# taz.de -- Wirbel um HSV-Vorstand: Dr. Wüstefeld und Mr. HSV | |
> Fußballerisch läuft es beim Hamburger SV in der Zweiten Herrenliga. | |
> Geschäftlich weniger. Schuld daran ist auch der Vorstand. | |
Bild: Steht nicht nur wegen seiner akademischen Titel in der Kritik: HSV-Vorsta… | |
HAMBURG taz | Dafür, dass Thomas Wüstefeld als Vorstand des Hamburger SV | |
dieser Tage eine Menge Schlagzeilen produziert, begann sein Einstieg beim | |
HSV im Oktober 2021 geradezu geräuschlos: Da kaufte Wüstefeld mit seiner | |
Calejo GmbH 5,11 Prozent der Anteile an der HSV Fußball AG. Er erwarb sie | |
in einem direkten Geschäft von Klaus-Michael Kühne, dem Hauptanteilseigner | |
des HSV. Ende November dann wählte die Mitgliederversammlung Wüstefeld an | |
die Spitze des Aufsichtsrates. Damit war er schon viel mehr als ein | |
Kleinaktionär. | |
Als dann der HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein wenig später ankündigte, | |
sein Amt bald niederzulegen, wollte Wüstefeld mehr: Er werde den Job als | |
Finanzvorstand für ein Jahr übernehmen und seinen Posten im Kontrollgremium | |
ruhen lassen – ohne Gehalt. Da griff der HSV zu. Inzwischen schreibt nicht | |
nur der Spiegel von einem „vergifteten Geschenk“. Denn der HSV hat einen | |
Vorstand, über den es seit Wochen jeden Tag neue Schlagzeilen gibt. | |
Längst hat sich sein Gebaren wie ein Schatten über den Verein gelegt, | |
dessen Profi-Mannschaft in der besten Phase steckt, seit sie vor mehr als | |
vier Jahren in der Zweiten Liga zu spielen begann. Tragbar wirkt Wüstefeld | |
wegen der vielen Anschuldigungen kaum noch. Doch der Aufsichtsrat um | |
Marcell Jansen zögert, ihn abzulösen. Jansen und Wüstefeld waren früher als | |
Geschäftspartner verbunden. | |
## Geld für Sanierung ist weg | |
Die Causa Wüstefeld hat viele Stränge. Deren aktuellster endete am | |
Donnerstag, als Wüstefeld im Rathaus vorsprach. Er erklärte die finanzielle | |
Notlage des Vereins. 2020 hatte der HSV das Stadiongrundstück für 23,5 | |
Millionen Euro an die Stadt verkauft. Das Geld sollte für die Sanierung der | |
Arena verwendet werden, damit Hamburg Spielort der EM 2024 bleibe. Doch | |
statt Dach, Flutlicht und Beschallungsanlage zu erneuern, kompensierte der | |
HSV mit dem Steuergeld Einnahme-Ausfälle. | |
Ausgegeben wurde das Geld von Wüstefelds Vorgängern Wettstein und dem | |
jetzigen Sport-Vorstand Jonas Boldt. Wüstefeld hatte versprochen, das | |
Problem durch Gespräche im Rathaus und bei Sponsoren zu lösen. Danach sieht | |
es aktuell nicht aus. Die Politik mit Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) | |
an der Spitze lehnte ab, für den 13-Millionen-Euro-Kredit bei | |
HSV-Hauptsponsor „HanseMerkur“ zu bürgen. „Wir drücken ihnen die Daumen, | |
dass Sie einen anderen Partner finden“, sagte der Vorsitzende des | |
städtischen Haushaltsausschusses, Mathias Petersen (SPD). Dass Wüstefeld so | |
abblitzte, lag nicht nur an ihm und dem, was er vortrug. Die Ablehnung im | |
Rathaus hat sich der HSV über Jahre verdient. | |
Doch derjenige, der da am Donnerstag vorsprach, ist so beschädigt, dass er | |
auch mit besten Unterlagen im Gepäck in einer schwachen | |
Verhandlungsposition wäre. Da ist die Affäre um seine akademischen Titel | |
„Professor“ und „Doktor“, die durch Recherchen des Hamburger Abendblatts | |
begann. Dann die Ermittlungen gegen Wüstefelds Firmen wegen des Verdachts | |
auf Untreue und Betrug. | |
Es gibt massive Vorwürfe im Zusammenhang mit Wüstefelds Tätigkeit als | |
Medizinunternehmer. Es geht um Millionenklagen, eine mögliche Strafanzeige | |
wegen Untreue und angeblich illegal verkaufte Medizinprodukte. Das | |
Landgericht Hamburg verhandelt derzeit einen Wettbewerbsverstoß. | |
Hinzu kommt der Streit mit dem Vorstandskollegen Jonas Boldt um die Macht | |
beim HSV – vergangene Woche hatte der Spiegel berichtet, dass Wüstefeld im | |
Juni an Gesellschafter und Aufsichtsrat geschrieben habe, dass er nur | |
alleinverantwortlich zur Verfügung stehe, um die Gesundung der Klubfinanzen | |
herbeizuführen – also ohne Boldt. Und dann ist da noch seine Haltung zu | |
Klaus-Michael Kühne. Seit dem Anteile-Kauf vom November liegen die beiden | |
über Kreuz; Kühne will Wüstefeld loswerden, Wüstefeld hatte im Sommer | |
geklagt, zu viel für seine Aktien an der HSV Fußball AG gezahlt zu haben – | |
womit er den Wert desjenigen Unternehmens schmälert, an dessen Spitze er | |
gerade steht. | |
Es ist eine kuriose Mischung aus Verteidigung und Angriff, die Wüstefeld | |
wählt. Ein 25-stöckiges Hochhaus wolle er am Stadion erreichten lassen, die | |
HSV-Plaza, Kosten: 200 Millionen. Der Kampf um eine städtische Bürgschaft | |
wird mit so viel finanzieller Kraft im Hintergrund aber wenig glaubwürdig. | |
Alles wolle er auf den Tisch legen, hat Wüstefeld nun gesagt: „Ich werde | |
dem Aufsichtsrat vollumfassende Informationen geben, denn wir wollen den | |
Sachverhalt ja aufklären.“ Zu seinen akademischen Titeln habe er HSV-intern | |
schon Belege vorgelegt. Er sei guter Dinge, dass das Thema erledigt sei. | |
Ähnlich vage äußert sich Chefkontrolleur Jansen. Man brauche Zeit, um die | |
Themen zu prüfen. Doch mit jedem Tag, an dem über Wüstefeld so | |
unvorteilhaft berichtet wird, verliert der Verein an Glaubwürdigkeit. | |
Allerdings wäre auch Wüstefelds Rückzug vom HSV keine schnelle Lösung. Die | |
bietet Kühne, zu dessen 120-Millionen-Euro-Paket 20 Millionen Euro für die | |
Stadionsanierung gehören. Ein Angebot, das man nicht ausschlagen, über das | |
man jedenfalls diskutieren sollte, findet Sportvorstand Jonas Boldt – der | |
damit bewusst in Opposition zu Wüstefeld geht, der Kühne ja ablehnt. | |
25 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Frank Heike | |
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