# taz.de -- Die Wahrheit: Heiliger Bi-Bimbam! | |
> An zwei oder mehreren Orten gleichzeitig tätig sein kann nicht nur der | |
> Nikolaus oder das Christkind, manche Wesen sind besonders gut im | |
> Multitasking. | |
Die Zeit der Bilokation steht vor der Tür. Und wie wir durch unseren | |
abgelegten Katholizismus geprägten orthodoxen Atheisten wissen: An mehreren | |
Orten gleichzeitig sein können, ist eine praktische Heiligenfähigkeit. | |
Obwohl es eigentlich um Multilokation gehen müsste, denn es reicht | |
selbstredend nicht, nur an zwei – „bi“ – Orten zu sein, sonst könnten … | |
Job mit den Nikolausgeschenken ja auch die Kessler-Zwillinge übernehmen. | |
Aber dann würden eben nur genau vier Kinderaugen glänzen, oder, wenn man | |
stattdessen die Jacob Sisters überreden könnte, sechs. | |
Nach Sankt Nikolaus, der an einem einzigen Abend sämtliche Stiefel der Welt | |
mit Geschenken zu füllen vermag, werden in den nächsten Wochen die üblichen | |
bi- oder multilokativen Taten vom Christkind oder vom Weihnachtsmann | |
erwartet, und auch ich bin jedes Jahr begeistert davon, wie toll die beiden | |
das hinbekommen. | |
Dennoch: Auch andere sind gut im Multitasking. Ein ebenso interessantes, | |
wenn auch moralisch viel verwerflicheres bilokationsfähiges Wesen war Pater | |
Pio, ein Kapuziner – Mönch, nicht Äffchen –, der als Klerikalfaschist | |
bekannt wurde und um den sich ab 1919 ein Kult entwickelte. Pater Pio, den | |
Fotos nach zu urteilen ein beleibter Vollbartträger mit grauweißem Schopf | |
und buschigen Augenbrauen, tauchte nicht nur nachts bei konkreten Personen | |
auf, obwohl er sich, nach dem vielen Ora et Labora müde, eigentlich im | |
harten Klosterbette befinden sollte. Dass die konkreten Personen Frauen | |
waren, die angaben, mit dem zölibatären Kleriker ein Verhältnis zu pflegen, | |
wurde erst später kolportiert. | |
Nein, Pater Pio konnte mit seinen Bilokationen auch die Erdanziehungskraft | |
überwinden: Auf mehreren vertrauenswürdigen Webseiten finden sich Hinweise | |
darauf, dass Pater Pio im Jahr 1943 Piloten der vereinten Streitkräfte | |
aktiv davon abhielt, Bomben auf San Giovanni Rotondo zu werfen, indem er | |
ihnen auf Augenhöhe, also über den Wolken beziehungsweise vor dem | |
fliegenden Flugzeug, erschien und sie daran hinderte, auf den Knopf zu | |
drücken. | |
Nachdem sich solche Geschichten häuften, sei sogar ein US-General mit | |
seinem Flugzeug über dem italienischen Dörfchen aufgestiegen, um es zu | |
vernichten, heißt es in einer der vertrauenswürdigen Quellen. Aber auch ihm | |
erschien ein Mönch (Pater Pio!) mit erhobenen Armen, und die Bomben fielen | |
wie von selbst auf unbewohntes Waldgebiet und töteten dort nur ein paar | |
Fliegenpilze. | |
Weil sich an Pater Pios Händen zudem Zeit seines Lebens – er starb 1968 – | |
Stigmata, also die blutigen Wunden Jesu Christi zeigten, sammelte der um | |
ihn entstandene Kult dessen blutgetränkte Taschentücher und verwendete sie | |
zu Hause als Heilmittel. Gegen was, ist nicht bekannt. Ich hoffe nur, es | |
war den Italienern klar, dass man Zitronensaft, Natron oder Backpulver auf | |
die heiligen Flecken geben muss. Denn Blut geht auch bei 95 Grad nicht | |
raus, Stigmata hin oder her. | |
2 Dec 2022 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
## TAGS | |
Heilige | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Katholische Kirche | |
Katholizismus | |
Nikolaus | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Kolumne Die Wahrheit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Ein Conjäckchen in Ehren | |
Städtepartnerschaften gibt es viele in der Welt, aber bei manchen sind | |
Trinkorgien geradezu logische Konsequenz des Kommunikationsaustauschs. | |
Die Wahrheit: Kokstaxi fährt Bierbike an | |
Drogenlieferdienste auszuheben ist keine schwierige Sache, nicht einmal für | |
die Berliner Polizei, die auch das Internet kennt. | |
Die Wahrheit: Lang lebe die Maskenpflicht! | |
Bald werden wir uns wieder riechen müssen, wird nicht schön werden. Denn | |
keine Maskenpflicht mehr heißt: Wunderbare urbane Anonymität verschwindet. | |
Die Wahrheit: Schäferidyll mit Blutwurst | |
In Dokumentarfilmen kann man Interessantes über die Lebensweisen anderer | |
Menschen erfahren, wenn man diesen Irren nur aufgeschlossen begegnet. | |
Die Wahrheit: ¡Fuerza, Kastagnettenorchester! | |
Die Spanien-Woche der Wahrheit: Schlimmer geht immer, besonders, wenn es | |
sich um musikalische Hola-Darbietungen in der Nachbarwohnung handelt. | |
Die Wahrheit: Berlin für Hardcore-Touristen | |
In der Hauptstadt sind sie jetzt wieder da, die Touristinnen und Touristen. | |
Manche von ihnen suchen aus Gründen schon bald das Weite … |