# taz.de -- Cannabis-Legalisierung: Chaos um legalen Bubatz | |
> Die Ampel will Cannabis legalisieren, nun gibt es angeblich ein erstes | |
> Eckpunktepapier. Es folgen Verwirrung und Empörung auf allen Seiten. | |
Bild: Die Hanfparaden der letzten Jahre zeigen wohl ihre ersten unkonzentrierte… | |
BERLIN taz | Seit Monaten ringt die Ampel um einen Entwurf, der die Türen | |
für die [1][Legalisierung von Cannabis] öffnen soll. Am Mittwoch sorgte nun | |
ein angebliches Eckpunktepapier für Wirbel und Verwirrung. Sollte das nun | |
wirklich der erste ernsthafte Wurf sein? Denn im Kern entspricht dieses | |
Papier eigentlich gar nicht dem Diskussionsstand führender | |
Drogenpolitikexpert*innen und Gesundheitspolitiker:innen | |
der Ampelparteien. | |
Aufgeführt ist dort, dass der Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis für | |
Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich straffrei sein soll. Die | |
THC-Obergrenze soll zudem 15 Prozent nicht überschreiten, bei jungen Leuten | |
unter 21 Jahren gar nur 10 Prozent. Und zwei Pflanzen im Eigenanbau sollen | |
erlaubt werden. | |
Den Entwurf in die Welt gespült hatte das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. | |
Auf taz-Anfrage dementierte das Bundesgesundheitsministerium das Papier | |
jedoch deutlich. „Es gibt weder ein abgestimmtes Eckpunktepapier, noch ist | |
dies vom BMG alleine verfasst worden“, lässt ein Sprecher mitteilen. Fünf | |
Ministerien sind mit dem Papier befasst: Neben dem Gesundheitsministerium, | |
auch das Bundesernährungsministerium, das Wirtschaftsministerium, das | |
Auswärtige Amt und das Bundesjustizministeriums. | |
Diese arbeiteten mit Hochdruck daran, den Koalitionsvertrag umzusetzen, | |
heißt es weiter. Darin hatten sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, die | |
kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in ein Gesetz gießen zu | |
wollen. | |
## Papier mit Überraschungseffekt | |
Aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft teilte eine | |
Sprecherin der taz ähnliches mit: „Um das Koalitionsvorhaben einer | |
kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in | |
lizenzierten Geschäften umzusetzen, arbeitet die Bundesregierung unter | |
Gesamtfederführung des Bundesministeriums für Gesundheit derzeit intensiv | |
an einem Eckpunktepapier, das als Grundlage für einen Gesetzentwurf dienen | |
soll.“ In dieses Papier würden die Ergebnisse des Konsultations- und | |
ressortübergreifenden Arbeitsgruppenprozesses einfließen. | |
Für die Ärztin und drogenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Kirsten | |
Kappert-Gonther, kam das nun kursierende Eckpunktepapier überraschend. | |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte [2][für Ende Oktober | |
ein entsprechendes zwischen den Ministerien abgestimmtes Papier] | |
angekündigt. „Darauf warten wir nun“, sagte Kappert-Gonther der taz. Die | |
Grünen-Politikerin setzt aber darauf, dass die Vorlage aus den Ministerien | |
sich deutlich unterscheidet von einzelnen Punkten, die jetzt öffentlich | |
sind. | |
„Eine THC-Obergrenze macht keinen Sinn“, sagte Kappert-Gonther. Dies halte | |
Konsument:innen weiter auf dem Schwarzmarkt. Das konterkariere das | |
zentrale Ziel des Jugend- und Gesundheitsschutzes. Auch der Eigenanbau von | |
zwei Pflanzen sei zu restriktiv. Aber: „Ich begrüße, dass der Eigenanbau | |
überhaupt auftaucht“, so Kappert-Gonther. Der bisherige Zeitplan sieht vor, | |
dass bis Ende des Jahres ein Gesetz vorliegt, das im parlamentarischen | |
Verfahren dann beraten wird. | |
Scharfe Kritik kommt auch von den Liberalen. Für Kristine Lütke, sucht- und | |
drogenpolitische Sprecherin der FDP, ist das kolportierte Eckpunktepapier | |
insgesamt „unnötig restriktiv“. Die THC-Obergrenze, eine Besitzgrenze von | |
20 Gramm und eine striktere Regulierung bis 21 Jahre werde | |
Konsument:innen auf den Schwarzmarkt treiben. Dies sei eine Katastrophe | |
für Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz. | |
## Bis Ende des Jahres soll ein Gesetzentwurf vorliegen | |
Ähnlich argumentiert [3][Hubert Wimber.] „Die THC-Obergrenze ist unsinnig, | |
sie würde nur die schon jetzt bestehende Doppelmoral verfestigen. Kein | |
Mensch verlangt, dass z. B. nur Getränke mit maximal 30 Prozent Alkohol | |
verkauft werden dürfen“, sagte der ehemalige Polizeipräsident von Münster | |
und Gründer und Vorsitzender von LEAP Deutschland e. V. (Law Enforcement | |
Against Prohibition) der taz. Auch die 20-Gramm-Obergrenze für Besitz hält | |
er für falsch. | |
„Das ist viel zu niedrig angesetzt.“ Es gehe bei der Legalisierung auch | |
darum, den Kontrollaufwand der Strafverfolgungsbehörden zu minimieren. „Das | |
schaffen diese Regelungen nicht. Diese Eckpunkte wären, wenn das wirklich | |
ernst gemeint wäre, vollkommener Murks.“ | |
Die CSU nutzt das Papier für eine Neuauflage ihrer altbekannten Kritik. | |
„Die Bundesregierung gefährdet mit der Freigabe von Cannabis Jugendliche, | |
die ohne Konsequenzen konsumieren dürfen“, twitterte CSU-Generalsekretär | |
Martin Huber. Die Ampel schaffe Anreize für Einsteiger und riskiere, dass | |
Millionen Menschen in weitere Drogenabhängigkeiten geraten würden. | |
Lauterbach zufolge konsumieren rund vier Millionen Erwachsene Cannabis. | |
Straffrei kiffen könnte spätestens 2024 in Kraft treten. | |
19 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Interview-mit-Richter-Andreas-Mueller/!5871530 | |
[2] /Moegliche-Legalisierung-von-Cannabis/!5858164 | |
[3] /Muensters-Polizeipraesident-fuer-Cannabis/!5030402 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
Tanja Tricarico | |
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