# taz.de -- Diskriminierung in Berliner Freibad: Das Outsourcing muss enden | |
> Die willkürliche „Türpolitik“ im Strandbad Grünau zeigt: Die | |
> landeseigenen Bäderbetriebe müssen alle Schwimmbäder endlich wieder | |
> selbst betreiben. | |
Bild: Hier darf nicht jede/r rein: Strandbad Grünau | |
Dass viele Berliner*innen eine Kiezmentalität pflegen, ist bekannt und | |
auch gar nicht zu beklagen. Problematisch wird es allerdings, wenn | |
öffentliche Einrichtungen eine solche Horizontverengung zum Programm | |
machen, wie es nun im Fall des Strandbades Grünau in Köpenick bekannt | |
wurde. | |
Der Tagesspiegel hatte Anfang der Woche zuerst darüber berichtet, dass | |
Gäste dort schon mal abgelehnt werden, wenn sie nicht in der Nähe des Bades | |
ihren Wohnsitz haben. Der B.Z. wiederum wurde nach eigener Darstellung von | |
Security-Mitarbeitenden sogar eine Liste mit „erlaubten“ Postleitzahlen | |
gezeigt. Besonders betroffen seien wohl Menschen mit – angenommenem – | |
Migrationshintergrund und auch jene, die aus Kiezen kommen, die stark | |
migrantisch gesprägt sind, [1][sagte die linke Abgeordnete Elif Eralp der | |
taz]. | |
Der private Pächter des Strandbads dementiert die Vorwürfe nicht. In einer | |
Erklärung aus dem Jahr 2021 hat er sich explizit als „Unternehmen mit | |
regionalem Bezug“ bezeichnet. | |
Politiker*innen der rot-grün-roten Regierungskoalition wie Eralp | |
sprechen nun berechtigterweise von Diskriminierung und fordern die | |
Bäderbetriebe (BBB) auf, mit den Pächtern ein sehr ernstes Wort zu reden, | |
schließlich hätten die BBB den Vertrag abgeschlossen. Natürlich müssen die | |
Bäderbetriebe das tun – und auch sonst alles, um diese Ungleichbehandlung | |
von Gästen zu verhindern. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. | |
Zehn der [2][elf Strandbäder – also Freibäder an innerstädtischen | |
Gewässern] – sind laut einer BBB-Sprecherin verpachtet; einzig das große, | |
denkmalgeschützte Bad am Wannsee ist noch ganz unter Kontrolle des | |
landeseigenen Unternehmens. Dass die Bäder – neudeutsch – outgesourced | |
wurden, ist nicht neu. In den Nullerjahren, als Berlin praktisch pleite war | |
und landeseigenes Tafelsilber en masse verscherbelte, war sogar geplant, | |
auch Hallenbäder zu verpachten. | |
2008 gewährte der damalige rot-rote Senat, den Freibadbetreiber*innen | |
längere Pachtlaufzeiten, [3][um ihnen größere Sanierungen schmackhaft zu | |
machen]. Freibäder, so die Überzeugung damals, gehörten nicht mehr zur | |
Grundversorgung der Berliner*innen – die zum Beispiel nötig ist, damit | |
alle zumindest theoretisch die Möglichkeit haben, Schwimmen zu lernen. | |
Inzwischen hat sich der Wind gedreht: Ein guter Teil der zumeist erst vor | |
knapp zwei Jahrzehnten verschacherten Infrastruktur wurde für sehr viel | |
mehr Geld zurückgekauft, darunter die Wasserbetriebe und das Stromnetz. | |
Rekommunalisierung lautet der politische Auftrag, dem sich auch | |
Rot-Grün-Rot verpflichtet sieht. | |
## Bei den Schwimmbädern passiert wenig | |
Für die Bäderbetriebe gilt dieses Bekenntnis bisher offenbar nicht. Zwar | |
wird immer mal wieder der Bau eines Freibads von der Politik in die Runde | |
geworfen, etwa in Marzahn-Hellersdorf, dem einzigen Bezirk, der kein | |
einziges Bad dieser Art hat. | |
Aber weder werden diese Vorschläge, die recht häufig aus Reihen der | |
regierenden SPD stammen, mit der notwendigen Vehemenz vorangetrieben. Noch | |
werden die Bäderbetriebe mit dem nötigen Geld ausgestattet, um die für die | |
Betreiber*innen finanziell riskanten Verpachtungen perspektivisch zu | |
beenden und die Strandbäder nicht nur zu besitzen, sondern auch auch zu | |
betreiben. | |
In diesem Fall würde zum einen das Antidiskriminierungsgesetz des Landes | |
greifen und eine Türpolitik wie in Grünau grundsätzlich ausschließen. Zum | |
anderen sollte nach diesem erneuten Hitze- und Dürresommer allen | |
Regierungsparteien klar sein, dass eben auch die Strandbäder zur | |
Grundversorgung der Berliner gehören – vielleicht nicht unbedingt zum | |
Schwimmenlernen, aber zumindest zur Abkühlung bei tropischen Temperaturen. | |
Entsprechend gehört diese Grundversorgung in Landeshand. | |
27 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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