sei und sofort repariert
werden müsse. Das ging ja noch einigermaßen. Ich brauchte nur während des
Eckballs in der 65. Minute die Werkstatt anzurufen. Der Handwerker kam
natürlich erst nach dem Spiel. Aber jetzt, gerade während des Elfmeters,
von mir zu verlangen, mit einem Segelflugzeug in Afrika zusammen mit
Waisenkindern Bungee in einen Brunnen zu springen, das finde ich schon ein
bisschen zu happig!“
Endlich kommt der erlösende Schlusspfiff, und ich bin heilfroh, das Spiel
und Eminanim ohne einen Herzinfarkt überlebt zu haben.
„So, wir haben es geschafft! Jetzt mache ich alles, was du willst, mein
Täubchen. Wo soll ich rein springen?“, rufe ich erleichtert.
„Osman, mach doch, was du willst. Jetzt habe ich keine Lust mehr, ich bin
müde, ich gehe schlafen“, gähnt sie gelangweilt und trottet davon.
Ich bringe sie um, denke ich. Bei der nächsten WM bringe ich sie um!
14 Dec 2022
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## AUTOREN
Osman Engin
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