# taz.de -- Sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück: Bode schützte pädophil… | |
> Die Uni Osnabrück wirft dem dortigen Bistum „schwere Pflichtverletzungen“ | |
> vor: Rechte von Missbrauchsopfern wurden bis in die jüngste Zeit | |
> missachtet. | |
Bild: Muss sich viel Vorwürfe anhören: Bischof Franz-Josef Bode | |
Bremen taz | Wissenschaftler:innen der Universität Osnabrück haben am | |
Dienstag dem örtlichen Bistum und dem amtierenden Bischof Franz-Josef Bode | |
schwere Vorwürfe gemacht. „Bis über das Jahr 2000 hinaus“ habe es | |
schwerwiegende Pflichtverletzungen in Fällen sexualisierter Gewalt gegeben, | |
sagte der Jura-Professor Hans Schulte-Nölke bei der Vorstellung eines | |
[1][Zwischenberichts zu sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück]. | |
„Dadurch wurden weitere Minderjährige in Gefahr sexualisierter Gewalttaten | |
gebracht.“ | |
Die Rechte der Betroffenen wurden und werden bis in die jüngste Zeit oft | |
verletzt, so die erste Bilanz der Forscher:innen. „Hingegen lassen sich in | |
den letzten Jahren nur noch wenige Verstöße gegen Pflichten des Bistums zu | |
Maßnahmen gegen Beschuldigte feststellen“, so Schulte Nölke. | |
Er leitet gemeinsam mit der Historikerin Siegrid Westphal die | |
Untersuchungen. Das Bistum hatte sie beauftragt, Fälle sexualisierter | |
Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen im | |
kirchlichen Raum seit 1945 zu untersuchen. Es stellt für das auf drei Jahre | |
angelegte Projekt 1,3 Millionen Euro. | |
Das Bistum Osnabrück – bis 1995 gehörte auch das heutige Erzbistum Hamburg | |
dazu –hatte vertraglich zugesichert, die Recherche uneingeschränkt zu | |
unterstützen und den Wissenschaftler:innen freien Zugang zu allen | |
Dokumenten zu gewähren, soweit dies rechtlich zulässig ist. Es hat laut Uni | |
keine Möglichkeiten, Einspruch zu erheben. Vertreter:innen des Bistums | |
Osnabrück waren ausdrücklich nicht zur Vorstellung des 600-seitigen | |
Zwischenberichts eingeladen. | |
## 16 Fallbeispiele auf 600 Seiten | |
Anhand von anonymisierten Fallbeispielen aus den 1970er- bis 1990er-Jahren | |
– es geht darin um 15 Priester und einen Diakon – zeichnet die Studie | |
nach, wie Bistumsleitungen sich verhalten haben, als sie von | |
Beschuldigungen sexualisierter Gewalt erfuhren. Dafür wurden in | |
mehrmonatiger Archivarbeit Hunderte von Akten gesichtet. | |
Außerdem erstellte das Projekt einen umfassenden Katalog der | |
Rechtspflichten eines Bistums. Trotz der „teilweise unklaren Rechtslage“ | |
würden somit neben den Pflichten gegenüber den beschuldigten Geistlichen | |
erstmals auch die Pflichten gegenüber Betroffenen benannt, sagte | |
Schulte-Nölke. | |
Zwar seien schwer belastete Geistliche ihrer Aufgaben entbunden, jedoch | |
weiterhin in Pfarreien eingesetzt worden, wo sie mit Messdienern in | |
Berührung kamen oder in der Jugendseelsorge arbeiteten. So hätten sie neue | |
Tatgelegenheiten erhalten. In „zwei bis drei Fällen“ habe auch Bode solche | |
Entscheidungen getroffen. „Die Bischöfe trifft eine individuelle | |
Verantwortung“, sagt Schulte-Nölke. Bode leitet das Bistum seit 1995. Seine | |
Vorgänger Ludwig Averkamp, Helmut Hermann Wittler und Wilhelm Berning sind | |
bereits verstorben. | |
Das Bistum Osnabrück zeige bis heute keine Bereitschaft, den Betroffenen | |
gegenüber großzügig zu sein und seine eigene Verantwortlichkeit, oft auch | |
Schuld, vorbehaltlos anzuerkennen, schreibt die Uni. „Betroffene wurden | |
bürokratisch und abweisend behandelt. Die generelle Linie ließe sich mit | |
‚Verzögern und Abwehren‘ beschreiben“, sagte Schulte-Nölke. „Wichtige… | |
das Leid der Betroffenen waren dem Bistum der Schutz des Ansehens der | |
Kirche oder der Schutz des Ansehens der Beschuldigten“, sagte Historikerin | |
Westphal. Der Kirche sei es vor allem „um Geheimhaltung“ gegangen. | |
Das Bistum orientiere sich seit 2011 an den Leitlinien der Deutschen | |
Bischofskonferenz, die nur die Zahlung „einer relativ geringen Summe“ an | |
die Betroffenen vorsehe, so Schulte-Nölke. Es habe „nicht mit hinreichender | |
Sorgfalt“ überprüft, ob Betroffenen darüber hinaus Ansprüche auf | |
Schadensersatz und Schmerzensgeld zustehen. | |
Bode habe 2010 zwar in einem Bußgottesdienst die Betroffenen | |
öffentlichkeitswirksam um Vergebung gebeten: „Aber danach ist kein Ruck | |
durch das Bistum gegangen“, kritisierte Schulte-Nölke. | |
Dabei hatte der Bischof noch zu Beginn des Jahres mehr Transparenz | |
angemahnt. Damals wurde das Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und | |
Freising öffentlich, das auch den emeritierten Papst Benedikt XVI. schwer | |
belastet. In dessen Zeiten als Erzbischof „habe die Kirche immer zuerst die | |
Täterperspektive und die der Institution eingenommen“, so Bode. Er will | |
sich [2][am Donnerstag ausführlich zu den Studienergebnissen äußern]. | |
In einem ersten Statement erklärte er, es beschäftige ihn sehr, „wie blind | |
wir eigentlich gewesen sind und wie blind ich gewesen bin für das Leiden | |
und die Perspektiven der Betroffenen“. Er trage Verantwortung dafür und | |
auch „für das System im Bistum“. Er werde nach der Lektüre des Berichts | |
Gespräche führen. „Wir werden gründlich beraten, wie der weitere Weg | |
aussehen wird.“ | |
20 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.s-gewalt.uni-osnabrueck.de/willkommen.html | |
[2] https://www.youtube.com/bistumosna | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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