# taz.de -- Fortbestand der Sprachkitas: Eine Schonfrist, nicht mehr | |
> Der Bund verlängert die Förderung für die Sprachkitas bis Mitte 2023. | |
> Darauf darf sich Berlin jetzt nicht ausruhen. | |
Bild: Früh übt sich: Lesestunde in der Kita | |
Viel zu oft laufen Kita-Themen unter dem, was ein Bundeskanzler a.D. mal im | |
Ressort „Gedöns“ verortet hat. Schulpolitik hat es noch etwas leichter | |
durchzudringen, da geht es ja immerhin um Noten, um Abschlüsse; da schaltet | |
sich dann auch mal die Industrie- und Handelskammer (IHK) ein, wenn die | |
[1][Ergebnisse aus irgendwelchen Länder-Leistungsvergleichen nicht | |
stimmen]. Dann hören alle zu, es geht ja bei Bildungspolitik um diejenigen, | |
die einmal das Bruttosozialprodukt erwirtschaften sollen, und wenn sie es | |
nicht tun, weil man sie nicht dazu befähigt hat, wird das teuer für alle. | |
Es geht also ums Geld. | |
Aber Kita? Kleine Kinder und prekär bezahlte Jobs, die vor allem von Frauen | |
gemacht werden, hatten es noch nie leicht, Gehör zu finden. Bevor wir hier | |
abdriften: Der Punkt ist, Kita-Politik bekommt nicht den Stellenwert, die | |
sie verdient. Der aber nötig wäre, damit am Ende nicht alle drauf zahlen, | |
am meisten die Kinder selbst. | |
Jüngstes Beispiel ist die [2][Debatte um die Sprachkitas]. Nach viel | |
Protest aus den Ländern hat sich der Bund diese Woche doch dazu | |
durchgerungen, die seit 2016 laufende Förderung noch einmal bis Ende Juni | |
2023 zu verlängern. Eigentlich sollte das Bundesprogramm Ende des Jahres | |
auslaufen. Jetzt gibt es weitere 109 Millionen Euro von der grünen | |
Familienministerin Lisa Paus. | |
Das Geld fließt in Personalmittel für zusätzliche Sprachförderung. | |
Bundesweit werden so rund 7.000 Teilzeitstellen in den Kitas finanziert. | |
Berlin bekommt rund 13 Millionen Euro für über 300 Kitas. | |
Nun hat die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), die auch | |
für die Kitas zuständig ist, bereits klar gemacht: Man will die Stellen | |
erhalten, auch wenn das Bundesprogramm ausläuft, das sei „ein Versprechen | |
an die Fachkräfte, die eine enorm wichtige Arbeit leisten“. Es sei aber | |
auch klar, „dass die fehlenden Mittel insgesamt eine Lücke reißen würden�… | |
Übersetzt auf den Kita-Alltag hieße das: Im Zweifel werden die Gruppen eben | |
größer, sodass man das Personal halten kann. Die Betreuungsqualität leidet | |
dann natürlich, Sprachförderung wird schwieriger – egal, ob die Person mit | |
der entsprechenden Fortbildung noch da ist oder nicht. | |
Das kann sich Berlin eigentlich nicht leisten, wenn man sich anschaut, wie | |
zum Beispiel die Ergebnisse der Viertklässler*innen im jüngsten | |
bundesweiten Bildungsranking abschnitten. Beinahe die Hälfte, 46 Prozent, | |
erreichen nicht die Mindeststandards in Rechtschreibung, 27 Prozent können | |
auch in der vierten Klasse nicht richtig lesen. Das hatte eine viel | |
beachtete Studie des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, | |
kurz IQB, im Oktober gezeigt. Der Vizepräsident der IHK sprach daraufhin | |
von einer „ernstzunehmenden Bedrohung für den Wirtschaftsstandort“Berlin. | |
## Konsequente Vorschulpolitik | |
Ob und wie gut jemand in der vierten Klasse Lesen und Schreiben kann, | |
entscheidet sich aber schon zu einem guten Teil in der Kita. Hamburg zum | |
Beispiel schnitt auffällig gut ab. Der Stadtstaat betreibt eine konsequente | |
Vorschulpolitik für Kinder, die im Kita-Alter durch einen verpflichtenden | |
Sprachtest fallen. | |
In Berlin hingegen bleibt ein solcher Sprachtest meist folgenlos – die | |
Kinder [3][landen trotzdem nicht in einer Kita oder in der | |
Sprachförderung]. Und zwar nicht, weil die Familien nicht wollen, sondern | |
weil es an einer verständlichen Ansprache seitens des Jugendamts oder | |
mitunter auch an Kitaplätzen in der Nähe mangelt. | |
Wenn der Bund das Projekt Sprachkitas nicht dauerhaft finanziert – und | |
darauf war es nie angelegt – muss das Geld aus dem Landeshaushalt kommen. | |
Dass die Bildungssenatorin erstmal versuchen muss, möglichst lange und | |
möglichst viel Geld vom Bund zu bekommen, bevor sie den eigenen | |
Finanzsenator dazu bewegen kann, selbst Geld in die Hand zu nehmen, nennt | |
man Haushaltspolitik. | |
Jede halbe Stelle für Sprachförderung ist wichtig, aber wenn sie anderswo | |
in der Kita eine Lücke reißt, wird der Effekt verpuffen. Und natürlich | |
müssen die Kinder, die es am dringendsten brauchen, auch überhaupt erstmal | |
in diesen „Sprachkitas“ ankommen. Es wäre eine Investition in die Zukunft. | |
12 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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