# taz.de -- Medizinische Einwegartikel: Praxen plastikfrei – das geht | |
> Bei niedergelassenen Ärzt*innen fallen jede Menge Wegwerfartikel an. Es | |
> geht auch nachhaltiger, zeigt ein Kieler Start-up. | |
Bild: Medizinischer Müll | |
KIEL taz | Sekunden in der Hand, dann in den Müll: Müssen die | |
Einweg-Hilfsmittel in ärztlichen Praxen sein? Nein, glauben Nora Stroetzel | |
und Nicolai Niethe. Die Ingenieurin und der IT-Spezialist haben das | |
Unternehmen Praxis ohne Plastik gegründet. Das Start-up berät Praxisteams, | |
wie sie Müll und Energie sparen können. | |
Einsame Strände, Urwald, Korallenriffe – eine Weltreise führte die heute | |
34-jährige Stroetzel an die entferntesten Plätze der Erde. Überall stieß | |
sie auf Plastik. Zurück in Deutschland war ein Plastikbecher, den sie in | |
einer Zahnarztpraxis zum Mundspülen bekam, der Auslöser: Stroetzel begann, | |
nach Alternativen zu suchen. Dank eines Gründerstipendiums arbeiten sie und | |
IT-Fachmann Niethe seit Kurzem in Vollzeit daran, Praxen mit Tipps und | |
Produkten zu helfen. Drittes Mitglied im Team ist Annina Gräber, die aus | |
dem Pflegebereich kommt. | |
„Viele Ärzt*innen sind sehr offen, sie wollen etwas ändern“, sagt | |
Stroetzel. Gerade die jüngeren Mediziner*innen empfänden es als | |
krassen Gegensatz, im Privatleben Müll zu sparen, aber im Beruf täglich | |
Plastikberge zu hinterlassen. Auch aus Gesundheitsschutz: Das Material, das | |
für Verpackungen, Spitzen, Untersuchungslöffel und vieles mehr genutzt | |
wird, vermüllt nicht nur die Landschaft, sondern [1][findet als | |
Mikroplastik den Weg in den menschlichen Körper]. Fünf Gramm, so viel wie | |
eine Kreditkarte wiegt, nehme ein Mensch pro Woche auf, heißt es in einem | |
Faktenpapier der „Praxis ohne Plastik“. | |
Doch im stressigen Praxisalltag falle es oft schwer, die Arbeitsweisen zu | |
durchleuchten und müllfreie Alternativen zu finden, wissen Stroetzel und | |
Niethe. In Seminaren bekommen Praxisteams Ratschläge, um ihre Arbeit | |
umzustellen. „Wichtig ist, dass alle Beschäftigten teilnehmen“, sagt | |
Strotzel. Denn um Nachbestellungen von Material kümmern sich meist nicht | |
die Praxisinhaber*innen, sondern die medizinisch-technischen Angestellten. | |
Zurzeit finden analoge Workshops nur in Schleswig-Holstein statt, daneben | |
gibt es virtuelle Treffen. | |
## Teuer muss nicht sein | |
Für den Umstieg braucht es meist keine Investitionen, sondern nur andere | |
Arbeitsweisen und Alternativen, etwa für den Plastikbecher beim Zahnarzt: | |
„Viele Praxen sterilisieren ohnehin ihre Geräte. Es ist möglich, auch | |
Becher zu reinigen“, sagt Stroetzel. Anstelle der Moorpackungen, also in | |
Plastik eingeschweißten Torf, könnten künftig Kirschkernkissen verschrieben | |
werden. Im geplanten Onlineshop sollen Praxen weitere Anregungen finden: | |
„Viele kleine Hersteller produzieren bereits nachhaltig“, sagt der | |
33-jährige Niethe. „Man muss die Informationen nur zusammentragen.“ | |
Manchmal aber stehen Vorschriften im Weg. Die Regeln seien zu streng, | |
meinen die Start-up-Gründer*innen: „In einer normalen Praxis braucht es | |
nicht dieselben [2][Standards wie in einem OP-Saal].“ | |
2 Nov 2022 | |
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[1] /Forschung-in-Oldenburg/!5863898 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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