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# taz.de -- Die Wahrheit: Schäferidyll mit Blutwurst
> In Dokumentarfilmen kann man Interessantes über die Lebensweisen anderer
> Menschen erfahren, wenn man diesen Irren nur aufgeschlossen begegnet.
Auch andere Menschen haben schöne Leben. Zum Beispiel die Familie eines
englischen Schafhirten, die ich neulich beim sonntäglichen Zappen in einem
Dokumentarfilm kennenlernte. Sie bestand aus Eltern, einer rüstigen
Schwiegermutter, zwei halbwüchsigen Töchtern und einem etwa siebenjährigen
Sohn. Dass sie im Schaf-Business war, habe ich noch vor dem ersten Hammel
im Bild gemerkt. Auf die Frage, ob es mit den Zotteltieren auf der Wiese
nicht zuweilen etwas einsam wird, antwortete das Familienoberhaupt:
Nä-hä-hä-hä.
Auch im Frisurengeschmack zeigten sich Gemeinsamkeiten zwischen den
Rasseschafen und ihrem Hüter: Beide trugen ihre Löckchen schick im
Bicolor-Stil oben kurz und über den (in Relation zum Gesicht recht großen)
Ohren etwas länger. In der Hirtenfamilie geht es, so behauptete der Film,
sehr viel um die Frage nach der richtigen Mauer.
Selbst der kleine Sohn redete von nichts anderem: Schau mal, Papa, ich habe
eine Mauer gebaut! – Oh, das ist aber eine schöne Mauer. Bau doch gleich
noch eine zweite! Denn der Nationalpark Lake District, die Heimat der
Herdwick-Herde, wird von Mauerwerk aus groben Findlingen dominiert, das die
Schafe daran hindern soll, in einen anderen District auszuwandern oder sich
vor Langeweile suizidal von einem der schroffen Berggipfel zu stürzen.
Aber Langeweile ist selbstverständlich relativ: Wie der sympathische
Schäfer erzählte, kann er es allmorgendlich kaum abwarten, wieder zu seinen
Schafen zu gehen und auf dem Weg geschickt ein paar Mauerlöcher mit
passenden Findlingen zu stopfen. „Das ist wie ein Puzzlespiel“, sinnierte
er, während er sich gedankenverloren die Löckchen rieb. Nur eben nicht ganz
so nervenzerreibend.
## Blutwurst, Bier und Shepherd's Pie
Morgens wie abends sitzt die Hirtenfamilie gemütlich zusammen, isst von der
Schwiegermutter in einem riesengroßen Landhausherd sieben Stunden lang
gekochte Blutwurst und Shepherd’s Pie und trinkt dunkles, schweres Bier.
Manchmal schaut sie auch Fernsehen dazu. Deswegen habe ich schnell einen
kleinen Dokumentarfilm über meine eigene Familie gedreht und der BBC
geschickt.
Nun würde ich zu gern wissen, was die Schäferfamilie darüber denkt: Welch
ein trauriges Dasein diese komische Familie dort in Berlin fristet, so ganz
ohne Blutwurst! Was ist denn das – ein Puppenherd? Wie soll denn da um
Himmels Willen eine Pie-Form hineinpassen? Die Armen müssen den ganzen Tag
drinnen hocken, und abends können sie nur einschlafen, wenn sie genügend
von diesem dünnen, vergorenen Traubenzeugs getrunken haben – weil niemand
beruhigend blökt, und weil sie keine Schafe zählen können. Und huch – ihre
hübsche Mauer ist ja auch nicht mehr da! Bloody hell, das war doch das
einzig Gute in der Gegend.
Es könnte natürlich sein, dass die Schäfersippe genauso aufgeschlossen,
vorurteilsfrei und tolerant gegenüber anderen Lebensweisen ist wie ich. Ich
werde das Blutwurst-Rezept doch mal ausprobieren.
4 Nov 2022
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
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