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# taz.de -- Eishalle in der Energiekrise: Aufs Verzichten verzichten
> Wegen der Energiekrise sollte in Bremen im Winter auf eine zweite
> Eishalle verzichtet werden. Eigentlich. Es kam dann doch anders.
Bild: Vielleicht wird der Winter ja so eisig, dass Eislaufen auch unter freiem …
Bremen taz | Für sich genommen ist die Geschichte von der Inbetriebnahme
der zweiten Bremer Eishalle zu klein, um sie zu erzählen. Es ist der
exemplarische Charakter, um den es bei dieser Anekdote geht, auch wenn es
da diese reizvolle Koinzidenz gibt, dass exakt gleichzeitig in der Gemeinde
Wangerland an der Küste, wo der Wind geerntet wird, den dann die Städter
100 Kilometer weiter südlich konsumieren, [1][die Schwimmbäder dicht
gemacht wurden, am 14. November].
Also, halten wir fest: Auf dem Land wird, um Energie zu sparen, auf eine
Infrastruktur verzichtet, die ermöglicht, dass Leute schwimmen lernen und
die DLRG trainieren kann, also etwas, was im Zweifel echt Leben rettet. Und
nun schauen wir nach Bremen. Energiesparen hatten sie sich da auch
vorgenommen. Im August hatte der Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD)
sogar gesagt, die Energiekrise infolge des russischen Kriegs gegen die
Ukraine habe „das gleiche Potenzial, unseren Alltag zu verändern, wie die
Coronakrise“.
Und in der Tat: Zwischen 0 und 6 Uhr werden touristisch wertvolle Bauwerke
– Rathaus, Roland, Böttcherstraße – nicht mehr angestrahlt. In dieser
Sparideenvielfalt ragte die etwas später angekündigte Einzelmaßnahme
heraus, die zweite Halle des Paradice, die Schlittschuh-Sporteinrichtung
des kommunalen Bäderbetreibers, diesen Winter nicht zu nutzen.
Sinnig: Finanziell hätte man Minderausgaben von 411.000 Euro gehabt, die
sich prima dafür einsetzen ließen, die Umrüstung auf nachhaltige
Synthetikeisflächen ([2][ja, die gibt]’s) zu planen. Denn ohne die bleibt
Eislaufen ein echter Klimakiller: Das Vereisen allein jener zweiten
Paradice-Halle verbraucht in einem halben Jahr 0,61 Gigawattstunden. Weil
man aber in solchen Einrichtungen auch gegen die eigens erzeugte Kälte
etwas tun muss, [3][sonst werden die Knicklicht-Party und die Flirtdisco
ein Reinfall], kommen noch 0,9 Gigawatt für Wärme hinzu: Macht zusammen
eine Einsparung von genug Energie, um 500 Zweipersonenhaushalte ein Jahr
lang zu versorgen, also mindestens ein Dorf im Wangerland. So geht
effizientes Sparen.
Oder eben nicht. Denn, kaum hatte der Bäderbetrieb den Plan verkündet,
sagten ein paar Eissportvereine och menno!, und da hatten sie natürlich
auch wieder recht.
Also haben Sportsenatorin Anja Stahmann und ihr Staatsrat, die als Grüne
prinzipiell ja schon für Energiesparen wären, mal lieber aufs Verzichten
verzichtet. Alte Gewohnheiten aufzugeben, mag zwar klug sein. Es ist aber
unpopulär. Und mit traurigen Eisläufer*innen kann man auch keine Wahlen
gewinnen. Im Vorfeld der Bürgerschaftswahl im Mai hat deshalb das
Superschuldenland Bremen, um umweltpolitisch auch ohne Verzicht aktiv zu
wirken, beschlossen, für einen Klimafonds Kredite aufzunehmen, als gäbe es
kein Morgen mehr.
Gibt’s ja vielleicht auch nicht. Wenn in 20 Jahren dank Klimakatastrophe
die Nordsee angefangen haben wird, das Wangerland wegzulecken, wird jemand
die Frage stellen: Wie konntet ihr das zulassen? Ihr wusstet doch, was
nötig ist! Wie konntet ihr mit euren grünen und sozialen Regierungen alles
blockieren, was den CO2-Abdruck eurer Lebensweise drastisch gesenkt hätte?
Dann wird man sagen: Schau dir mal Bremen an, die Sache mit der zweiten
Eishalle im Herbst 2022. Damals, als wegen des Ukrainekriegs alle noch mehr
Energie hätten sparen wollen. So, wie das da im Kleinen schiefgegangen ist,
so war es überall sonst auch, im Großen.
21 Nov 2022
## LINKS
[1] https://www.wangerland.de/detailansicht/schwimmbaeder-im-wangerland-schlies…
[2] https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/zentralschweiz/synthetische-eisfl…
[3] https://eissporthalle-paradice.de/veranstaltungen
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
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Bremen
Energiesparen
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Dry January
Energiekrise
Stromkosten
Kolumne Stadtgespräch
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