| # taz.de -- Anschlag auf queeren Club: Es bleibt nur Selbstverteidigung | |
| > Der Anschlag auf den Club Q in Colorado Springs zeigt so wie die Debatte | |
| > über die „One Love“-Binde: die Hetze gegen die LGBTQI-Community hat | |
| > Folgen. | |
| Bild: Szene vor dem Rathaus in Colorado Springs nach dem Anschlag auf den Club Q | |
| Der 20. November steht für den Transgender Day of Remembrance. An diesem | |
| Tag gedenken Menschen weltweit der Überlebenden und Ermordeten | |
| transfeindlicher Gewalt. Dieses Jahr wurde er mit einer furchtbaren | |
| Nachricht eingeleitet: In der Nacht zum Sonntag ereignete sich im Club Q, | |
| dem einzigen queeren Club in der konservativen US-Stadt Colorado Springs, | |
| ein Anschlag. | |
| Der 22-jährige Anderson Lee Aldrich tötete mit einer Schusswaffe fünf | |
| Menschen: die beiden Barkeeper Derrick Rump und Daniel Aston sowie die | |
| Besucher_innen Kelly Loving, Ashley Paugh und Raymond Green Vance. 25 | |
| weitere verletzte er. Zwei Clubbesucher_innen –der Veteran Richard | |
| Fierro und Drag-Performer_in Thomas James – waren in der Lage, ihn zu | |
| überwältigen und Schlimmeres zu verhindern. International ist es der dritte | |
| Anschlag seiner Art 2022, bereits vor Monaten kam es zu Anschlägen in | |
| LGBTIQ-Clubs in Oslo und Bratislava. | |
| An jenem Abend gab es im Club Q eine Drag-Show – genau jene Art von | |
| Veranstaltung, gegen die Rechte und Konservative dieses Jahr vermehrt | |
| hetzten. Republikanische Politiker_innen gehen seit jeher mit Kampagnen | |
| gegen queeres Leben auf Stimmenfang, auch jüngst anlässlich der Midterms. | |
| Vom erschwerten Zugang zur Gesundheitsfürsorge bis hin zur Kriminalisierung | |
| der bloßen Existenz forderten sie alles, um insbesondere trans Personen das | |
| Leben zur Hölle zu machen, und verbreiteten das Narrativ der perversen | |
| Queers, die ihre Kinder gefährden. Auch in Europa gelingt es einer | |
| Anti-trans-Querfront, die Mär der Frühsexualisierung zu erzählen, als wäre | |
| die bloße Sichtbarkeit von queeren und trans Personen vor allem für junge | |
| Menschen so bedrohlich, dass sie mit allen Mitteln bekämpft werden müsste. | |
| Der Hang christlicher Fundamentalist_innen, Konservativer und anderer | |
| Rechter, solche Geschichten aus dem Paulanergarten zu verbreiten, kommt | |
| nicht überraschend, schließlich ist die auf falschen Infos aufgebaute moral | |
| panic Teil ihrer regressiven Ideologien. Auch jene, die sich selbst als | |
| Vorkämpfer_innen des Liberalismus betrachten, übernehmen diese rechten | |
| Narrative. Schmerzhafter ist, dass sich auch beleidigte Schwule, Lesben und | |
| Radikalfeminist_innen nicht zu schade sind, sich an solchen Allianzen zu | |
| beteiligen. | |
| Umso pietätloser erscheint es, dass ausgerechnet Gruppierungen wie die | |
| [1][LGB Alliance], bekannt durch ihr Anti-trans-Engagement, öffentlich | |
| Trauer über den Anschlag bekunden. Genau solche Zusammenschlüsse sind es, | |
| die im Progressiven die grassierenden Anti-trans-Ressentiments in | |
| Feuilleton, sozialen Medien und Wissenschaft befeuern. | |
| Tradition scheint auch die Regressivität in der Familie des Täters zu | |
| haben. So stellte sich heraus, dass sein Großvater mütterlicherseits der | |
| republikanische Ex-Abgeordnete Randy Voepel ist, der in Kalifornien von | |
| 2016 bis 2022 im Amt war. Dieser fiel 2021 mit Aussagen auf, in denen er | |
| den Putschversuch vom 6. Januar 2021 verharmloste und zunächst abfeierte. | |
| Der Vater des Täters hingegen wurde nun in einem Videointerview mit der | |
| Frage konfrontiert, wie er dazu steht, dass sein Sohn fünf Menschen in | |
| einer queeren Bar ermordet hat. Seine Reaktion? Zuerst habe er Angst | |
| gehabt, sein Sohn könnte schwul sein. Kein Mitgefühl mit den Überlebenden | |
| und Angehörigen der Opfer. Keine Reue. Keine Trauer. Offenbar ist es ihm | |
| lieber, dass sein Sohn ein Massenmörder ist, als dass er homosexuell sein | |
| könnte. Er sei Mormone, und Mormonen „don’t do gay“. | |
| Gay, gay, gay, war da nicht noch irgendwas? Ach ja, stimmt, Fußball-WM in | |
| Katar und die läppischen „One Love“-Binden. Dass die deutsche | |
| Nationalmannschaft keine Position für Menschenrechte beziehen will, hat sie | |
| bereits mit ihrer Teilnahme bewiesen. Sie hat gezeigt, worum es in der | |
| Männerfußballbranche wirklich geht: nicht um Zusammenhalt, nicht um | |
| Demokratie, nicht um Integrität, sondern ausschließlich um Profite. Der | |
| Verzicht auf die „One Love“-Binde – ein Stück Stoff schwammiger | |
| Symbolpolitik – ist nur konsequent. Der queerfeindliche Terroranschlag in | |
| Colorado Springs und die Nachrichten über die Verbrechen des iranischen | |
| Terrorregimes, das täglich Protestierende ermordet und Queers schon seit | |
| jeher hinrichtet, verkommen zu bloßem Nebenrauschen. Diese Gräueltaten | |
| reichen nicht einmal für ein popeliges Accessoire aus. Das ist bitter, das | |
| ist traurig, das ist Deutschland. | |
| Doch es schmiegt sich smooth an die DNA des Männerfußballs an. Was jucken | |
| Profifußballer schon die Rechte von Queers oder Frauen? Fußballkultur ist | |
| bekannt für massive Homofeindlichkeit und zunehmende häusliche Gewalt | |
| während solcher Events. Auch wenn Spieler wie Thomas Müller betonen, Sport | |
| und Politik zu trennen, sprechen sowohl der in der Fußballkultur | |
| normalisierte Nationalismus als auch die Homo- und Frauenfeindlichkeit oder | |
| ein Exkurs nach Kroatien, wo der Spieler Manuel Neuer 2020 beim Singen | |
| eines rechtsnationalen Smash-Hits gefilmt wurde, Bände darüber, was als | |
| Politik gilt und was nicht. | |
| Die Bilanz, die LGBTQI-Communitys nach diesem Jahr für sich ziehen können, | |
| ist also, dass sie füreinander einstehen müssen, weil es sonst kaum jemand | |
| tun wird. Nicht einmal mit harmloser Symbolpolitik. | |
| 25 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hengameh Yaghoobifarah | |
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