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# taz.de -- Greenpeace deckt Abfallexporte auf: Plastikmüll illegal verschifft
> Greenpeace hat offenbar illegale Abfallexporte durch eine Recyclingfirma
> aus Reinbek aufgedeckt. Verschickt wurde giftiger und falsch gemischter
> Müll.
Bild: Versinnbildlichte Bedrohung: Ein Drachenkopf aus Plastikmüll
Bremen taz | Diese Safttüte? Landet vielleicht mal in Russland, diese
Folienverpackung in Israel – und das Gehäuse der alten Fernbedienung in
Malaysia. Nicht immer geht es bei dieser Weiterreise unseres Mülls mit
rechten Dingen zu: Greenpeace hat in einer aktuellen Recherche mehrere
[1][Fälle von illegalen Müllexporten] aufgedeckt.
Die Umweltorganisation hat dafür zwischen 2020 und 2022 insgesamt 42
Ladungen Müll mit Ortungsgeräten versehen; viele davon bei Recyclingfirmen,
die bereits vorher negativ aufgefallen waren; auf manche der Betriebe gab
es auch Hinweise aus der Industrie selbst.
Die meisten Lieferungen, [2][so das Ergebnis,] blieben in Deutschland,
solange der Tracker Signale sendete; 15, also etwas mehr als ein Drittel,
wurden allerdings exportiert. Und bei mindestens vieren davon glaubt
Greenpeace Verstöße gegen geltende Auflagen ausgemacht zu haben. Alle vier
gingen von der gleichen Firma aus: Melor Edelmetall-Recycling mit Sitz im
schleswig-holsteinischen Reinbek, östlich von Hamburg.
Konkret geht es unter anderem um eine Lieferung nach Malaysia. Bruchstücke
aus Plastikgehäusen von Elektroschrott wurden dabei an einen
Recyclingbetrieb bei Kuala Lumpur geliefert: Der Betrieb „PolyMix Plastic“
unterhält dort eine Sortier- und Zerkleinerungsanlage.
## Kontaminierter Müll, unklarer Verbleib
Doch nach einem Vor-Ort-Besuch vermutet Greenpeace, dass die Firma
Umweltstandards nicht einhält: Die Anlage trage zur Verschmutzung der
benachbarten Gewässer und der Umgebung bei, schreibt die
Umweltorganisation. Als Beleg dient das Foto eines brackigen Gewässers, das
direkt an die Mauern des Recyclingbetriebs grenzt. Plastikteile und
-flaschen schwimmen darin.
Zwei weitere Lieferungen nach Malaysia konnten nicht bis zum endgültigen
Verbleib getrackt werden. Sie sind aber schon wegen ihres Inhalts
verdächtig: Greenpeace hat die Hartplastikteile aus diesen Müllladungen
positiv auf eine Bromverschmutzung getestet.
Die Baseler Konvention verbietet schon seit 1992 die grenzüberschreitende
Entsorgung von gefährlichen Abfällen. Ob bei der Brombelastung tatsächlich
rechtliche Grenzwerte überschritten wurden, steht nicht fest – dafür
müssten aufwendigere Tests gemacht werden. „Aber der Verdacht ist nach den
Tests sehr stark“, sagt Jakob Kluchert, Leiter des
Greenpeace-Investigativteams.
Der vierte beanstandete Export ist eindeutig illegal – und das gleich
doppelt. Verschickt worden ist eine Mischung aus PET- und
PP-Plastikabfällen in die Türkei. Die allerdings erlaubt die Einfuhr von
solchem Mischplastik gar nicht. Erschwerend kommt hinzu: Die Firma „Best
Plast“ südlich von Adana, bei der die Mülllieferung am Ende gelandet ist,
hat nach Greenpeace-Recherchen gar nicht die benötigte Lizenz vom
türkischen Umweltministerium.
## Illegale Müllexporte keine Einzelfälle
Wie das Mischplastik trotz des Verbots in die Türkei eingeführt werden
konnte, bleibt unklar: Greenpeace konnte die einzelnen Lieferungen nicht
chargengenau verfolgen. Die verantwortliche Firma für alle vier
beanstandeten Lieferungen, Melor, beantwortete die taz-Anfragen bis
Redaktionsschluss nicht.
Klar ist aber: Die Lieferung hätte laut dem Hamburger Zollamt „so präzise
wie möglich“, das heißt, eindeutig als Mischabfall aus PET und PP
ausgezeichnet sein müssen. Damit wäre klar gewesen, dass sie die
abfallrechtlichen Bestimmungen zur Ausfuhr in die Türkei nicht erfüllt.
Neu ist das Problem illegaler Müllentsorgung nicht: Eine [3][Studie des
Umweltbundesamtes hatte 2010] gezeigt, dass damals jährlich 155.000 Tonnen
zum Teil gefährlichen Elektroschrotts aus Deutschland ins außereuropäische
Ausland exportiert wurden – dazu gehören auch die häufig mit Brom
kontaminierten [4][Plastikgehäuse von alten Elektrogeräten.]
Aktuellere absolute Zahlen gibt es nicht. Aber bei Greenpeace geht man
nicht von Einzelfällen aus. „Wenn von unseren Stichproben schon ein Drittel
im Ausland landet und darunter mehrere Fälle illegaler Exporte sind, dann
ist dieses Problem noch viel größer“, sagt Kluchert.
## Müll ist monatelang unterwegs
Angezeigt hat die NGO die festgestellten Verstöße durch Melor bisher noch
nicht. Sie fordert schärfere Kontrollen durch die deutschen Behörden.
Zuständig sind neben dem Zoll vor allem die Abfallbehörden der Länder. Die
Kritik von Greenpeace geht aber über die illegalen Lieferungen hinaus:
„Natürlich sollte die bestehende Gesetzgebung besser kontrolliert werden“,
sagt Kluchert. „Aber das eigentliche Problem ist, [5][dass wir unseren
Plastikmüll überhaupt weltweit verschiffen.“]
Mehr als sieben Monate etwa war der Müll von Reinbeck bis zu seinem Endziel
in Malaysia unterwegs, zeigt das Greenpeace-Tracking. Aber auch die drei-
bis viermonatige Reise eines Ballens Plastikfolie bis nach Tel Aviv wirke
absurd – schließlich könne das Material ohne Weiteres mit geringeren
Klimakosten in Deutschland recycelt werden. „Das sind Exporte, die
wahrscheinlich legal sind, aber illegitim“, findet Kluchert.
26 Oct 2022
## LINKS
[1] /Export-von-Plastikabfall/!5703046
[2] https://www.greenpeace.de/publikationen/20221026_greenpeace_report_plastik_…
[3] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/…
[4] /Immer-mehr-Elektroschrott/!5605454
[5] /Recycling-und-Muellexport/!5714802
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Müll
Schleswig-Holstein
Greenpeace
Abfall
Recycling
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Recycling
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