# taz.de -- Radfahren in Berlin: Gefühlte Sicherheiten | |
> Laut einer Umfrage lässt Berlins Radinfrastruktur aus NutzerInnen-Sicht | |
> viel zu wünschen übrig. Die Zahlen sind allerdings | |
> interpretationsbedürftig. | |
Bild: Wie sicher ist sicher? Hier: die mittlerweile verstetigte Pop-up-Radspur … | |
BERLIN taz | Berlin ist aus Sicht seiner Radfahrenden noch weit davon | |
entfernt, allen eine sichere Infrastruktur zu bieten – aber immerhin geht | |
es gefühlt voran. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die von der Allianz | |
pro Schiene, dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) und dem Bund für | |
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Auftrag gegeben wurde. [1][Das | |
bundesweit erhobene „Mobilitätsbarometer“], das auch die Zufriedenheit mit | |
dem ÖPNV-Angebot messen soll, wurde am Freitag erstmals vorgelegt und soll | |
künftig im Abstand von zwei Jahren wiederholt werden. | |
„Stehen Ihnen ausreichend sichere Radwege zur Verfügung?“ Auf diese Frage | |
antworteten laut der Erhebung [2][nur 40 Prozent der befragten | |
BerlinerInnen mit „Ja“], was die Hauptstadt im untersten Drittel des | |
Bundesländerrankings platziert. Interessant dabei: Bremen, wo traditionell | |
sehr viel Rad gefahren wird, kommt hier mit 80 Prozent Ja-Stimmen auf einen | |
unangefochteten Spitzenplatz, Hamburg als dritter Stadtstaat bildet mit 34 | |
Prozent das Schlusslicht. Im Flächenland Brandenburg sind 46 Prozent der | |
Ansicht, es gebe schon eine ausreichend sichere Radinfrastruktur – was in | |
etwa dem Bundesdurchschnitt von 47 Prozent entspricht. | |
Gleichzeitig ergab die Befragung, dass sich 48 Prozent der Radfahrenden auf | |
ihren Fahrten durch Berlin „sicherer als noch vor fünf Jahren“ fühlen. F�… | |
Martin Schlegel, Mobilitätsexperte des BUND Berlin, ist das ein Hinweis | |
darauf, dass sich „die in der Corona-Pandemie eingeführten Pop-up-Radwege, | |
die Ausweisung von zusätzlichen Fahrradstraßen und teilweise | |
Verkehrsberuhigungen seit Antritt von Koalitionen aus SPD, Grünen und Linke | |
im Jahr 2016“ auswirken. Schlegel fordert vom Senat Druck auf | |
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), „eine echte Reform des | |
Straßenverkehrsgesetzes jetzt umzusetzen, damit die nötige weitere | |
Neuaufteilung des Straßenraums zugunsten des Umweltverbundes wirklich Fahrt | |
aufnehmen kann“. | |
Allerdings scheint auch bei der Methodik des „Mobilitätsbarometers“ noch | |
Luft nach oben zu sein. Zum einen gibt die „repräsentative zufallsbasierte | |
Telefon- und Online-Befragung“ durch das Forschungsinstitut Kantar | |
lediglich die Einschätzung von 2.000 Menschen im gesamten Bundesgebiet | |
wieder, im Schnitt also von 125 Personen pro Bundesland. Zum Vergleich: | |
[3][Am letzten Fahrradklimatest des ADFC] haben sich bundesweit 230.000 | |
Personen beteiligt. Allerdings erfüllt dieser nicht das Kriterium der | |
Repräsentativität, weil er allen Interessierten offen steht. Entsprechend | |
schlägt sich hier vor allem die Sicht von Menschen nieder, die ein | |
ausgeprägtes politisches Interesse an der Thematik haben. | |
Auch die vom Mobilitätsbarometer vorgelegte Auswertung der Daten wirft | |
teilweise Fragen auf: Zu den 40 Prozent der BerlinerInnen, die demnach mit | |
der Rad-Infrastruktur zufrieden sind, kommen 20 Prozent, die unzufrieden | |
sind – die fehlenden 40 Prozent sind diejenigen, die laut Erhebung das | |
Fahrrad gar nicht nutzen. Sprich: Der Anteil der Zufriedenen unter denen, | |
die Rad fahren, liegt deutlich höher – nämlich bei zwei Dritteln. | |
## Mit Bus und Tram gut angebunden | |
In Bezug auf den ÖPNV ergab die Umfrage, dass sich 93 Prozent der | |
BerlinerInnen mit Bus und Bahn „gut angebunden“ fühlen. Damit liegt die | |
Hauptstadt knapp hinter Hamburg (97 Prozent) und Bremen (98 Prozent), aber | |
weit vor Brandenburg (66 Prozent). Unzufrieden mit den Takten von Bussen | |
und Bahnen an ihrer nächstgelegenen Haltestelle sind in Berlin lediglich 14 | |
Prozent (Hamburg 11 Prozent, Bremen 28 Prozent, Brandenburg 37 Prozent). | |
Auch hier lässt die kleine Zahl der Befragten offen, wie aussagekräftig | |
diese Werte sind. | |
Für den BUND-Experten sind sie jedenfalls ein Anlass, auf den von | |
Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) angekündigten „Hauptstadttakt�… | |
zu verweisen – ein Mindestangebot von Trams und Bussen alle 10 Minuten, | |
auch auf vielen Linien außerhalb des Rings. Schlegel: „Fahrpersonalmangel | |
vor allem im Oberflächenverkehr und eklatanter Fahrzeugmangel bei der | |
U-Bahn wegen jahrelang verschleppter Beschaffungen sorgen für teilweise zu | |
geringe Kapazitäten. Nur mit einem guten Angebot kann der ÖPNV zum Rückgrat | |
der Mobilitätswende werden.“ | |
25 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.allianz-pro-schiene.de/mobilitaetsbarometer/ | |
[2] https://www.allianz-pro-schiene.de/wp-content/uploads/2022/11/221125_Mobili… | |
[3] https://fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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