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# taz.de -- Spaltung unter Spaniens Fußballerinnen: Offene Wunden
> Beim Clásico zwischen Real und Barça sorgt die Spielerinnenrevolte gegen
> Spaniens Nationalcoach Vilda für die größten Spannungen. Und nun?
Bild: Gefrustet: Reals Torhüterin Misa Rodríguez nach einem Gegentreffer
Offen klaffen die Wunden in Spaniens Frauenfußball. Das zeigte sich an
einer Szene, über die nach dem Besuch des FC Barcelona bei Real Madrid am
Sonntagabend mehr geredet wurde als über das standesgemäße 4:0 der
Katalaninnen. Wüst und mit frustverweinten Augen schimpfte Real-Torhüterin
Misa Rodríguez nach Schlusspfiff auf Barça-Mittelfeldspielerin Aitana
Bonmatí ein, weil die ihr den Gruß zu verweigern schien. Und natürlich
wurde diese Episode allgemein damit assoziiert, dass die eine (noch)
Nationalspielerin ist, die andere nicht (mehr).
[1][Anderthalb Monate ist es her], dass sich 15 Spielerinnen, darunter
sechs von Barcelona, in gleichlautenden Schreiben an den Verband für
„emotional und also gesundheitlich“ außerstande erklärten, einer
Auswahlnominierung nachzukommen. Ursprung ihrer Vorbehalte sind die
Methoden von Nationaltrainer Jorge Vilda, sportlich und womöglich auch
atmosphärisch: über Dritte wird ihm exzessiver Kontrollwahn unterstellt.
Nun hat Vilda den Kader für die nächsten Länderspiele gegen Argentinien
(Freitag) und Japan (Dienstag) berufen. Erneut ohne die 15, aber mit acht
Spielerinnen von Real, dem einzigen Spitzenklub, wo alle loyal zu ihm
stehen.
[2][Der „Clásico“ – der in Wirklichkeit noch keiner ist], alle neun Duel…
hat Barça gewonnen – brachte auch vor diesem Hintergrund einen neuen Rekord
in Reals kleines Zweitstadion Alfredo Di Stéfano. Die 5.126 Zuschauer waren
zwar noch Lichtjahre entfernt von den über 90.000, die Barcelona vorige
Saison in der Champions League für dasselbe Duell versammelte, aber sie
reichten für konträre Fangesänge. „Vilda, bleib“, skandierten
Real-Anhänger, „Vilda, hau schon ab“, solche von Barça. Gegen Spielende
trösteten sich die Heimfans im Spott: „Ihr fahrt nicht zur WM.“
Tatsächlich kursierten in den vergangenen Wochen auch Nachrichten, wonach
die 15 Rebellinnen einigermaßen verwundert registriert hätten, dass Spanien
ohne sie in Testspielen ein 1:1 gegen den Weltranglistenzweiten Schweden
und gar ein 2:0 gegen Spitzenreiter USA herauskickte. Haben sie sich
fälschlicherweise für unersetzlich gehalten? Dazu untermauerte ja gerade
erst vorige Woche die spanische U17 mit ihrem WM-Titel zwei Monate nach dem
Triumph der U20, dass kein anderes Land über so hochkarätigen
Talentnachschub verfügt.
## Verhärtete Fronten
In der Realität erzählte das Schützenfest allerdings eine andere Wahrheit.
Selbst ohne Weltfußballerin Alexia Putellas und weitere Verletzungsausfälle
spielte nur Barça mit seinen streikenden Nationalspielerinnen. Ohne sie
scheint Spanien unter Turnierbedingungen chancenlos – ihre Rückkehr ist
aber nicht in Sicht. Vielmehr bekräftige Vilda bei der Kadernominierung die
Position des Verbandes. „Es gab keinen Austausch mit ihnen, wir verstehen
es so, dass sie sich selbst ausgeschlossen haben.“
Bei den Männern wäre ein solcher Zustand längst Staatsaffäre, mindestens
aber Chefsache und damit irgendwie gelöst worden. Insofern verrät die
Angelegenheit auch, wie stiefmütterlich der Frauenfußball von Spaniens
skandalumwitterten Verbandspräsidenten Luis Rubiales behandelt wird. Einen
Vermittlungsversuch unternahm bisher nur die Spielerinnengewerkschaft
Futpro. Allerdings um den Preis neuer Polemik, weil nach Medienberichten
dabei Druck auf weitere Spielerinnen ausgeübt worden sei, sich dem Boykott
anzuschließen; Futpro bestreitet das.
Und so kann es für manche Beobachter nur noch die große Lichtgestalt
richten: [3][Alexia Putellas] hat sich zwar als Sympathisantin der 15 zu
erkennen gegeben und steht mit ihrer Kapitänsstellvertreterin Irene Paredes
am Anfang der zunächst intern vorgebrachten Proteste gegen Vilda. Weil sie
allerdings seit der EM-Vorbereitung (und noch bis ins nächste Jahr) mit
Kreuzbandriss ausfällt, gehörte sie formal nicht zu den
Verzichtserklärerinnen. Damit könnte sie etwas mehr Handlungsspielraum
haben.
Ursprünglich wurde für eine diplomatische Mission auch mal auf die
Spielerinnen von Real gehofft. Wie es heißt, sollen einige von ihnen die
Kritik an Vilda teilen, im letzten Moment aber einen Rückzieher vom Protest
gemacht haben. Was wiederum die Szene mit Aitana Bonmatí und Misa Rodríguez
erklären könnte. „Lass mich in Frieden“, wollen Lippenexperten bei Aitana
abgelesen haben. Der Barça-Star, in Position und Talent so etwas wie die
neue Alexia, schrieb hinterher von „Spekulation und Desinformation.“ Und:
„Nur wir Spielerinnen auf dem Platz kennen die Wahrheit.“ Genau das ist
freilich schon die ganze Zeit ein Problem in Spaniens mysteriöser
Fußballrevolte.
7 Nov 2022
## LINKS
[1] /Verwerfungen-im-spanischen-Nationalteam/!5881487
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[3] /Fifa-Wahl-zur-Weltfussballerin/!5826205
## AUTOREN
Florian Haupt
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