| # taz.de -- Frankfurts OB Feldmann über seine Abwahl: „Mehr Schutz durch die… | |
| > Peter Feldmann ist wegen Korruption angeklagt, als OB Frankfurts wurde er | |
| > abgewählt. Im Interview räumt er Fehler ein und kritisiert seine Partei. | |
| Bild: Unter Korruptionsverdacht: Peter Feldmann wurde als OB von Frankfurt am M… | |
| taz: Herr Feldmann, mit welchem Gedanken sind Sie aufgewacht am Tag nach | |
| Ihrer [1][Abwahl als Oberbürgermeister von Frankfurt am Main]? | |
| Peter Feldmann: Mist! (lacht) Ich bin halt eher der Typ, der kämpft und für | |
| Forderungen eintritt und Sachen durchsetzen will. Die Zurückhaltung ist mir | |
| sehr schwergefallen, weil ich gehofft habe, dass es sich durch das Quorum | |
| erledigt. Nicht wahlzukämpfen, nicht rumzulaufen, mit Plakaten und Flyern, | |
| sondern eher stillzuhalten, das war für mich ganz ungewohnt und emotional | |
| schwierig. Und jetzt denke ich natürlich drüber nach, hätte ich härter | |
| rausgehen sollen? Hätte ich mich nicht darauf verlassen sollen, dass das | |
| Quorum nicht erreicht wird? | |
| Das Quorum war eine hohe Hürde. Mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten | |
| mussten für die Abwahl stimmen. Es haben aber 39,7 Prozent gegen Sie | |
| gestimmt: 201.825 FrankfurterInnen, mehr als Sie jemals gewählt haben. Da | |
| müssen Sie doch irgendetwas falsch gemacht haben, oder? Fallen Ihnen | |
| wenigstens drei Fehler ein? | |
| Spontan zwei auf jeden Fall. Der größte Fehler war am Anfang der | |
| AWO-Geschichte, wo es um das Gehalt meiner ehemaligen Frau und den | |
| Dienstwagen ging, dass ich da nicht gleich rausgegangen bin und gesagt | |
| habe: „Ich bin nicht korrupt!“ Mal ehrlich, es ging um 2.500 Euro Gehalt … | |
| 4.500 Euro. | |
| … brutto! Netto 2.500 Euro. Ich gehe davon aus, was auf dem Konto landet. | |
| Und die hat sie ja nicht für Nichtstun bekommen, sondern für einen | |
| Fulltime-Job. Ich war damals aber erst mal geschockt und sprachlos. Dann | |
| habe ich tatsächlich fast sechs Tage gebraucht, um mich zu sammeln und zu | |
| sagen: Leute, das ist alles Quatsch! Das hätte früher von mir kommen | |
| müssen. So habe ich die Spekulationswelle selbst mit angeheizt, dass die | |
| Leute sagten, da muss noch etwas sein, wenn der so geschockt ist. Im | |
| Nachhinein zu erklären, da ist nichts daran, ist natürlich schwierig. | |
| Der zweite Fehler: Ich dachte, wenn ich rausgehe in die Stadtteile, in die | |
| Betriebe, in die Schulen, was ich bis heute tue, dann findet das meine | |
| Partei toll und beschützt mich. Um dann zu erleben, dass man, wenn man | |
| nicht regelmäßig an allen Vorstand-, Beirats- und Gremiensitzungen | |
| teilnimmt, sehr schnell von den eigenen Leuten den Stuhl vor die Tür | |
| gesetzt bekommt. | |
| Wir wissen inzwischen, dass jedenfalls die damalige AWO-Geschäftsführerin | |
| Hannelore Richter, die jetzt wegen Betrugs angeklagt ist, eine Agenda | |
| hatte. Sie hat ja auch versucht, andere wichtige Personen wohlgesonnen zu | |
| stimmen. Die Tochter eines CDU-Stadtverordneten hat regelmäßig ein Gehalt | |
| bekommen, obwohl sie nichts gearbeitet hatte, ein Grüner, der noch immer im | |
| Landtag sitzt, bekam ein Luxusauto, angeblich auch ohne Gegenleistung. | |
| Waren Sie nicht zumindest naiv? | |
| Ich fand es plausibel, dass bei meiner topqualifizierten Ex-Frau, mit zwei | |
| Studienabschlüssen, mit Berufserfahrungen im Kindergarten, in der | |
| Jugendarbeit, in der Arbeit mit Behinderten nicht der geringste Zweifel | |
| sein könnte, dass das Gehalt angemessen war. Ich habe mitbekommen, dass | |
| auch andere um sie geworben haben, dass sie bei ihnen arbeitet. | |
| Sie bringt viel mit. Nicht nur, dass sie ein Turkulogiestudium absolviert | |
| hat, sondern dass sie auch in dieser Sprache und in der türkischen Gemeinde | |
| verankert ist. Dass die AWO sich auf so jemanden stürzt und sagt, das ist | |
| ja toll, genau so jemand brauchen wir als Aushängeschild, das erschien mir | |
| plausibel. | |
| Sie haben eben bei Ihren Fehlern nicht aufgeführt, dass Sie im Gerichtssaal | |
| öffentlich gemacht haben, dass Sie bei einer ungeplanten Schwangerschaft | |
| Ihrer damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau [2][zunächst auf einem | |
| Abbruch „bestanden“ hätten]. Das war doch eigentlich unverzeihlich. | |
| Ich will es nicht relativieren. Ich weiß, dass Millionen von Männern und | |
| Frauen in ihrem Leben schon in solchen Situationen gewesen sind. Ich habe | |
| mich am gleichen Tag bei meiner Tochter entschuldigt, weil es falsch war, | |
| dass ich das von meinem Anwalt habe laufen lassen. Ich hätte da | |
| intervenieren müssen. | |
| Der Anwalt sagt, es war Ihr Text. | |
| Ich war selbst geschockt und habe mit den Anwälten in der Mittagspause | |
| diskutiert, das zurückzuziehen. Davon ist mir abgeraten worden. | |
| Entscheidend ist aber: Es war meine Verantwortung. Und zu der stehe ich. | |
| Wie geht's weiter? Haben Sie die Befürchtung, dass in der Wohnungs- und | |
| Planungspolitik in dieser Stadt alles wieder zurückgedreht wird, was Sie | |
| mit angestoßen haben? Dass mehr bezahlbarer Wohnraum, dass [3][wieder mehr | |
| Sozialwohnungen gebaut werden]? | |
| Es stehen drei Magistratsvorlagen zur Entscheidung, die mir sehr wichtig | |
| sind, weil sie mit der Lebenssituation der Menschen zu tun haben. Alle | |
| ächzen wegen der Strom- und Gaspreise in der Krise. Wir wollen ein | |
| Moratorium für die Strom- und Gaspreise. Die Menschen haben die Sorge, dass | |
| sie ihre Wohnung verlieren könnten, weil sie die Mieten und die | |
| Energiepreise nicht mehr bezahlen können. | |
| Ich finde auch die kostenfreien Krabbelstuben wichtig, weil die Bildung von | |
| Anfang nichts kosten darf. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hat | |
| angeboten, die Mietpreise nach den Richtlinien zu senken, auch das muss | |
| jetzt umgesetzt werden. Ich kämpfe bis zum letzten Tag dafür, dass diese | |
| Vorlagen beschlossen werden. | |
| Man hört, Sie denken darüber nach, aus der SPD auszutreten. | |
| Da muss ich erst mal tief durchatmen. Das Verhalten vieler Parteimitglieder | |
| war sehr wohltuend. Ich kann da schon unterscheiden zwischen der Basis und | |
| der Führung. Ich bin seit 50 Jahren in der SPD und habe Tausende | |
| Arbeitsstunden in diese Partei investiert. In der SPD werden immer wieder | |
| Führungsfiguren ausgewechselt, wie in anderen Lebenssituationen Hemden. Das | |
| erschreckt mich schon. Ich hätte mehr Schutz durch die Partei erwartet. | |
| 11 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christoph Schmidt-Lunau | |
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