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# taz.de -- Alternativen für WM-Muffel: Volle Karate-Konzentration
> Für diejenigen, die die WM boykottieren, probiert die taz Alternativen
> und stellt sie vor. Dieses Mal ein Sport von Andi, dem Karate-Meister.
Bild: Übung macht den Meister: Karateka mit schwarzem Gürtel
Die Stille füllt den Übungsraum mit einer Intensität, die einem in der
Großstadt fremd geworden ist. Nur die Uhr an der Wand tickt unerbittlich
und verstärkt dadurch den Eindruck geballter Konzentration. Zu Beginn des
Trainings ist erst einmal Schweigen auf den mintgrünen Matten angesagt.
[1][Mein ehemaliger Geschäftsführer], der nun sein Rentnerdasein genießt,
ist mir noch kurz zuvor im Treppenhaus in seinem weißen Karateanzug und
schwarzen Straßenschuhen entgegengekommen, um mir den Weg zu weisen.
Eingeladen hat er mich, an einem „normalen Mittelstufentraining beobachtend
teilzunehmen“. Seine letzte Frage, ob ich mitmachen wolle, hat mich zu spät
erreicht. Gut so, denke ich, im Verlaufe der Trainingseinheit.
Shotokan heißt die Stilrichtung, die hier gelehrt wird. Unter den Übenden,
sieben Männer [2][und drei Frauen,] hätte ich gewiss eine klägliche Figur
gemacht. Die Altersspanne ist groß. Vierzig Jahre vielleicht. Und auch die
Gürtelfarben, welche das jeweilige Können markieren, bilden ein breites
Spektrum ab. Orange, Grün, Blau und Braun wird getragen. Mein ehemaliger
Geschäftsführer hat den schwarzen Gürtel um. Das Symbol des Meisters. Bei
uns im Haus haben wir ihn Andi genannt.
Haltung ist schon bei den Aufwärmübungen mit den schweren Medizinbällen
gefragt. Schweißtreibend, vergleichsweise aber noch ein Kinderspiel. Heute
[3][wird die Kata] Bassai Dai eingeübt. Ein Solokampf gegen einen
imaginären Gegner mit festgelegtem Bewegungsablauf. „Eins, zwei, drei,
vier, füüüüüünf, sechs, sieben“, so gliedert der Trainer, ebenfalls
Schwarzgurtträger, die Sequenzen.
## Rauchende Köpfe
Was bei ihm so intuitiv und selbstverständlich ausschaut, ist äußerst
komplex. Mir kommt das Wort Kampfkunst in den Sinn. Bei einigen scheinen
die Köpfe zu rauchen. Der Trainer korrigiert hier und da. Auf der Suche
nach der besseren Ausführung klammern sich manche Augenpaare an die
Spiegelwand.
Das sei gar nicht immer so gut, erklärt mir Andi später. Ginge es doch
darum, bei sich zu sein. Aber eigentlich gelingt das allen über weite
Strecken. Dass heute ausnahmsweise jemand zuschaut, scheint in der
Konzentrationsdichte niemand wahrzunehmen. Ich habe mich in meiner
Anwesenheit selten so abwesend gefühlt.
Nur gegen Ende bei den Partnerübungen nimmt die Aufmerksamkeit etwas ab. Es
wird ein wenig geredet, mal kurz gelacht. Der Trainer geht schnell
dazwischen: „Nicht quatschen, meine Güte!“ Er fordert mehr Disziplin. Andi
sagt später, es gebe hier sehr egalitäre Strukturen, der Trainer aber sei
natürlich eine Autorität. Sonst ginge es nicht.
Ich komme auf den Gedanken, nach der Verbindung zwischen Karate und dem
Berufsleben zu fragen. Andi sagt, ihm habe das viel geholfen. Techniken zur
innerlichen Entspannung abzurufen, sich Angriffstechniken zu überlegen, zur
Verteidigung auch mal vorwärts reinzugehen, jedes Augenzucken wahrzunehmen,
fallen und wieder aufzustehen, nicht vor Angst einzugehen, wenn es mal
ruppiger wird.
Aber bei dieser Trainingseinheit wird es nicht ruppig. Seiner noch nicht so
versierten Trainingspartnerin zeigt Andi in all seiner Freundlichkeit bei
einer Übung direkt vor meinen Augen, in welcher Griff- und Bewegungsfolge
sie ihn am besten überwältigen kann. Danke für die Einladung!
14 Dec 2022
## LINKS
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[2] /Elke-von-Oehsen-ueber-Karate/!5884199
[3] /Gefluechtete-auf-der-Olympiabuehne/!5789242
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schwerpunkt Boykott Katar
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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