# taz.de -- Fonds gegen Rohstoffverschwendung: Mehr Kosten für Einmalplastik | |
> Unternehmen sollen sich künftig an der Abfallbeseitigung beteiligen. | |
> Betroffen sind die Tabakindustrie und Einweg-Produzenten. | |
Bild: Für die Müllbeseitigung müssen künftig auch die Hersteller zahlen | |
Dutzende aufgerauchte Zigarettenstümmel und ein umgekippter Kaffeebecher | |
neben einem vollen Mülleimer. Um solche Abfälle künftig zu vermeiden, | |
müssen sich Hersteller von Einwegprodukten ab 2025 an deren Entsorgung | |
beteiligen. | |
Das Bundeskabinett hat am Dienstag ein Gesetz zum Aufbau eines | |
Einwegkunststofffonds auf den Weg gebracht. Danach müssen Unternehmen, die | |
Einwegplastik, Feuchttücher oder Tabakfilter produzieren, eine | |
[1][jährliche Abgabe in einen Fonds einzahlen]. Verwaltet wird dieser Fonds | |
vom Umweltbundesamt. Kommunen, die für Sammlungs- und Reinigungskosten | |
zuständig sind, können daraus Geld beziehen und so einen Teil ihrer Kosten | |
decken. Die Einnahmen des Fonds werden auf jährlich bis zu 450 Millionen | |
Euro geschätzt. | |
Rohstoffverschwendung wie Einwegplastik trage dazu bei, „die weltweite | |
Verschmutzungskrise anzutreiben“, sagte Umweltministerin Steffi Lemke | |
(Grüne). Das neue Gesetz solle auch der Ressourcenverschwendung | |
entgegentreten und zugleich Städte entlasten. | |
Das Gesetz ist die Umsetzung der [2][EU-Einwegkunststoffrichtlinie] und | |
muss von den Ländern im Bundesrat bestätigt werden. Die Hersteller sollen | |
die Kosten erstmals im Frühjahr 2025 zahlen. Die Höhe hängt von der | |
verursachten Abfallmenge des Vorjahres ab. Eine Rechtsverordnung wird | |
derzeit von Lemkes Ministerium vorbereitet. | |
## Tabakindustrie hält nicht viel davon | |
Industrieverbände kritisieren das Vorhaben. Die Wirtschaft sei vollständig | |
damit ausgelastet, „den Betrieb trotz explodierender Energiepreise | |
aufrechtzuerhalten“, heißt es in einer Erklärung des Handelsverbands | |
Deutschland und sechs weiterer Verbände. Sie kritisieren, dass das | |
Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt eine zentrale Rolle bei der | |
Umsetzung des Gesetzes spielen. | |
Dadurch, dass die beiden die Kosten regeln, habe das Gesetz „nichts mehr | |
mit dem Prinzip der Herstellerverantwortung zu tun“, sagte Martin Engelmann | |
von der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. Schließlich sähen die | |
EU-Regeln vor, die Kosten zwischen Wirtschaft und Kommune festzulegen. | |
Auch dass die Höhe der Abgabe nicht klar ist, finden die Verbände | |
problematisch. „Der Kostenanteil muss in einem konkreten Verhältnis zu den | |
Abfallmengen stehen“, betont Jan Mücke, Geschäftsführer des Bundesverbands | |
der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE). | |
## Eventuell dürften Verbraucher:innen mehr zahlen | |
Vorschlägen, zusätzlich die Stückzahl und das Volumen mit zu | |
berücksichtigen, erteilt er eine Absage. „Die Ausweitung auf andere | |
Kostenparameter außer Gewicht ist nicht praxisgerecht und würde zu einer | |
massiven Überdeckung der tatsächlichen Kosten der Kommunen führen“, sagte | |
er. | |
Die Vermüllung des öffentlichen Raums sei ein gesellschaftliches Problem, | |
„das nur gemeinsam mit der Industrie angegangen werden kann“, sagte Mücke | |
der taz. Der Umwelt sei nicht geholfen, „wenn die Wirtschaft nur zahlen | |
soll, sich aber ansonsten am Problem nichts ändert“. Daher habe sich die | |
Wirtschaft eine stärkeres Mitspracherecht gewünscht. | |
Ob die Produktpreise steigen werden, um die Abfallkosten zu decken, ist | |
unklar. Jedes betroffene Unternehmen werde das für sich selbst entscheiden, | |
erklärte Anne-Kathrin Rothe vom Tabakverband BVTE. | |
## Gesetz könnte schärfer sein | |
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) begrüßt das Gesetz, hält es aber für | |
verbesserungswürdig. Es wäre besser gewesen, „die Kosten für die | |
Abfallentsorgung so zu erhöhen, dass es nicht lukrativ ist, in | |
Einwegprodukte zu investieren“, sagte Nabu-Sprecher David Pfender. Die | |
Abgaben, die Unternehmen in den Fonds einzahlen müssen, seien zu niedrig. | |
Deshalb gäbe es keinen Anreiz für Verursacher, auf nachhaltige Produktion | |
umzusteigen. | |
Ein zweites Problem sieht der Nabu-Sprecher in der tatsächlichen | |
Müllbeseitigung. „Durch den Fonds wird nicht gewährleistet, dass mehr | |
aufgeräumt wird“, kritisiert Pfender. „Städte und Kommunen können mit dem | |
Geld machen, was sie wollen. Ob sie also mehr in die Reinigung finanzieren, | |
weiß man nicht.“ Es sei nichts gewonnen, wenn Unternehmen von Einwegplastik | |
auf Einwegpapier umsteigen, um nicht unter das Gesetz zu fallen, aber sich | |
nichts in der Gesamtmenge an Müll ändert, sagt er. Daher seien Anreize für | |
Mehrweglösungen die attraktivere Lösung. | |
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisiert, dass das Gesetz den | |
Meeresschutz an keiner Stelle erwähnt. Außerdem verlangt der BUND eine | |
zusätzliche Einweg-Steuer, die Verbraucher:innen zur Wahl von Mehrweg | |
statt Einweg motivieren soll. | |
2 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Shoko Bethke | |
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