| # taz.de -- Entkriminalisierung von Cannabis: Umsetzung ungeklärt | |
| > Die Ampel will Cannabis legalisieren. Doch Deutschland hat zwei | |
| > UN-Abkommen ratifiziert, die den Anbau, Verkauf und Besitz von Gras | |
| > verbieten. | |
| Bild: Holpriger Weg für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland | |
| Freiburg taz | Das Völkerrecht verbietet die Legalisierung von Cannabis | |
| nicht so eindeutig wie bisher angenommen wird. Zu diesem Schluss kommt | |
| Rechtsprofessor Kai Ambos von der Uni Göttingen. Die Bundesregierung will | |
| bis Ende des Jahres ein Gesetz zur [1][Legalisierung von Cannabis] | |
| vorlegen. „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene | |
| zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein“, heißt es im | |
| Koalitionsvertrag. | |
| Allerdings hat Deutschland zwei UN-Verträge ratifiziert, die eine generelle | |
| Strafbarkeit von Anbau, Verkauf und Besitz von Cannabis vorsehen: das | |
| Einheitsabkommen über Betäubungsmittel von 1961 und das Suchtmittelabkommen | |
| von 1988. Kai Ambos wies nun in einem Beitrag für den Verfassungsblog | |
| darauf hin, dass die völkerrechtliche Pflicht zur Kriminalisierung von | |
| Cannabis – insbesondere beim Besitz zum Eigengebrauch – nur dann gilt, wenn | |
| dies mit nationalem Verfassungsrecht vereinbar ist. So steht es | |
| ausdrücklich in den Abkommen. Für Ambos ist dies „von größter, ja | |
| vielleicht entscheidender Bedeutung“. | |
| Es dürfte jedoch nicht genügen, wenn die Bundesregierung nun einfach | |
| behauptet, das bisherige Cannabis-Verbot sei verfassungswidrig. Denn das | |
| Bundesverfassungsgericht hat 1994 ausdrücklich entschieden, dass das | |
| strafrechtliche Verbot von Cannabis mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es | |
| genüge, wenn die Ermittler beim Besitz kleiner Mengen Cannabis auf | |
| Strafverfolgung verzichten. | |
| Zwar liegen beim Bundesverfassungsgericht derzeit wieder sieben | |
| Richtervorlagen, die die Kriminalisierung von Cannabis für | |
| verfassungswidrig halten. Nach Informationen der taz stammen fünf Fälle vom | |
| Amtsgericht Bernau, eine Vorlage vom Amtsgericht Pasewalk und eine vom | |
| Amtsgericht Münster. Im Moment liegen die Fälle noch bei einer mit drei | |
| Richter:innen besetzten Kammer des Zweiten Senats. Federführend ist die | |
| konservative Richterin Sibylle Kessal-Wulf. | |
| ## Verzögert sich die Freigabe dank Karlsruhe? | |
| Falls die Karlsruher Kammer schnell entscheidet, ist eine Entscheidung noch | |
| in diesem Jahr möglich. Dann kann es sich allerdings nur um eine Ablehnung | |
| der Vorlagen handeln, was der Bundesregierung nicht weiterhilft. Eine | |
| Beanstandung des Betäubungsmittelgesetzes wäre dagegen eine Sache des mit | |
| acht Richter:innen besetzten Senats und würde wohl Jahre dauern – das | |
| Urteil käme also zu spät für die Ampelkoalition, die schnell handeln will. | |
| Nun gibt es Staaten mit liberaler [2][Cannabis-Politik wie Uruguay] und | |
| [3][Kanada], die die UN-Abkommen einfach ignorieren. Sanktionen sind damit | |
| schließlich nicht verbunden, nur gelegentliche Hinweise der Internationalen | |
| Drogen-Kontrollbehörde (INCB). Für Deutschland als betont | |
| völkerrechtsfreundlicher Staat kommt ein bewusster Bruch von Völkerrecht | |
| aber wohl nicht infrage. Es bleibt dann nur der Austritt aus dem | |
| Einheitsabkommen von 1961. Dieser ist jeweils zum 1. Januar des nächsten | |
| Jahres möglich, wenn die Kündigung vor dem 1. Juli erklärt wurde. | |
| Beim Suchtstoff-Abkommen von 1988 ist ein Austritt eventuell nicht nötig. | |
| Denn dort gibt es einen wichtigen Unterschied. So besteht für die | |
| Bestrafung des Cannabis-Besitzes nicht nur ein Verfassungsvorbehalt, | |
| vielmehr ist sie nur dann obligatorisch, wenn sie mit den Grundzügen der | |
| nationalen Rechtsordnung vereinbar ist. Und diese Grundzüge der | |
| Rechtsordnung können „einem Wandel unterliegen“, betonte die | |
| Bundesregierung in einer förmlichen Erklärung, die sie 1993 bei der | |
| Ratifizierung des Abkommens abgab. | |
| Laut Ambos hat dies die damalige Justizministerin Sabine | |
| Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) durchgesetzt, um Deutschland den Weg zu | |
| einer Entkriminalisierung von Cannabis offenzuhalten. Probleme könnte es | |
| allerdings auch mit EU-Recht geben, worauf der Maastrichter | |
| Assistenzprofessor Robin Hofmann jüngst im Interview mit Legal Tribune | |
| Online hinwies. „Ein Verstoß gegen EU-Recht birgt aus meiner Sicht die | |
| größten Risiken“, erklärte Hofmann. Konkret ist die Cannabis-Strafbarkeit | |
| in einem EU-Rahmenbeschluss von 2004 vorgeschrieben sowie im | |
| Schengen-Durchführungsabkommen von 1990. | |
| ## Kauf und Verkauf sollen in Deutschland legal werden | |
| Sind aber nicht die Niederlande das beste Beispiel dafür, dass die EU mit | |
| einer Cannabis-Legalisierung leben kann? Nein, denn dort ist der Anbau und | |
| Verkauf von Cannabis weiter strafbar, nur der Verkauf und Erwerb in | |
| sogenannten Coffee Shops wird geduldet. Ein Beispiel für eine von der EU | |
| bisher akzeptierte Entkriminalisierung ist eher Portugal. Dort gilt der | |
| Besitz von Cannabis seit 2001 nur noch als Ordnungswidrigkeit. | |
| In Deutschland will man aber noch weiter gehen. Kauf und Verkauf sollen | |
| ganz legal sein. Anbau und Vertrieb sollen staatlich organisiert werden. | |
| Doch selbst dies könnte mit EU-Recht vereinbar sein, haben die Grünen in | |
| ihrem Entwurf für ein Cannabis-Kontrollgesetz von 2015 proklamiert. Der | |
| EU-Rahmenbeschluss verbiete ja nur den Handel „ohne entsprechende | |
| Berechtigung“. Und ein staatlich erlaubter Cannabis-Handel erfolge | |
| natürlich mit Berechtigung. | |
| 30 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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