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# taz.de -- Wahlwiederholung im Februar: Das wird eine Zerreißprobe
> Rot-Grün-Rot beteuert, sich in der Krise nicht durch Wahlkampf zu
> blockieren. Ob das geht, ist sehr zweifelhaft – vor allem für Bettina
> Jarasch.
Bild: Bettina Jarasch und Franziska Giffey im Gleichschritt – wie lange ist d…
Keine Blockade durch koalitionsinternen Wahlkampf. Den Job machen, für den
man gewählt ist. Den Berlinern gegenüber in der Pflicht sein. Das Land
sicher durch die Krise führen. All das war vergangene Woche schier
austauschbar von vielen führenden Politikerinnen und Politikern der
rot-grün-roten Regierung zu hören angesichts einer Wahlwiederholung, die
[1][nun mutmaßlich am 12. Februar] ansteht. All das ist gut und sinnig,
aber eben nur theoretisch.
In der Praxis kommen dieselben Menschen, die jetzt allen Wahlkampf von sich
weisen, gar nicht um das herum, was einen Wahlkampf ausmacht: möglichst gut
herausstellen, dass die eigene politische Heimat die beste ist – weil man
oder frau ja sonst woanders wäre. Das aber geht nur durch eine Abgrenzung
von anderen, von Menschen wie Parteien. Und dass man oder frau selbst
einfach besser, noch besser ist als die Konkurrenz.
Die schwierigste und belastendste, ja zerreißendste Aufgabe kommt dabei auf
Bettina Jarasch zu, die grüne Verkehrssenatorin und Vize-Regierungschefin
mit der überraschenden zweiten Chance, doch noch die Nr. 1 im Roten Rathaus
zu werden zu werden, als erste Grüne in Berlin. Es ist Jarasch zu glauben,
dass sie mit der aktuellen Chefin Franziska Giffey eng zusammenarbeiten und
Berlin dadurch gelinder durch die Krise führen will. Die Krux ist bloß: Je
besser sie das macht, desto geringer sind ihre Chancen, Giffey abzulösen.
Denn generell gilt in der Politik: Der oder die an der Spitze ist letztlich
verantwortlich – im Guten wie im Schlechten. Haben die Menschen in der
Stadt das Gefühl, nicht gut regiert zu werden, lasten sie das Giffey an –
selbst wenn es andere im Senat verbockt haben. Bekommen sie aber den
Eindruck, dass die Landesregierung diese immer bedrohlicher wirkenden
kommenden Wintermonate gut im Griff hat und dadurch alles halb so schlimm
wird, ist es Giffey, die als Krisenmanagerin gilt.
## In der jüngsten Umfrage führen Jaraschs Grüne deutlich
Es gibt Politiker, die in erster Linie Politik für sich selbst machen, in
zweiter vielleicht noch für ihre Partei. Jarasch gehört nicht dazu – sie
will tatsächlich das Leben in der Stadt verbessern. Dass sich das
vielleicht einem Autofahrer nicht erschließt, weil der sich [2][ein
besseres Leben weitgehend ohne Auto] nicht vorstellen kann, ist eine andere
Frage. Die Sache ist bloß: Je mehr sie Giffey bei der Krisenbewältigung
hilft, umso mehr schmälert sie ihre Chancen, die SPD-Landeschefin im Roten
Rathaus abzulösen.
Denn warum sollten die Leute auf eine Alternative umschwenken, wenn die
jetzige Frau dort ihren Job in den nächsten Monaten gut macht – jenen
Monaten, die für die Wahlentscheidung weit wichtiger sind als das bisherige
dreiviertel Jahr des rot-grün-roten Senats.
Jarasch steht vor dem Spagat, mithelfen zu wollen und zu müssen bei der
gemeinsamen Krisenbewältigung und sich doch in irgendeiner Form abgrenzen
zu müssen – nicht zuletzt auch auf Druck aus dem eigenen grünen
Landesverband. Parteichef Philmon Ghirmai eröffnete schon kurz nach dem
De-facto-Urteil vor eineinhalb Wochen den Wahlkampf mit folgendem Satz:
„Berlin hat eine Führung verdient, die diese Stadt fit für die Zukunft
macht.“ Es ist ein echtes Dilemma, eine im Grunde ausweglose Situation, für
die im Englischen der einem Buchtittel entlehnte Begriff „Catch 22“ steht.
Franziska Giffey ist da in einer weit komfortableren Situation, soweit man
das von einer Regierungschefin sagen kann, deren Partei [3][in der jüngsten
Umfrage] fünf Prozentpunkte hinter den Grünen liegt. Sie kann alle anderen
Senatsmitglieder einbeziehen und sich das dann noch als Teamwork auslegen
lassen, als Form des „gönnen können“ und des An-einem-Strang-Ziehens.
Was in den nächsten gut vier Monaten bis zur Wahl passiert, könnte mitten
in der Krise ein politisches Lehrstück und intensives Betrachtungsobjekt
von Politologie, Soziologie und verwandten Forschungsfelder werden. Um ihre
Hauptrolle darin ist Bettina Jarasch durchaus nicht zu beneiden.
8 Oct 2022
## LINKS
[1] /Termin-fuer-Wahlwiederholung-in-Berlin/!5882585
[2] https://gruene.berlin/nachrichten/gruene-zum-volksbegehren-berlin-autofrei-…
[3] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
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Grüne Berlin
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Klaus Lederer
Franziska Giffey
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