# taz.de -- „FAZ“ gegen Annalena Baerbock: Zentraler Kampfplatz | |
> Die „FAZ“ schießt scharf gegen die auswärtige Kulturpolitik von | |
> Ministerin Annalena Baerbock. Welche Chancen liegen in diesem | |
> Politikfeld? | |
Bild: Scharf kritisiert: Annalena Baerbock | |
Annalena Baerbock macht als Außenministerin einen guten Job. Und muss | |
dennoch aufpassen, dass nicht von allen Seiten auf sie eingedroschen wird. | |
In Krisenzeiten wird der Tonfall durchaus ruppiger. | |
Baerbock ist wie Vizekanzler Robert Habeck nicht nur bevorzugtes Ziel | |
russischer Feindpropaganda. Die beiden Grünen-Politiker vertraten bereits | |
vor dem russischen Angriff auf die Ukraine eine Strategie, aus der | |
menschen- und naturfeindliche Regime wie das Putins keinen Nutzen ziehen | |
können. | |
Bei ihrer Rede anlässlich der Verleihung der Goethe-Medaille in Weimar am | |
28. August in Weimar plädierte die Außenministerin erneut für den | |
grundlegenden Wandel des europäischen Produktions- und Konsummodells. | |
Und sie beschwor dabei mit mehrfacher Nennung [1][des ukrainischen | |
Schriftstellers Serhij Zhadan] eine Kultur des demokratischen Widerstands, | |
die sich einer Aggression wie der russischen entgegenstellt. Dafür erntete | |
sie in Weimar viel Applaus. Und doch schlägt ihr aus den Feuilletons und | |
von Kulturschaffenden derzeit Kritik entgegen. | |
## Goethe-Institut drohen Kürzungen | |
Denn ausgerechnet das Goethe-Institut, zuständig für die Vermittlung der | |
deutschen Kultur und Sprache im Ausland, muss erhebliche Kürzungen seines | |
Budgets befürchten. Für das Jahr 2022 sowie laut den Entwürfen für 2023 | |
drohen dem Goethe-Institut (mit 158 Niederlassungen in 98 Ländern) jeweils | |
etwa 17 Millionen Euro im Etat zu fehlen, rund 10 Prozent seiner flüssigen | |
Mittel. | |
Keine allzu große Summe im Gesamtbudget des Auswärtigen Amts, möchte man | |
meinen, doch eine große für den Haushalt des Instituts, wie | |
Goethe-Generalsekretär Johannes Ebert im Gespräch mit dieser Zeitung | |
erläutert. | |
Aus Sicht des Instituts wären von den Einsparungen zunächst vor allem die | |
Programme zur sprachlichen und interkulturellen Förderung bei der | |
Fachkräfteeinwanderung negativ betroffen, ebenso die Qualifizierung bei der | |
Lehrerfortbildung und Stipendien für Wissenschaftler. [2][Auch | |
Kooperationsprojekte in Afrika] sowie Förderprogramme für Jugendliche und | |
Kinder im Ausland müssten zusammengestrichen werden. | |
## „Selbstbezogen“ soll sie sein | |
In Medienbeiträgen wird Außenministerin Baerbock nun von einigen hart | |
angegangen. Und nicht immer mit lauteren Mitteln. In der FAZ vom 12. 9. | |
behauptet etwa der Orientalist Stefan Weidner, Baerbocks Haltung gegenüber | |
der Kultur sei „populistisch“. Weidner höhnt, angesichts ihrer gerade in | |
Kiew vorgetragenen Entschlossenheit, der Ukraine weiter beizustehen, über | |
eine angebliche „Selbstbezogenheit“ der Ministerin und sieht „klägliche | |
Reste“ von „grünem Pazifismus“. Weidner, der in den letzten Jahren bei | |
vielen Kulturfunktionären zum deutschen Lieblings-Orientalisten aufstieg, | |
arbeitet sich weiter an der grünen Außenministerin ab. | |
„Aber statt einfach die Schönste zu sein,“ so schreibt Weidner in der FAZ, | |
„verdirbt sie das Bild und beginnt zu schielen – die Vermutung lautet, auf | |
Wählerstimmen, die in diesem Fall, auch ohne zu gendern, vor allem | |
Wählerinnenstimmen sind.“ | |
Nach Weidner gerade noch „die Schönste“, schielt sie also jetzt schon. Und | |
wie so manch anderes verschweigt der paternalistische Herr Weidner, dass | |
dem gesamten Haushalt des Auswärtigen Amts 2023 eine Budgetkürzung um 10 | |
Prozent droht. Also eine keineswegs nur dem Goethe-Institut und anderen vom | |
Auswärtigen Amt geförderten Kulturprojekten. | |
## Kultur ist ein zentraler Kampfplatz | |
Corona, Krieg und die künftige Einhaltung der Schuldenbremse sind dafür | |
verantwortlich. Auch wenn derzeit viele versuchen, ihre fossilen Altlasten | |
bei Habeck und Baerbock abzuladen, erscheint es doch ziemlich unredlich von | |
Weidner, dies nicht zu erwähnen. Und kleinkariert, nur die eigenen | |
Publikationsinteressen zu propagieren. | |
Feuilletonautor:innen sind in der Regel keine Haushaltsexperten. Doch | |
darf man sich dennoch fragen, ob die Bundesregierung und ihre | |
Haushaltsexpert:innen die Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik im | |
Verhältnis zu anderen hoch genug einschätzen. Die Kultur ist einer der | |
zentralen Kampfplätze, so es um die Hegemonie konkurrierender | |
Weltanschauungen geht. Und vielfach ist der kulturelle Raum einziger | |
Hoffnungsträger für Zivilgesellschaften und für Menschen, um sich durch | |
kulturelle Bildung Chancen zu erarbeiten – die eine Flucht wie über das | |
Mittelmeer erübrigen. | |
13 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Autor-Serhij-Zhadan-erhaelt-Friedenspreis/!5863571 | |
[2] /Postkoloniale-Vernetzung-in-Afrika/!5640972 | |
## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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