| # taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Viele Krisen, eine Ursache | |
| > In ihren Ursachen und Folgen sind Klimakrise und soziale Krise untrennbar | |
| > miteinander verbunden. Das hat mittlerweile auch die Klimabewegung | |
| > begriffen. | |
| Bild: Menschen über Profite lautet das diesjährige Motto des Klimastreiks | |
| Nach der Ampel-Koalition auf Bundesebene hat nun auch die [1][Berliner | |
| Landesregierung ein Entlastungspaket vorgelegt], das die Menschen in der | |
| Hauptstadt über den Winter bringen soll. Bis zu 1,5 Milliarden Euro wollen | |
| SPD, Grüne und Linke dafür aus Landesmitteln zur Verfügung stellen, um | |
| kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Soziale Träger sollen Zuschüsse | |
| zu Heizkosten und Strom erhalten, Berliner Unternehmen | |
| Energiekosten-Soforthilfen bekommen und Privathaushalte durch ein | |
| Kündigungsmoratorium vor dem Verlust ihrer Wohnung geschützt werden – | |
| allerdings nur bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. | |
| Vielen reicht das nicht aus. Insbesondere armutsbetroffene Menschen, | |
| immerhin 13,8 Millionen Menschen, wissen schon länger nicht mehr, wie sie | |
| bis zum Ende des Monats ihren Kühlschrank füllen sollen und fürchten | |
| angesichts der gestiegenen Energiepreise, im Winter frieren zu müssen. | |
| Einmalzahlungen des Bundes oder das neue Bürger*innengeld | |
| [2][kompensieren nicht einmal die Inflation] und das geplante | |
| 29-Euro-Ticket ist für viele 29 Euro zu teuer. Die neuerlichen Maßnahmen | |
| zielen nicht etwa darauf, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, | |
| sondern im kapitalistischen System den Konsum anzukurbeln. | |
| Dass die Armen sparen sollen, oder vielmehr müssen und die Steuergelder der | |
| ausgebeuteten Klasse dafür verwendet werden, die Profite der sie | |
| ausbeutenden Unternehmen zu garantieren, trifft zunehmend auf Widerstand. | |
| Die Maßnahmen des Staates dienten nicht etwa dazu, solche dem Kapitalismus | |
| innewohnenden und der Profitgier des Kapitals geschuldeten Krisen zu | |
| verhindern, sondern „das kapitalistische Ausbeutungsmodell | |
| umzustrukturieren und zu modernisieren“, heißt es im Aufruf zur [3][Demo | |
| „Der Preis ist heiß“], die am Freitag am Kottbusser Tor stattfinden soll. | |
| Bei der gleichnamigen legendären Fernsehshow aus den 90er Jahren sollten | |
| Kandidat*innen die Preise von Produkten schätzen, ohne sie zu | |
| überbieten. Den Millionen armutsbetroffenen Menschen, die ohnehin bei jedem | |
| Einkauf die Preise genau im Blick haben müssen, dürfte das nicht schwer | |
| fallen, zumal sie bei den derzeitigen Steigerungen nur schwerlich | |
| überbieten können. Doch für diese Fähigkeit gibt es heutzutage kein | |
| Preisgeld, es winkt höchstens ein Ausflug zur Tafel. | |
| Damit sich das ändert und eine solidarische Krisenpolitik auch die | |
| kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse in den Blick nimmt, soll es bei | |
| der Demonstration am Freitag am Kotti und auf einer öffentlichen | |
| Versammlung am Sonntag im Bethanien die Gelegenheit geben, sich jenseits | |
| der Einflussnahme von politischen Parteien oder Institutionen des Staates | |
| zu organisieren (Freitag 23. September, 18 Uhr, Kottbusser Tor; Sonntag 25. | |
| September, NewYorck im Bethanien). | |
| ## #PeopleNotProfit | |
| Dass die [4][Klimakrise und die soziale Krise nicht zu trennen] sind, ist | |
| in der Klimabewegung mittlerweile Konsens. Bei ihren [5][Aktionstagen zum | |
| „heißen Herbst“], die von Samstag bis Dienstag in Berlin stattfanden, haben | |
| die Aktivist*innen von [6][Extinction Rebellion] daher den | |
| Schulterschluss mit der Kampagne [7][#Ich bin Armutsbetroffen] gesucht. | |
| Während die Polizei noch mit den mehr als 200 Ermittlungsverfahren gegen | |
| die Klimarebell*innen beschäftigt ist, die bei der Herbstrebellion | |
| angefallen sind, steht Berlin bereits der nächste Klimaprotest bevor: Am | |
| Freitag rufen Fridays For Future zum Globalen Klimastreik auf. | |
| Unter dem Motto [8][#PeopleNotProfit] wollen weltweit Millionen Menschen | |
| für eine lebenswerte Zukunft auf die Straße gehen Sie fordern, | |
| Klimagerechtigkeit über die Interessen von Konzernen zu stellen, statt mit | |
| Maßnahmen wie der Gasumlage Verluste zu kollektivieren und Gewinne zu | |
| privatisieren. Um die dringend notwendige Energiewende auch sozial gerecht | |
| zu gestalten, will Fridays For Future eine sozial gerechte | |
| Energiegrundsicherung sowie ein 100-Milliarden Euro schweres Sondervermögen | |
| einführen. | |
| Mit den durch eine Übergewinnsteuer finanzierten Maßnahmen ließen sich | |
| sowohl erneuerbare Energien ausbauen als auch der ÖPNV – und für die | |
| Einführung eines 0€-Tickets wäre sogar auch noch Geld übrig. Wer der | |
| Meinung ist, dass die Bekämpfung des Klimawandels nur mit einem sozial | |
| gerechten Systemwandel zu machen ist, kann dies am Freitag im | |
| Regierungsviertel auf die Straße tragen. Danach ist auch noch genug Zeit, | |
| für die Preis-ist-heiß-Demo am Kotti (Freitag 23. September, 12 Uhr, | |
| Invalidenpark). | |
| ## Selbstbestimmung unter Beschuss | |
| Dass nicht nur progressive Forderungen auf die Straßen von Mitte getragen | |
| werden, wurde am vergangenen Wochenende deutlich, als rund [9][3.000 | |
| Abtreibungsgegner*innen durch die Hauptstadt zogen]. Religiöse | |
| Fundamentalist*innen, rechte Hardliner und Holocaust-Verharmloser*innen | |
| protestierten mit Kreuzen gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen – | |
| und trafen dabei auf bunten Gegenprotest. Dass | |
| Abtreibungsgegner*innen mit ihren Forderungen nicht nur die | |
| [10][Selbstbestimmung, sondern auch das Leben von Frauen gefährden], ist | |
| auch Thema des globalen [11][Safe Abortion Day], der nächste Woche Mittwoch | |
| unter anderem in Berlin stattfinden wird. | |
| Denn nicht nur in Deutschland, wo Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche | |
| durchführen, nach wie vor kriminalisiert werden, steht es nicht gut um die | |
| reproduktiven Rechte von Frauen. In den USA wurde das Abtreibungsrecht in | |
| weiten Teilen des Landes gekippt, in Polen existiert es de facto nicht mehr | |
| und [12][in Ungarn wurde es vergangene Woche verschärft]: Schwangere müssen | |
| sich dort künftig vor einem Abbruch den Herzschlag des Embryos anhören. | |
| Mit mehreren Aktionen soll daher gegen die Ungleichbehandlung und | |
| Unterdrückung von Frauen, nicht-binären und trans* Personen sowie Menschen | |
| mit Behinderung protestiert und für die uneingeschränkte körperliche, | |
| sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung für alle protestiert werden. | |
| Eine der Aktionen [13][findet direkt vor dem „Bundesverband Lebensrecht“ | |
| statt], der auch die Anti-Abtreibungsdemo am vergangenen Samstag | |
| organisiert hat (Mittwoch, 28. September, 18 Uhr, Landgrafenstr. 5). | |
| 21 Sep 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Entlastungspaket-fuer-Berlinerinnen/!5879486 | |
| [2] /Entlastungspaket-der-Bundesregierung/!5878317 | |
| [3] https://stressfaktor.squat.net/node/272417 | |
| [4] /Proteste-der-Klimabewegung-in-Berlin/!5877590 | |
| [5] /Proteste-der-Klimabewegung-in-Berlin/!5877590 | |
| [6] /Proteste-der-Klimabewegung-in-Berlin/!5877590 | |
| [7] /Armutsdiskussion-bei-steigender-Inflation/!5853997 | |
| [8] https://fridaysforfuture.berlin/events/globaler-klimastreik/ | |
| [9] /Marsch-fuer-das-Leben-in-Berlin/!5632756 | |
| [10] /Marsch-fuer-das-Leben-in-Berlin/!5881694 | |
| [11] https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/17487/safe-abortion-day-28-09-202… | |
| [12] /Schwangerschaftsabbrueche-in-Ungarn/!5878203 | |
| [13] https://stressfaktor.squat.net/node/272391 | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Frank | |
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