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# taz.de -- Kommunalwahlen in Tschechien: Babiš’ Wohnmobil hat nicht gereicht
> Bei den Kommunalwahlen fährt das Bündnis des Ministerpräsidenten viele
> Niederlagen ein. Auch Babiš bleibt hinter seinen Zielen zurück.
Bild: Alles muss auf den Tisch: Wahlhelfer in Hradec Kralove beginnen mit der A…
Prag taz | Als am Samstagnachmittag die ersten Hochrechnungen erschienen,
war aus allen Ecken des politischen Spektrums in Tschechien vor allem eines
zu hören: Erleichterung. Innenminister Vít Rakušan, Vorsitzender der
Bürgermeisterpartei STAN, der selbst erst vor Kurzem den Sprung aus der
Kommunalpolitik auf die Regierungsbank geschafft hatte, fasste die
Atmosphäre am Wahlabend zusammen: „Die Katastrophe ist nicht eingetreten“,
atmete er in aller Öffentlichkeit auf.
Vor allem die fünf Parteien der Regierungskoalition hatten befürchtet, die
Krisen des vergangenen Jahres, von Corona über den Ukraine-Krieg und
[1][steigenden Energiepreisen] bis hin zu eigenen [2][Korruptionsaffären]
und einem eher ratlos anmutenden Kabinett, könnten sich bei diesen Wahlen
rächen.
Die Opposition, die in Form des Ein-Mann-Politunternehmens ANO
(Ex-Ministerpräsident Andrej Babiš) und der Direkten Demokratie, kurz SPD
(Tomio Okamura) mehr oder weniger aus Populisten besteht, hatte sich im
Vorfeld der Kommunalwahlen Mühe gegeben, diese zu einer Art Volksabstimmung
über die Regierung von Ministerpräsident Petr Fiala hochzujazzen.
Dessen konservativer Bürgerpartei ODS gelang es trotz aller Unkenrufe, sich
Prag zurückzuerobern: Zusammen mit ihren Koalitionspartnern auf
Regierungsebene, der progressiven TOP 09 und den Christdemokraten, stehen
sie in der Hauptstadt mit einer einfachen Mehrheit gut im Kurs und wollen
mit Hilfe der Piraten und der Bürgermeisterpartei regieren. „Für Prag ist
solch eine Koalition die einzige mögliche Lösung. Wir brauchen eine enge
Zusammenarbeit mit Regierung und Parlament, deshalb wären wir froh, wenn
die Koalition sich am Grundriss der Regierung orientieren würde“, erklärte
Bohuslav Svoboda. Der 78-Jährige hatte schon zwischen 2010 und 2013 das Amt
des Prager Oberbürgermeisters inne und vertritt seine Partei auch im
Parlament.
## Auch die rechte SPD feiert Erfolge
Eine Kooperation mit der ANO, die zweitstärkste Kraft der Hauptstadt wurde,
hat Svoboda als „extrem unwahrscheinlich“ bezeichnet. Die Bewegung von
Ex-Ministerpräsident Babiš, der sich derzeit vor dem [3][Prager
Stadtgericht wegen Betrugsvorwürfen verantworten muss], feiert sich derweil
selbst als landesweiten Wahlsieger. In den Regionen hat die ANO in 8 von 12
Kreisstädten eine Mehrheit erobert.
Im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2018 hat ANO allerdings leicht an
Stimmen verloren. Und das obwohl Babiš seit Jahresbeginn in seinem
Wohnmobil die Republik bereist und unter dem Slogan „Unter Babiš war es
besser“ hybriden Wahlkampf betreibt. Nicht nur mit Blick auf die Kommunal-,
sondern auch auf die Präsidentschaftswahlen im Januar 2023.
Einen Triumph feiert auch Tomio Okamura, Chef der Partei der direkten
Demokratie (SPD), die vor allem auf Protestwähler zielte. Zum ersten Mal
wird die SPD ihre Vertreter in allen Kreisstädten des Landes haben.
„Eigentlich haben alle gewonnen“, kommentierte das Nachrichtenportal
Seznam.cz. den Wahlausgang. Zum einen, weil es hätte schlimmer ausgehen
können. Zum anderen, weil es sich gezeigt hat, dass in vielen Städten und
Gemeinden kommunale Themen doch entscheidender waren als die Ängste, die
von den Oppositionsparteien geschürt worden waren.
Denn die eigentlichen Wahlsieger sind die kleinen unabhängigen
KandidatInnen und Listen, die in den meisten Städten und Gemeinden
Kommunalpolitik machen. Im nordböhmischen Liberec (Reichenberg) dürfte eine
unabhängig geführte Koalition ins Rathaus einziehen. Im südmährischen
Örtchen Pohořelice wiederum hat der ehemalige Elitepolizist Robert Šlachta
einen überraschenden Wahlerfolg hingelegt.
25 Sep 2022
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## AUTOREN
Alexandra Mostyn
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