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# taz.de -- Kandidaten für die Schach-WM: Eine Wunschweltmeisterschaft
> Schach-Weltmeister Magnus Carlsen möchte seinen Titel nur gegen Alireza
> Firouzja verteidigen. Er entwertet damit das Kandidatenturnier in Madrid.
Bild: Lieblingsgegner: Carlsen findet nur einen Wettstreit mit dem 19-jährigen…
Die Schachwelt blickt noch gespannter als sonst auf das Kandidatenturnier.
Diesmal wird nicht nur der Herausforderer von Magnus Carlsen ermittelt. Es
droht vor allem, dass der Weltmeister und Weltranglistenerste aus Norwegen
gar nicht mehr zur Titelverteidigung antritt, wenn der „Falsche“ in Madrid
gewinnt – die kampflose freiwillige Preisgabe der WM-Krone wäre ein Novum
in der 136-jährigen Historie des Denksports.
Obwohl es wieder um einen Millionenbetrag bei der WM ginge, zeigte sich
Carlsen bereits im Vorfeld gestresst, weil der Weltverband Fide künftig
alle zwei statt drei Jahre eine Titelverteidigung anstrebt. Der Dominator
auf den 64 Feldern hatte unter anderem deswegen verkündet, dass er seinen
Titel kampflos abgeben würde, [1][sollte sich nicht Alireza Firouzja] im
Kandidatenturnier durchsetzen.
Der vor wenigen Tagen erst 19 Jahre alt gewordene Shooting Star schoss in
der Weltrangliste zwischenzeitlich bis auf Platz zwei vor, knackte dabei
die Schallmauer von 2.800 Elo-Punkten und gilt als Kronprinz von Carlsen.
Das sieht der 30-jährige Champion offenbar genauso und findet nur ein Duell
mit ihm reizvoll genug, um sich nochmals monatelang mühevoll auf seinen
fünften WM-Gegner vorzubereiten.
In Schachkreisen gibt es vor allem deswegen heftige Diskussionen um den
Wettbewerb in Madrid. So meinte Kommentator Anatoli Vitouch im
österreichischen Verbandsorgan „Schach-Aktiv“ zu den „absurden Szenarien…
dass es angesichts der „Drohung“ von Carlsen „vernünftiger“ wäre für
Firouzja, „lieber Zweiter zu werden“. Dann würde Carlsen ja auf den
WM-Kampf verzichten – und Firouzja dürfte gegen den Sieger des
Kandidatenturniers um den WM-Titel spielen. „Eine potenziell deutlich
einfachere Aufgabe als jene, den bisher in WM-Matches ungeschlagenen
Carlsen zu bezwingen“, befindet Vitouch.
## Diskussion um russische Teilnahme
Die sportlich perfiden Gedanken erinnern an das kleine Brettspiel „Why
First?!“ von Simon Harvard (Pegasus Spiele): Bei dem steht der Taktikfuchs
am Schluss ganz oben auf dem Treppchen, der sich am Ende auf Platz zwei
manövriert hat.
Nach dem ersten Ruhetag muss sich der aktuelle Weltranglistendritte
Firouzja allerdings strecken, um überhaupt Zweiter zu werden: Der gebürtige
Iraner, der 2021 unter französische Flagge wechselte, remisierte bisher
alle drei Partien und liegt lediglich auf Platz drei zusammen mit
Jan-Krzysztof Duda (Polen), Richard Rapport (Rumänien) und Hikaru Nakamura
(USA/alle 1,5 Punkte). Am Ende des Feldes folgen der Aseri Teimour Radjabow
und der Weltranglistenzweite Ding Liren (China/je 1) in Schlagweite.
Die beiden letzten Herausforderer von Carlsen, Fabiano Caruana (USA) und
[2][Jan Nepomnjaschtschi] (Russland), führen das achtköpfige Feld mit zwei
Punkten an. Um die Teilnahme des Russen Nepomnjaschtschi gab es auch
Diskussionen wegen des Krieges in der Ukraine. Er darf mitspielen, weil er
sich zusammen mit 40 russischen Großmeistern öffentlich gegen den
Ukrainekrieg positionierte.
Der im ukrainischen Kramatorsk geborene [3][Sergej Karjakin], der 2009
unter russische Flagge wechselte, gilt dagegen als glühender Putin-Verehrer
und „Kriegstreiber“ – daher fehlt der dritte einstige
Carlsen-Herausforderer im Kandidatenturnier. Sollte „Nepo“ das
Kandidatenturnier gewinnen, bliebe ihm angesichts der russischen
Propagandamaschinerie möglicherweise nur die Flucht aus dem Heimatland.
Egal, wie das Endresultat in Madrid aussehen mag, scheint es aus
sportlicher Sicht schon jetzt recht fragwürdig. Obendrein würde Carlsen dem
online prosperierendem Schach einen Bärendienst erweisen, sollte er
tatsächlich auf den WM-Titel verzichten: Ohne ihn haftet seinem Nachfolger
stets der Makel eines Weltmeisters zweiter Klasse an.
22 Jun 2022
## LINKS
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[3] /Sport-als-Propagandavehikel-in-Russland/!5846456
## AUTOREN
Hartmut Metz
## TAGS
Schach-WM
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Russland
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