| # taz.de -- Konzerte in Berlin: Die Alten machen die Hallen voll | |
| > Während Kinos und Theater noch unter Besucherschwund leiden, brummt das | |
| > Konzertbusiness: weil die Branche auf Solides setzt und selten auf | |
| > Nachwuchs. | |
| Bild: Popkonzerte sorgen wieder für Extase – trotz Corona | |
| Neulich habe ich meine Nachbarin, eine Teenagerin, im Treppenhaus | |
| getroffen. Sie war ganz aufgeregt und hatte es eilig. Wohin sie denn gehe, | |
| wollte ich wissen. Auf ein Konzert, war die Antwort. Wie bitte, fragte ich | |
| erstaunt, jetzt, um 14.30 Uhr?! Man müsse da so früh hin, war die Antwort, | |
| denn sie und ihre Freundinnen wollten unbedingt in die erste Reihe bei dem | |
| ausverkauften Gig in der Columbiahalle, der nicht vor 20 Uhr begann. | |
| Die Band, die meine Nachbarin so elektrisiert, heißt Provinz. Ich hatte | |
| vorher noch nie von der gehört, weiß aber inzwischen, dass sie verdammt | |
| erfolgreich ist. Ein paar kernige Typen aus einem Kaff in | |
| Baden-Württemberg, die imagemäßig so tun, als sei es auf einem Dorf dort | |
| immer noch am schönsten – und damit räumen sie seltsamerweise auch bei der | |
| Stadtjugend richtig ab. | |
| Interessant finde ich auch, wie regelmäßig diese Jungs vom Land hier in | |
| Berlin inzwischen auftreten. Vor ein paar Wochen spielten sie auf dem | |
| Lollapalooza; vor ein paar Tagen folgte ein weiteres Konzert; Mitte | |
| November treten sie erneut in der schon wieder ausverkauften Columbiahalle | |
| auf. | |
| Es bleibt eben dabei: das Konzertbusiness floriert nach Corona wie | |
| verrückt. [1][Kinos und Theater stecken weiter in der Krise] und fragen | |
| sich langsam, ob sie aus der jemals wieder herauskommen. Aber | |
| Konzertveranstalter müssen Überstunden schieben. Und ich habe das Gefühl, | |
| dass nach dem Sommer, in dem der Liveeventbetrieb sich vor allem auf die | |
| Festivals weltweit konzentrierte und deswegen etwas weniger los war in den | |
| Hallen dieser Stadt, der Wahnsinn erst so richtig losgeht. | |
| Es scheint mir, dass gerade jeder und jede, die irgendwann mal vor vielen, | |
| vielen Jahren einen Hit hatten, den Anschlussjob an die Popstarkarriere | |
| wieder kündigen, um noch einmal die großen oder wenigstens mittelgroßen | |
| Bühnen zu betreten. Howard Jones, Fischer-Z, New Model Army, Lordi, EPMD, | |
| Marillion, Pavement, Franz Ferdinand, Simply Red und so weiter: Die gibt’s | |
| wirklich alle noch! Und allesamt treten sie im November in Berlin auf. | |
| Bei vielen dieser Bands muss man wohl sagen: es gibt sie nur noch, um live | |
| aufzutreten. Gut eingeführte Namen sind das allesamt, die auch | |
| Aufmerksamkeit bekommen und ein Konzertpublikum für sich interessieren | |
| können, wenn sie kein neues, vielleicht sogar passables Album | |
| herausbringen. Das sind Selbstläufer bei den Konzertveranstaltern, da geht | |
| man nicht groß ins Risiko, diese Gigs verkaufen sich praktisch von ganz | |
| alleine aus. | |
| ## BAP oder Brian | |
| Was dabei freilich auf der Strecke bleibt, ist der Mut zur Nachwuchsband. | |
| Wohin man auch blickt auf den Berliner Konzertkalender im nächsten Monat: | |
| überall sieht man nur so etwas in der Kategorie von Bryan Adams oder BAP | |
| oder eben die neue Konzertattraktion Provinz. Und eher keine junge neue | |
| aufregende Band, die noch niemand kennt, deren Debütalbum aber gerade | |
| bestens bei Pitchfork bewertet wurde. | |
| Wobei ich zugeben muss: Pavement nach so vielen Jahren mal wieder live zu | |
| sehen, das würde mich doch ein wenig reizen. Und ob die Band noch einmal | |
| gemeinsam ein Album aufnimmt oder nicht, ist mir in diesem Fall eigentlich | |
| egal. Es würde mich auch weniger interessieren als die Frage, ob es die | |
| dengelige Indierockband live immer noch bringt. | |
| 12 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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