| # taz.de -- Straßenlicht auf Bestellung: Knopf drücken, Licht an | |
| > Mit der App eines Flensburger IT-Entwicklers lassen sich Laternen | |
| > anschalten, wenn man sie wirklich braucht. Das hilft auch gegen | |
| > Lichtverschmutzung. | |
| Bild: Die Idee: das Licht anknipsen, wenn man Licht braucht | |
| Flensburg taz | Straßenlaternen nur dann anschalten, wenn sie gebraucht | |
| werden? Kein Problem: Ein Flensburger IT-Entwickler hat dafür [1][eine App | |
| namens „Knoop“], plattdeutsch für „Knopf“, auf den Markt gebracht. Das | |
| Interesse war groß, doch die Umsetzung mühsamer als gedacht. Die Idee | |
| landete so wieder in der Schublade. Die aktuelle Energiekrise könnte eine | |
| zweite Chance bedeuten. | |
| In Simon Hansens Büro im Technologiezentrum in Flensburg steht er noch, der | |
| grüne Button, mit dem das „Knoop“-Projekt begann. Hansen, gelernter | |
| Elektromechaniker, arbeitet bei der Softwarefirma Sourceboat, das Team | |
| entwickelt Lösungen für Internetprobleme und schreibt Programme für Firmen. | |
| Bei einem internen Hackathon vor ein paar Jahren „wollten wir mal was mit | |
| Hardware machen“, erinnert sich Hansen. „Und haben mit dem einfachsten | |
| begonnen: auf einen Knopf drücken, Licht anschalten.“ | |
| Hansen stammt aus dem nordfriesischen Dorf Löwenstedt und wohnt inzwischen | |
| auch wieder dort. Im Ort leben rund 700 Menschen. Sie engagieren sich in | |
| der Freiwilligen Feuerwehr, spielen Theater bei den „Jungen Lüüd ut | |
| Löwenstedt“ und feiern in der Ortsgaststätte Friedensburg, wenn es dort | |
| einen Pächter gibt – aber nachts sind die Straßen meist unbelebt. „Ich war | |
| kurz vorher spät abends im Dunklen nach Hause gelaufen“, berichtet Hansen. | |
| Mit dieser Erinnerung im Kopf fragte sich die Runde beim Hackathon, ob es | |
| nicht möglich sei, die Laternen nach Bedarf zu schalten. | |
| Sie erfanden eine App, die sich auf einem Smartphone installieren lässt. | |
| Damit wird der Server angefunkt, der den Befehl an die Laternen im Umkreis | |
| weiterleitet: Klick, die Lampen gehen an. „Wir haben uns dafür entschieden, | |
| dass sie sich an-, aber nicht ausschalten lassen, um zu vermeiden, dass | |
| mehrere Leute gleichzeitig gegensätzliche Befehle geben“, sagt Hansen. Die | |
| Laternen brennen eine vorher bestimmte Zeit und schalten sich automatisch | |
| wieder aus. Dass jemand nur aus Jux mit der App spielt, sei denkbar, aber | |
| nicht sehr wahrscheinlich, glaubt Hansen: „Jaja, die jungen Leute, die die | |
| ganze Nacht das Licht anmachen – das Argument haben wir oft zu hören | |
| bekommen. Aber wir geben nun mal den Bürgern ein Stück Verantwortung zurück | |
| und denken, dass sie damit umgehen können.“ | |
| Nachdem die technische Lösung stand, begannen die Verhandlungen mit den | |
| Gemeinden. Das Interesse war riesig, auch weil die App 2018 und 2019 mit | |
| Preisen ausgezeichnet wurde. Aber eingesetzt wurde sie nur in wenigen | |
| Orten, darunter Löwenstedt, wo Hansen den Gemeinderat von dem Experiment | |
| überzeugen konnte. Gespräche führten er und seine Mitstreiter*innen | |
| auch in anderen Dörfern, doch es dauerte meist lange, bis eine Entscheidung | |
| fiel. „Wir kamen mit Highspeed an und trafen auf ehrenamtliche | |
| Gemeinderäte“, sagt Hansen. Er hat Verständnis dafür, frustrierend war die | |
| Erfahrung dennoch. | |
| In jedem Ort ging es um dieselben Fragen: Was tun Menschen ohne Smartphone? | |
| Ist es möglich, Tourist*innen Zugang zu gewähren? Und: Lohnt sich der | |
| Aufwand überhaupt? | |
| Auf diese Frage antwortet Hansen ehrlich: „Jein.“ Damit die Laternen das | |
| häufige An- und Ausschalten besser vertragen, sind LED-Lampen sinnvoll. Die | |
| verbrauchen eh weniger Strom als herkömmliche Glühbirnen. In einer kleinen | |
| Gemeinde – und nur für die ist die App bisher konzipiert – bringt es aufs | |
| Jahr gerechnet daher kaum eine Geldersparnis, schließlich muss die Gemeinde | |
| auch für die App etwas zahlen, erst für die Installation, in den | |
| Folgejahren für Wartung und Updates. | |
| „Wir haben daher angefangen, neben dem Sparaspekt [2][auf die | |
| Lichtverschmutzung] hinzuweisen“, sagt Hansen. Denn Licht zählt zu den | |
| großen Eingriffen des Menschen in die Umwelt: Es macht Menschen krank und | |
| stört Tiere. Einige Insekten schwirren so lange um eine Laterne, bis sie | |
| vor Erschöpfung sterben. „Aber das Tolle ist: Während es aufwändig ist, | |
| Wasser- oder Bodenverschmutzung zu beheben, reicht es, die Lampen | |
| auszuschalten, und die Lichtverschmutzung ist beendet“, sagt Hansen. Bloß: | |
| „In den meisten Gemeinden ist das kein Thema.“ | |
| Erst die aktuelle Debatte um Energiesparen gibt dem „Knoop“ neuen Schub. | |
| Ein Neustart, ein zweites Pilotprojekt sind in Vorbereitung. Simon Hansen | |
| hofft nun auf den Durchbruch seiner Idee: „Jetzt ist das Thema schließlich | |
| aktueller denn je.“ | |
| 1 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://knoop.sh/ | |
| [2] /Pellworm-will-Sterneninsel-werden/!5771227 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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