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# taz.de -- Betrugsvorwürfe gegen Hans Niemann: Schummelsport Schach
> Endlich redet Schachsuperstar Magnus Carlsen so etwas wie Klartext und
> bezichtigt Hans Niemann des Betrugs. Doch Beweise fehlen immer noch.
Bild: Spiel des Anstoßes: Magnus Carlsen (l.) und Hans Niemann beim Sinquefiel…
Endlich! Am Montagabend erklärte sich der fünffache Schachweltmeister
Magnus Carlsen erstmals in einem Statement auf Twitter. [1][Sein Verhalten
in den letzten Wochen] hatte nicht nur in der Schachwelt für Furore
gesorgt. Nun hat der Betrugsskandal im Schach eine konkrete Form angenommen
– und fängt erst richtig an.
Das lang erwartete Statement von [2][Superstar Magnus Carlsen] hat es in
sich. Nachdem er in den Wochen zuvor mehrmals kryptisch angedeutet hatte,
etwas könne mit dem US-amerikanischen Schachjüngling Hans Niemann nicht
stimmen, spricht er nun Klartext: „Ich glaube, dass Niemann häufiger – und
in jüngster Vergangenheit – betrogen hat, als er öffentlich zugegeben hat.�…
Hier verweist Carlsen auf ein Interview von Niemann, das dieser vor drei
Wochen nach der fünften Runde im renommierten Sinquefield Cup gegeben hat.
Dort behauptete Niemann, er hätte in seinem Leben ausschließlich zwei Mal
online im Alter von 12 und 16 Jahren betrogen. Außerdem hätte er noch nie
over the board, also am Brett, geschummelt.
Eine glatte Lüge. Das glaubt zumindest Carlsen, der in seinem Statement
unzweideutig anmerkt: „Niemanns Fortschritte am Brett sind ungewöhnlich und
während unserer Partie im Sinquefield Cup hatte ich den Eindruck, dass er
sich bei den kritischen Stellungen nicht einmal richtig konzentrierte,
während er mich mit den schwarzen Steinen gegen die Wand spielte.“
Auch wenn Carlsen in diesem Abschnitt Wörter wie „Betrug“ oder „schummel…
nicht verwendet, ist der Vorwurf unmissverständlich: Niemann soll auch am
Brett mehrmals betrogen haben, zuletzt gegen Carlsen vor drei Wochen in der
Schachstadt St. Louis.
## Eine gewisse Verderbtheit
Dort traf der Norweger „eine beispiellose professionelle Entscheidung“, wie
er sagte, indem er vom hochdotierten Sinquefield Cup zurücktrat, nachdem er
in der dritten Runde gegen Niemann verloren hatte. Statt eine ausführliche
Erklärung abzugeben, tweetete Carlsen ein Video, in dem Fussballtrainer
José Mourinho sagt: „Ich ziehe es vor, nicht zu reden. Wenn ich rede, komme
ich in Schwierigkeiten. Und ich möchte nicht in Schwierigkeiten geraten.“
In den darauffolgenden drei Wochen war die Schachwelt in Aufruhr. Was war
passiert? Hatte Carlsen gar [3][wie einst Bobby Fischer] den Verstand
verloren?
Aufgrund von Niemanns bekannten Online-Betrügereien verbreitete sich
schnell die Theorie, der allgemeinhin als fair geltende Carlsen müsse das
Turnier verlassen haben, weil er Niemann verdächtigt. In den sozialen
Medien machten nun schnell krude Theorien über ferngesteuerte Sexspielzeuge
und Maulwürfe, die Carlsens Vorbereitung geleakt haben sollen, breit. Die
internationale Boulevardpresse, ganz vorn mit dabei Bild, stürzte sich auf
die Verderbtheit, die diesem Skandal bislang anhaftete.
Durch sein Statement hat Carlsen vielen Spekulationen endlich ein Ende
bereitet. Ein kurzer Seufzer der Erleichterung geht durch die Welt. Doch
die wichtigen Fragen sind längst nicht geklärt. Hat Niemann nun betrogen
oder nicht? Wenn ja, wie soll er das bei einem Turnier, dessen
Sicherheitssystem laut Veranstalter der des Weißen Hauses überlegen ist,
über die Bühne gebracht haben? Gibt es Beweise und wie sollen diese Beweise
aussehen?
Betrug im Schach ist kein neues Phänomen. Die Plattform [4][chess.com] gibt
an, täglich über 500 Konten aufgrund von Verletzung der Fairplay-Regeln zu
schließen. Die Häufigkeit lässt sich ganz einfach dadurch erklären, dass es
ein Leichtes ist, neben der Partie ein zweites Schachprogramm laufen zu
lassen, das einem die besten Züge ausspuckt. Betrügereien zu entdecken,
stellt das professionelle Schach vor große Probleme. Die Onlineplattformen
haben als private Firmen viel Geld in Algorithmen investiert, die Betrüger
identifizieren sollen. Doch der Weltschachverband Fide hat noch keinen
Zugang zu diesen Algorithmen. Solange dem so ist, bleibt das Profi-Schach
ein Schlangennest, wo jeder jeden beschuldigen kann.
Carlsen hat jedenfalls angekündigt, dass er kein Turnier mehr mit Niemann
oder anderen Spielern, die in der Vergangenheit betrogen haben, spielen
wird.
28 Sep 2022
## LINKS
[1] /Skandale-erschuettern-Schach-Welt/!5881486
[2] /Kandidaten-fuer-die-Schach-WM/!5859762
[3] /Mythisches-Schachduell/!5873044
[4] http://chess.com
## AUTOREN
Charles Schildge
## TAGS
Schach
Magnus Carlsen
Betrugsverdacht
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Kolumne Frühsport
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Schach-WM
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