# taz.de -- Sparen in der Energiekrise: Sprung ins kalte Wasser | |
> Die Berliner Bäder-Betriebe senken in diesem Winter wegen der | |
> Energiekrise die Wassertemperatur ab. Für Kinderschwimmkurse keine | |
> leichte Situation. | |
Bild: Kräftig warm schwimmen ist hier angesagt | |
BERLIN taz | Wenn man derzeit abends gegen 19 Uhr das Wellenbad am | |
Spreewaldplatz in Kreuzberg betritt, sieht man fast nur noch die | |
Vereinsschwimmer*innen, unter ihnen auch viele sechs- bis zehnjährige | |
Kinder, die nach ihrem Training fröstelnd aus dem Wasser steigen und vom | |
Handtuch eng umschlungen den Weg zu den heißen Duschen gehen. | |
Die Wärme von oben nach dem Schwimmen ist in diesem Herbst besonders | |
begehrt – seit Beginn der Hallenbadsaison in Berlin gilt nämlich als | |
Maßnahme zum Gassparen eine Temperaturobergrenze von 26 Grad in den Becken. | |
Mit dieser Absenkung um zwei Grad könne man in Zeiten der Gasmangellage den | |
Energieverbrauch bereits um bis zu 10 Prozent reduzieren, so Claudia | |
Blankennagel von den Berliner Bäder-Betrieben. Exakt zu beziffern ist die | |
Ersparnis laut Sprecherin der BBB noch nicht, da sie maßgeblich von der | |
jeweiligen Außentemperatur abhängig sei. | |
Wie sich die kältere Wassertemperatur auf den Vereinssport auswirkt, | |
beantwortet auf taz-Nachfrage ein Vertreter des BSV Kreuzberg. Allgemein | |
würden [1][26 Grad als empfohlene Trainingstemperatur] gelten, somit hätten | |
gerade Jugendliche und Erwachsene kein Problem mit der Absenkung. | |
Doch für Kinder zwischen vier und zwölf Jahren gelte das nicht, da sie | |
schneller frieren würden. Die empfohlene Trainingstemperatur liege für sie | |
bei 27 bis 30 Grad. Dass es nun kälter sei, nehme ihnen „oft die Lust, | |
weiterhin regelmäßig am Schwimmtraining teilzunehmen – mit dem absehbaren | |
Effekt, dass viele Kinder nicht sicher schwimmen lernen und dass im | |
Schwimmsport in Zukunft Nachwuchs fehlen wird“, sagt Henning Schütz vom BSV | |
Kreuzberg. | |
Clara Schedlich, sportpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im | |
Abgeordnetenhaus, ist vor allem froh, dass die Hallenbäder ab September | |
angesichts der Energiekrise öffnen konnten: „Schul- und Kinderschwimmen hat | |
für mich die höchste Priorität. Schwimmkurse retten Leben und daher gehören | |
Bäder zur Daseinsvorsorge und dürfen nicht alle geschlossen werden.“ | |
Laut der Senatssportverwaltung mussten zuletzt in zwei Jahren Pandemie über | |
50 Schwimmkurse ausfallen. In jedem Kurs lernten 15 Kinder schwimmen. Hier | |
versuche man aktuell mit Ferien- und Intensivkursen möglichst viel | |
nachzuholen, so Schedlich, denn schließlich sei Berlin mit Blick auf die | |
Schwimmfähigkeit der Kinder ohnehin nicht so gut aufgestellt. | |
Allerdings ging die Nichtschwimmer*innenquote unter den Berliner | |
Schulkindern in den vergangenen Jahren zurück und liegt mit rund 15 Prozent | |
laut Bildungsverwaltung deutlich unter dem Bundesschnitt von 40 Prozent bei | |
Grundschulkindern, von dem die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG | |
ausgeht. | |
Schedlich sagt: „Selbstverständlich muss der öffentliche Sektor in | |
Situationen wie dieser als Vorbild voranschreiten und ebenfalls | |
Einsparungen in vertretbaren Maßen vornehmen.“ Allerdings, kritisiert die | |
Grünen-Abgeordnete: Die Bäder und auch anderen Sportstätten in Berlin seien | |
nicht ausreichend energetisch saniert und mit Solaranlagen ausgestattet. | |
„Hier wurde in den letzten Jahren einiges verschlafen, was jetzt dringend | |
nachgeholt werden muss“, so Schedlich. Spätestens jetzt müsse auch allen | |
klar sein: „Wir müssen weg von fossilen Energieträgern.“ | |
## Auch die Luft ist kälter | |
Um kurzfristig Energie zu sparen wurde in dieser Saison zusätzlich zur | |
Wassertemperatur die Lufttemperatur in den Hallenbädern auf 28 Grad | |
reduziert – der Unterschied zwischen Wasser- und Lufttemperatur muss zwei | |
Grad betragen, „sonst tropft es von der Decke“, erläutert BBB-Sprecherin | |
Blankennagel. | |
Eine Ausnahme bildeten die weiterhin 32 Grad warmen Kleinkind- und | |
Therapiebecken, sofern das bei getrennten Wasserkreisläufen möglich sei. | |
Die trotz Temperaturabsenkung sehr hohen Energiekosten in diesem Jahr | |
sollen mit zusätzlichen 25 Millionen Euro aus dem Nachtragshaushalt | |
abgefedert, so Sportsenatorin Iris Spranger (SPD). Das [2][Parlament hatte | |
den Nachtragshaushalt am Montag beschlossen]. | |
Dass viele Berliner Schwimmer*innen in Bezug auf die Wassertemperatur | |
nicht zimperlich sind, hatte sich am Ende der Freibadsaison schon gezeigt: | |
Im Oktober lockte das [3][Open-Air-Schwimmen im Kreuzberger Prinzenbad] | |
über 4.500 Gäste an. Selbst vom am Ende nur noch 14,6 Grad kalten Wasser | |
ließen sich die Schwimmer*innen nicht abhalten. Das Freibad feierte | |
damit die längste Saison seiner Geschichte. Wem allerdings die 26 Grad | |
Wassertemperatur in den Hallenbädern doch zu kalt sind, dem erlauben die | |
Bäderbetriebe in diesem Jahr Neoprenbadebekleidung. Davon machten | |
allerdings laut Blankennagel bislang nur wenige Gebrauch. | |
Wer in den kalten Monaten allerdings in den Berliner Saunen schwitzen | |
möchte, rennt gegen verschlossene Türen. Blankennagel: „In Abstimmung mit | |
der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport haben wir uns | |
entschieden, unsere Sauna-Anlagen in Zeiten der Gasmangellage in diesem | |
Herbst nicht zu öffnen.“ | |
16 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Hanna Fath | |
Wilma Werner | |
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