# taz.de -- Lateinamerikanische Protestkultur: Boliviens Gruß an die Mullahs | |
> In Lateinamerika erklären sich einige Staaten mit dem Regime in Teheran | |
> solidarisch. Die protestierenden Frauen seien Spielball zionistischer | |
> Kräfte. | |
Bild: Herzliche Begegnung bei der UNO in New York: Irans Präsident Ebrahim Rai… | |
Die iranische Nachrichtenagentur Irna entwickelt offenbar große Fantasie, | |
wenn es gilt, die internationale Solidarität mit dem Regime gegen die | |
[1][Rebellion im Land] zur Schau zu stellen. „Unsere Regierung verurteilt | |
die jüngsten Unruhen im Iran, die von britischen und US-amerikanischen | |
Zionisten ausgehen, und wir sind sicher, dass sich alle Probleme mit der | |
Solidarität, dem Wissen und dem Verständnis des geliebten Führers des Iran | |
lösen werden“, zitierte Irna die Botschafterin Boliviens in Teheran, Romina | |
Pérez. | |
Die Sätze, die die Diplomatin geäußert haben soll, verstörten nicht nur | |
bolivianische Feministinnen. Auch Pérez war verwundert. Sie sei tendenziös | |
ausgelegt worden, sagte sie, nachdem sie von ihrer Regierung einbestellt | |
worden war. Irna korrigierte: „Es gab eine ungenaue Interpretation der | |
Botschafterin.“ | |
Die schnelle Reaktion der bolivianischen Regierung dürfte jedoch vor allem | |
der Kritik geschuldet sein, die wegen des Statements aufkam. Darüber hinaus | |
sucht man vergeblich auf der regierungseigenen Webseite des | |
„plurinationalen Staats“ nach einer Stellungnahme zu dem Affront. Oder etwa | |
dazu, dass das Regime des „Bruderlandes“, wie Pérez den Iran nennt, brutal | |
gegen die kurdische Minderheit vorgeht. | |
Das ist wenig verwunderlich, schließlich hat die regierende Partei | |
Movimiento al Socialismo (MAS) – Bewegung zum Sozialismus – nie Zweifel an | |
ihrer Solidarität mit der islamistischen Republik aufkommen lassen. Schon | |
der frühere Präsident Evo Morales bescheinigte seinem Amtskollegen Mahmud | |
Ahmadineschad, dass er in seinem „antiimperialistischen Kampf nicht alleine | |
ist“. Sein Nachfolger und MAS-Parteifreund Luis Arce hat jüngst mit | |
Präsident Ebrahim Raisi über gemeinsame wirtschaftliche, bildungspolitische | |
und weitere Projekte verhandelt. | |
## Unverblümte Solidarität mit Teheran | |
Angesichts dieser ökonomischen Verbindungen und dem ideologischen Elend ist | |
es sehr erfreulich, dass sich die Regierung in La Paz wenigstens über die | |
Falschmeldung beschweren musste. Von den Latino-Verbündeten Boliviens wäre | |
das nicht zu erwarten. Die kubanische und die venezolanische Regierung | |
bringen in ihren hauseigenen Medien unverblümte Solidarität mit dem | |
Teheraner Regime und seinen Schergen zum Ausdruck. | |
Beide lassen keine Zweifel daran, dass sie die aufständischen Frauen für | |
einen Spielball „zionistischer und imperialistischer Kräfte“ halten. Mit | |
Blick auf den Tod Jina Mahsa Aminis übernimmt [2][Kubas staatliche | |
Nachrichtenagentur Prensa Latina] unhinterfragt die Behauptung, die Kurdin | |
sei an einem Herzinfarkt gestorben. | |
Es handele sich um „einen fürchterlichen Krieg, orchestriert von westlicher | |
Propaganda“, erklärt ein anderer „Experte“, der Leiter der Moschee Al | |
Tauhid in Buenos Aires, Abdul Karim Paz, die Reaktion auf Aminis Tod. Die | |
Demonstrant*innen seien Anhänger der alten Schah-Regierung und | |
„terroristische“ Kurden. | |
Ziel sei es, die Erfolge der islamischen Revolution zu verteufeln, ergänzt | |
der Soziologe Tala Atrissi auf dem von der venezolanischen Regierung | |
finanzierten Fernsehsender Telesur. Der revolutionäre Prozess sei darauf | |
ausgerichtet, „die nationale und islamische Identität wiederzuerlangen“. | |
Der Kopftuchzwang sei eine verteidigenswerte Tradition des Volkes. Die | |
Mehrheit der Iraner*innen stehe auf der richtigen Seite: „Millionen sind | |
auf die Straße gegangen, um der Regierung den Rücken zu stärken.“ Kritische | |
Stimmen sucht man vergeblich. | |
Es ist keine Neuigkeit, [3][dass diese linken Regierungen zu den größten | |
Feinden emanzipatorischer Bewegungen zählen.] Dennoch sind die jüngsten | |
Ergüsse schwer zu ertragen, so man Bilder der Frauen auf den Straßen von | |
Teheran, Ardabil und Isfahan sieht. Oder das Foto der 17-jährigen Setareh | |
Tajik, die von den Schergen des Regimes zu Tode geprügelt wurde. Bleibt zu | |
hoffen, dass die anachronistischen Revolutionäre und ihre einfältigen | |
Ideologien eines Tages von solchen Bewegungen hinweggefegt werden. | |
19 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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