# taz.de -- Kreative Fußballfans: Kunst und Verbrechen | |
> Bei Schalke gibt es Kunst zu sehen – schöner, als es die Polizei erlaubt. | |
> Andernorts ist gar nichts erlaubt, nicht einmal das betreten der Stadt. | |
Bild: Verbotene Kunst: Der Rauch, der das Trikot auf dem Transparent blau färb… | |
Meistens ist es ja keine große Kunst, die man zu sehen bekommt, [1][wenn | |
der FC Schalke 04 zu einem Spiel lädt]. Am vergangenen Wochenende war das | |
anders. An den bei der Niederlage gegen den SC Freiburg wieder einmal | |
überforderten Spielern des Klubs lag das nicht. Die Künstler kamen aus der | |
Kurve. Fans hatten eine Choreografie hinter das Tor gezaubert, die | |
ihresgleichen sucht. Ein dreidimensionales Riesentransparent zeigte einen | |
Mann, der mit dem Finger auf das Klubwappen auf seinem weißen Trikot zeigt. | |
Hinter dem riesigen Lappen war auf einem Spruchband zu lesen: „Für Schalke | |
– alles geben“. Dann passierte etwas, das mittlerweile in der ganzen weiten | |
Fußballwelt für Staunen gesorgt hat. Von unten her färbte sich das Trikot | |
auf dem Transparent nach und nach, bis es am Ende in schönstem Königsblau | |
gestrahlt hat. | |
Das war schöner, als es die Polizei erlaubt, wie man heute weiß. Den | |
Färbungseffekt erzielten die Macher der Choreo, indem sie blaue Rauchtöpfe | |
entzündet haben. Es war also Pyrotechnik im Spiel. Das sei so nicht | |
abgesprochen gewesen, erklärte die Polizei Gelsenkirchen und kündigte an, | |
kein Sicherheitskonzept mehr zu genehmigen, wenn in der Kurve eine große | |
Aktion geplant werde. | |
Aber hätte man es überhaupt absprechen können? Gewiss nicht. Pyrotechnik | |
ist nicht genehmigungsfähig in deutschen Stadien. Und was wäre die Choreo | |
wert gewesen ohne den Färbungseffekt? Nicht allzu viel. Nun werden | |
Strafverfahren eingeleitet, ließ die Polizei mitteilen, was man getrost als | |
einen Angriff auf die Kunstfreiheit bezeichnen kann. | |
## Verbrecher unterwegs | |
Ja, der blaue Rauch ist auf das Spielfeld gezogen und hat dafür gesorgt, | |
dass die Partie nach vier Minuten unterbrochen werden musste. 71 Sekunden | |
hat die Unterbrechung gedauert. 71 Sekunden, in denen das Schalker Publikum | |
vom Spiel ihrer Mannschaft verschont worden ist. Der durch die | |
Rauchentwicklung entstandene Schaden hält sich also durchaus in Grenzen. | |
Und doch stehen am Ende die fantasievollen Kurvenchoreografen wie | |
Verbrecher da. | |
Wie Verbrecher werden auch Fans von Union Berlin behandelt, die zum | |
Europa-League-Spiel der Ihren gegen Saint-Gilloise ins belgische Leuven | |
reisen wollen. Solche Reisen unternehmen [2][fußballverrückte Anhänger] | |
auch, wenn sie keine Karten für das Stadion haben. Solche konnten sie in | |
diesem Fall gar nicht kaufen, war dem Berliner Klub doch verboten worden, | |
Tickets an seine Fans auszugeben. Das war die Strafe für das Verhalten | |
einiger Fans in Malmö, wo mit Leuchtraketen auf den Rasen geschossen wurde | |
und ein Mega-Böller direkt vor der Tribüne explodiert ist. Wer genau dafür | |
verantwortlich ist, wird noch ermittelt. | |
## Union-Anhänger bestraft | |
Bestraft wurden indes alle Union-Anhänger. In Leuven wurde ein | |
„Betretungsverbot“ für sie dekretiert. Der Berliner Klub warnte seine Fans | |
mit diesem Satz vor einer Reise nach Belgien: „Die Polizei Leuven wird auf | |
Basis dieses Dekrets zwischen dem 3. November (ab 10 Uhr) und dem 4. | |
November 2022 (bis 10 Uhr) Union-Fans ohne gültiges Ticket im Stadtgebiet | |
von Leuven und in den angrenzenden Teilgemeinden festsetzen.“ | |
Unions zwölfte Männer müssen also draußen bleiben. Fragen, ob das nicht | |
eine Grundrechtsverletzung bedeute, drängen sich auf, auch wenn man diese | |
angesichts des menschenverachtenden Grenzregimes und der beinahe schon | |
alltäglichen Pushbacks an den Enden der EU vielleicht nicht allzu laut | |
stellen sollte. | |
Der Union-Flieger, den die Fans auf einem Riesentransparent in der | |
vorvergangenen Woche vor der waldseitigen Tribüne des Stadions an der Alten | |
Försterei verewigt haben, muss jedenfalls am Boden bleiben. Auch diese | |
Choreo war große Kunst. In Leuven, der Stadt, die die älteste Universität | |
Belgiens beheimatet, hat man für so etwas eher keinen Sinn. | |
2 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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