# taz.de -- Bürgerkrieg in Myanmar: Der Widerstand ist unerwartet stark | |
> Ein Sieg des bewaffneten Widerstands gegen die Junta ist keine abwegige | |
> Vorstellung mehr, doch fehlt es an Waffen. Das Militär setzt auf | |
> Luftangriffe. | |
Bild: Bewaffnete Rebellen schützen am 7. September einen Protest gegen die Jun… | |
BANGKOK taz | Myanmars Militärjunta ist in der Defensive und verliert an | |
Boden. Zu diesem Fazit kommt das Special Advisory Council for Myanmar | |
(SAC-M), das aus ehemaligen UN-Myanmar-Experten besteht, in einem kürzlich | |
vorgelegten [1][Report]. | |
Demnach habe das Militärregime nur noch 17 Prozent von Myanmar unter seiner | |
Kontrolle. Die im Untergrund operierende Gegenregierung National Unity | |
Government (NUG) und die mit ihr verbündeten bewaffneten Widerstandsgruppen | |
der ethnischen Minderheiten kontrollierten hingegen 52 Prozent des Landes. | |
Der Rest sei umkämpfter Raum, so SAC-M, und oft Ziel von willkürlichem | |
Beschuss und Brandstiftung durch die Armee. So hätte laut SAC-M das Militär | |
bisher etwa 28.000 Gebäude niedergebrannt. | |
Seit der [2][Kriegserklärung der NUG] am 6. September 2021 an die Junta und | |
der Gründung ihrer Volksverteidigungskräfte (PDFs) wurden über 20.150 | |
Junta-Soldaten getötet, mehr als 7.000 verwundet und mehr als 90 ihrer | |
Stellungen erobert, verkündete Duwa Lashi La, amtierender NUG-Präsident, | |
zum ersten Jahrestag der Kriegserklärung laut dem Exilportal | |
[3][Irrawaddy]. Eigene Verluste gab er mit nur 1.500 getöteten | |
Widerstandskämpfern an. | |
## Das Militär muss einen Mehrfrontenkrieg kämpfen | |
Unabhängig überprüfbar sind diese Zahlen nicht. Aber eine Bewertung der | |
Lage durch Juntachef Min Aung Hlaing scheint diese Tendenz zu bestätigen. | |
In einer Rede vor Offizieren bezeichnete der General den „unstrategischen | |
Einsatz von Truppen und der Platzierung von Stützpunkten, falsche Berichte | |
über Stützpunktstandorte […], schlecht geplante Fortschritte bei | |
Räumungsoperationen und die Unfähigkeit der Truppen, sich an taktischen | |
Kämpfen zu beteiligen“, als Probleme. | |
Das berichtete das Nachrichtenportal [4][Myanmar Now] kürzlich auf Basis | |
des Redetextes, den die Redaktion von einer Gruppe desertierter Soldaten | |
erhalten hatte. Verlustzahlen nennt die Junta bisher nicht. | |
Das Militär kämpft in Myanmar einen Mehrfrontenkrieg und zwar in den | |
Regionen Rakhine, Chin, Kachin, Teilen des Shan Staates, Kayin und Kayah | |
sowie in Magwe und Sagaing in Zentralbirma. Seit dem Militärputsch am 1. | |
Februar 2021 fanden laut dem [5][Institute for Strategy and Policy – | |
Myanmar] mehr als 6.600 Gefechte zwischen Armee und bewaffneten | |
Widerstandsgruppen statt. | |
## Militärexperte: Noch keine befreiten Gebiete | |
Sicherheits- und Politikexperten sind sich einig, dass der Widerstand gegen | |
die Junta überraschend erfolgreich ist. „Man kann aber noch nicht von | |
befreiten Gebieten sprechen“, warnte Tony Davis, Analyst des | |
Militärmagazins Jane’s bei einer Veranstaltung in Bangkok des Instituts für | |
Security and International Studies (ISIS) zur Lage in Myanmar. | |
Die Bodentruppen der Junta stünden nach Einschätzung der Podiumsteilnehmer | |
in den ländlichen Gebieten derzeit auf verlorenem Posten. „Deshalb setzt | |
die Junta auf die Luftwaffe. Mit russischen und chinesischen Kampfjets | |
bombardiert sie Stellungen der Widerstandstruppen, aber auch ganze Dörfer“, | |
so Davis. [6][Russland] habe sich inzwischen zum wichtigsten | |
Waffenlieferanten der Junta entwickelt. | |
Den bewaffneten Widerstand der ethnischen Minderheiten, die schon seit über | |
sieben Jahrzehnten für Autonomie kämpfen, hatte Min Aung Hlaing bei seinem | |
Putsch einkalkuliert. Doch überrascht wurde er von der Gründung der | |
Volksverteidigungskräfte (PDFs), die vor allem in Magwe und Sagaing | |
erfolgreich sind. | |
Diese Regionen sind das Kernland der ethnischen Mehrheit der buddhistischen | |
Bama (Birmanen) und auch das wichtigste Rekrutierungsgebiet der von dieser | |
Ethnie dominierten Tatmadaw, wie sich Myanmars Armee nennt. | |
## Das Kernland der Birmanen steht nicht hinter der Junta | |
„Die Tatmadaw hat nicht verstanden, dass auch die Bama bei den Wahlen | |
mehrheitlich für die Nationale Liga für Demokratie und Aung San Suu Kyi | |
gestimmt haben“, sagt Bo Kyi. Der Gründer der renommierten | |
Menschenrechtsorganisation [7][Assistance Association for Political | |
Prisoners] (AAPPB) fügt hinzu: „Sie haben die Freiheit kennengelernt und | |
die wollen sie sich nicht mehr nehmen lassen.“ | |
Das Militär rüstet sich derweil für eine Großoffensive mit seiner | |
Luftwaffe. ISIS-Expertin Gwen Robinson hält drei Szenarien für möglich: | |
„Das Land zerfällt. Die Städte werden von der Armee gehalten, die | |
ländlichen Regionen vom Widerstand. Option zwei ist eine noch massivere | |
Unterstützung der Junta durch Russland und zu einem geringeren Grad durch | |
China. Oder aber der Widerstand siegt. Das ist plötzlich keine abwegige | |
Vorstellung mehr.“ | |
Doch dem Widerstand fehlt es an Waffen und den dezentralen PDFs an einer | |
einheitlichen Kommandostruktur. Mit massiven Waffenlieferungen aus dem | |
Ausland wie für die Ukraine kann der Widerstand nicht rechnen. | |
„Jede größere Waffenlieferung würde eine Reaktion Chinas provozieren“, s… | |
Davis. Das ist auch Nyantha Maw Lin klar. „Das Volk von Myanmar hat das | |
Vertrauen in die internationale Gemeinschaft verloren“, sagt der | |
myanmarische Analyst im Bangkoker Exil: „Wir sind auf uns selbst gestellt.“ | |
29 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://specialadvisorycouncil.org/wp-content/uploads/2022/09/SAC-M-Briefin… | |
[2] /Protest-in-Myanmar/!5795541 | |
[3] https://www.irrawaddy.com/news/burma/nug-we-control-over-half-of-myanmars-t… | |
[4] https://myanmar-now.org/en/news/leaked-document-suggests-myanmar-military-u… | |
[5] https://www.ispmyanmar.com/isp-data-matters/#images-8 | |
[6] /Autokraten-treffen-sich-erstmals/!5876632 | |
[7] https://aappb.org/ | |
## AUTOREN | |
Michael Lenz | |
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