# taz.de -- Grüner Vorstoß zur Hanf-Liberalisierung: Endlich ungestört kiffen | |
> Die Grünenfraktion macht einen drogenpolitischen Vorstoß: Kiffen solle in | |
> vielen Fällen gar nicht mehr verfolgt werden – auch nicht pro forma. | |
Bild: In Berlin bald nicht mehr verfolgt? | |
Berlin taz | Wenn am Samstag mal wieder [1][die Hanfparade durch Berlin] | |
zieht, könnte man meinen, Hanf sei mittlerweile ein weitgehend geduldetes | |
Genussmittel. Dass dem noch lange nicht so ist, darauf haben nun die Grünen | |
im Abgeordnetenhaus aufmerksam gemacht – und einen Forderungskatalog | |
aufgestellt, mit dem Berlin tatsächlich zum Vorreiter der | |
Cannabis-Liberalität werden könnte. | |
„Entkriminalisierung sofort“ und „Schluss mit der Verfolgung von | |
Cannabiskonsument*innen“ fordern Fraktionschef Werner Graf und der Sprecher | |
für Drogen- und Innenpolitik, Vasili Franco. „Ganz Deutschland“ warte auf | |
die von der Ampelkoalition im Bund angekündigte Cannabis-Legalisierung, so | |
Graf, „doch so lange wollen wir nicht warten“. Die Kriminalisierung sei | |
„ein Relikt aus dem letzten Jahrtausend“ und müsse ein Ende haben, „das | |
Recht auf Rausch sollte in einer Stadt der Freiheit wie Berlin | |
selbstverständlich sein“. | |
Franco erinnerte daran, dass die aktuelle Rechtslage den Behörden zwar | |
ermögliche, bei geringen Cannabis-Mengen von der Strafverfolgung abzusehen | |
– in Berlin sind 15 Gramm Marihuana als Grenzmenge definiert. Allerdings | |
werde in der Realität „bei jedem noch so kleinen Besitzdelikt ein Verfahren | |
eingeleitet“, so Franco. Einen Großteil davon stellten Staatsanwaltschaften | |
oder Gerichte dann zwar ein, sie belasteten aber die KonsumentInnen, und | |
„die Polizei arbeitet faktisch für die Mülltonne“. | |
Der Forderungskatalog der Grünen enthält mehrere Punkte, mit denen das Land | |
die Liberalisierung vorantreiben könnte, ohne auf den Bund zu warten. Die | |
Polizei soll laut Graf und Franco beim Fund geringer Cannabis-Mengen | |
gänzlich von der Verfolgung absehen und auf die Einleitung eines Verfahrens | |
verzichten, bei Erst-, aber auch Gelegenheitskonsum. Umsetzbar sei dies | |
durch eine Änderung der Gemeinsamen Allgemeinverfügung von Justiz- und | |
Innenverwaltung zur Umsetzung des Betäubungsmittelgesetzes. Außerdem soll | |
das bisherige Corpus Delicti nicht mehr konfisziert werden – es dürfte also | |
in Ruhe weitergekifft werden. | |
## Auch Ecstasy und MDMA | |
Der Vorstoß geht aber noch weiter: Auch kleine Konsumeinheiten anderer | |
Drogen – genannt werden Ecstasy, MDMA, Amphetamine und Kokain – sollen | |
entkriminalisiert werden. Hier seien andere Bundesländer wie | |
Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen weiter als die Hauptstadt. Es | |
gehe unter anderem darum, Konsument*innen weit geläufiger „Partydrogen“ | |
nicht mehr willkürlich zu kriminalisieren. Dazu gehörten allerdings auch | |
„flankierende auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Aufklärung | |
und Präventionsangebote“. | |
Auf Bundesebene, wo sich die versprochene Legalisierung hinzieht, fordern | |
die Grünen-Abgeordneten eine baldige Klarstellung, dass der Eigengebrauch | |
von Cannabis „grundsätzlich kein Gegenstand polizeilicher oder | |
staatsanwaltschaftlicher Aufgaben sein sollte“. Per Bundesgesetz solle auch | |
eine Amnestieregelung eingeführt werden, für alle, gegen die ein | |
Strafverfahren wegen Besitz, Anbau oder Handel „geführt wurde oder wird“ �… | |
allerdings beschränkt auf minderschwere Fälle ohne Zusammenhang etwa mit | |
Gewaltdelikten. „Behördeneinträge sind zu löschen, noch offene | |
Gefängnisstrafen zu erlassen und laufende Verfahren kostenfrei | |
einzustellen“, fordern Graf und Franco. „Berufsverbote sind aufzuheben, | |
auch entzogene Führerscheine sollen wieder erteilt werden.“ | |
## Langsamer Meinungsumschwung | |
[2][Berlin gilt als Hauptstadt der Kiffer, nirgendwo in Deutschland wird so | |
viel konsumiert]. Jahrzehntelang waren es aber nur Grüne und Linke, die | |
eine Anpassung der Drogenpolitik an diese Realität forderten. 2014, als die | |
SPD noch mit der CDU regierte, trat auf einmal der SPD Gesundheitspolitiker | |
Thomas Isenberg auf den Plan und forderte die Entkriminalisierung von | |
Cannabis. In der SPD war er damals ein Einzelkämpfer, mehrheitsfähig wurde | |
diese Meinung in seiner Partei erst nach dem Regierungswechsel. | |
Seit 2016 regiert die SPD mit Linken und Grünen. Auf einem | |
drogenpolitischen Hearing im Abgeordnetenhaus im Februar 2017 meldete sich | |
[3][SPD-Fraktionschef Raed Saleh] mit der Feststellung zu Wort: „Polizisten | |
wollen richtige Verbrecher jagen und nicht kiffende Touristen.“ | |
Rot-Rot-Grün, so Saleh damals, „muss bei diesem Thema liefern.“ Passiert | |
ist – nichts. | |
Man könnte sogar eher von einem Rückschritt sprechen: In der rot-grün-roten | |
Koalitionsvereinbarung von 2021 finden sich zum Thema Drogenpolitik nur | |
noch Allgemeinplätze. Etwa, dass die Koalition auf eine „akzeptierende | |
Drogenpolitik“ mit Fokus auf einen „selbst-bestimmten Verbraucherschutz“ | |
setze. | |
Nach Informationen der taz waren die Forderungen, die Graf und Franco jetzt | |
aufgestellt haben, Bestandteil der rot-grün-roten Koalitionsverhandlungen. | |
Der Vorstoß wurde aber von der SPD, allen voran von Franziska Giffey, | |
abgeblockt. Und der SPD-Gesundheitspolitiker Isenberg gehört dem Parlament | |
nicht mehr an. | |
12 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hanfparade.de/ | |
[2] /Rot-rot-gruene-Drogenpolitik/!5383730 | |
[3] /Sozi-fuer-Cannabis-Freigabe/!5483907 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
Plutonia Plarre | |
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