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# taz.de -- Ersatz für Baumwolle und Kunstfaser: Die Rückkehr des Hanfs
> Hanf ist zwar eine ökologisch wertvolle Alternative zur Baumwolle, seine
> Verarbeitung aber komplizierter. Doch der Markt wächst.
Bild: Landwirt Wilhelm Schäkel gehört zu denen, die in Deutschland legal Nutz…
Bremen taz | Auf den ersten Blick spricht vieles für den Hanf – und gegen
die Baumwolle – als Textilfaser: Sein ökologischer Fußabdruck ist vor allem
wegen seines Wasserverbrauchs viel kleiner, der Ertrag pro Hektar dafür
viel größer.
Das kann man, mit vielen Zahlen belegt, etwa beim [1][Branchenverband
Cannabiswirtschaft,] aber auch in Untersuchungen nachlesen. Kaum eine
andere Pflanze ist so universell nutzbar wie der sehr reißfeste Hanf. Man
kann daraus neben Kleidung Nahrung, Heilmitteln, Ölen, Papier, Baustoffen
sogar Energie herstellen. Und er kommt anders als Baumwolle ohne Chemie aus
– es gibt in der Europäischen Union dafür eh keine Pflanzenschutzmittel,
die zugelassen sind.
Doch so einfach sich der [2][robuste und tief wurzelnde Hanf] auch
hierzulande anbauen lässt, so schwierig ist seine Weiterverarbeitung
verglichen mit Baumwolle. Bei der wachsen an jedem Samen mehrere Tausend
Einzelfasern, die sich „vergleichsweise leicht verspinnen lassen“, wie
[3][Hans-Jörg Gusovius vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und
Bioökonomie in Potsdam] sagt. Hanf hingegen hat wie Leinen Bastfasern, „und
deren Gewinnung ist sehr arbeitsintensiv“, erklärt der
Agrarwissenschaftler.
Also sind Hanffasern einfach zu teuer? Sie könnten heutzutage je nach
Herkunft und Anwendung schon auch „preiskompatibel“ zur Baumwolle
produziert werden, sagt Gusovius: „Es gibt aber eine Vielzahl von Gründen,
warum Hanf oft teurer vermarktet wird.“ Die Mehrzahl der
Produzent:innen und Konsument:innen sei etwa bei Bekleidung „eher
preissensibel“.
## Die Zeit arbeitet für den Hanf
Manche Käufer:innen sind indes bereit, gerade für Hanfkleidung mehr Geld
auszugeben. Doch der Anteil der Kosten des reinen Stoffs am Preis etwa
einer Jeans ist eher gering. Und natürlich würde vieles aus Hanf billiger,
wenn es wie Sachen aus Baumwolle im großen Maßstab produziert würde.
Zudem ist die Baumwollindustrie, die heute jährlich etwa 25 Millionen
Tonnen produziert, eine sehr etablierte. Teile dieser Produktion durch
umweltfreundlichere Fasern zu ersetzen sei „ein langer Prozess“, sagt
Gusovius. Und es werden ja noch viel mehr Kunstfasern produziert: Laut
Greenpeace wurden 2010 weltweit etwa 40 Millionen Tonnen Polyester
hergestellt, 2030 soll es doppelt so viel sein.
[4][Doch die Zeit arbeitet für den Hanf]: „Der weltweite Faserbedarf
wächst“, sagt Gusovius, so wie die Weltbevölkerung, langfristig schätzt er
die Perspektiven für Hanf als „grundsätzlich positiv“ ein. Denn die
Entwicklungsmöglichkeiten der bisher dominierenden Faserrohstoffe – Erdöl
und Baumwolle – „sind ganz offensichtlich beschränkt“. Doch die
Produktionsprozesse und den Markt für Hanffasern zu entwickeln, „das dauert
einfach länger“, sagt Gusovius.
Dabei waren wir da schon mal viel weiter. Schon 2000 v. Chr. fertigten die
Germanen Mäntel aus Hanf, bis ins 19. Jahrhundert war die Faser für die
europäische Textilindustrie der wichtigste Rohstoff. Doch Spinnmaschinen
für Baumwolle und deren billiger Import verdrängten den Hanf, schon lange
bevor der Anbau hierzulande wegen der repressiven Drogenpolitik verboten
wurde.
Bis heute ist Nutzhanf in Deutschland streng reglementiert, ohnehin dürfen
nur jene 73 Sorten verwendet werden, deren geringer Gehalt an psychoaktivem
THC nachgewiesen ist. Tatsächlich angebaut werden davon nur 17. „Das Wissen
über Hanf ist in Vergessenheit geraten“, seit in den 70er Jahren im Osten
wie im Westen Deutschlands die Produktion eingestellt worden sei, so
Gusovius.
Bekleidung aus Hanf ist immer noch ein Nischenprodukt, obwohl sie
pflegeleicht, atmungsaktiv und antibakteriell ist und zudem gut vor
UV-Strahlen schützt. In einem Großteil der Hanfkleidung, die man inzwischen
bei uns kaufen kann, sind jedoch Fasern aus China verarbeitet – das
schwächt die Ökobilanz des Hanfs.
In Deutschland wurde 2021 laut dem Branchenverband Cannabiswirtschaft von
863 Betrieben auf 6.444 Hektar Hanf angebaut, der Großteil davon in
Niedersachsen (zum Vergleich, in Frankreich waren es 14.500 Hektar). Daraus
werden zumeist Lebensmittel oder nicht psychoaktive Cannabinoide gewonnen.
Oder Dämmstoffe für Häuser – auch das ist ein wachsender Markt. Hanf für
die Textilproduktion macht bisher dagegen nur einen vergleichsweise kleinen
Teil aus. Und es gibt in Deutschland bisher nur drei Betriebe, die
Hanfstroh zu Fasern verarbeiten.
Die Frage ist: Lohnt sich der Hanfanbau überhaupt? Die
[5][genossenschaftlich organisierte Firma „Hanffaser Uckermark“] rechnet
vor, dass Faserhanf 1.225 Euro [6][Flächenkosten pro Hektar verursacht,
Winterweizen aber nur 1.055.] Dafür seien dort 1.700 Euro pro Hektar zu
erlösen, bei Hanf mit 1.760 Euro nur etwas mehr. Der Betrieb bezeichnet
sich selbst als „Textilfabrik“, verdient sein Geld aber in erster Linie mit
Dämmstoffen.
Allerdings spart Hanfanbau Bewässerung und Pestizide, er lockert den Boden,
die ganze Pflanze lässt sich verwerten. „Hanf kann man in der
Landwirtschaft überall in die Fruchtfolge einbauen“, so Gusovius. „Die
Textilwirtschaft in Deutschland ist auf dem Sprung“, sagt Thom Nowotny von
der [7][Deutschen Hanf-Akademie], einer Hanflobby. „Derzeit werden fünf
Textilfabriken für Hanf geplant.“
9 Sep 2022
## LINKS
[1] https://start.cannabiswirtschaft.de/wp-content/uploads/2022/03/ELEMENTE_19_…
[2] https://www.hanffaser.de/uckermark/index.php/uber-hanf/hanfanbau
[3] https://www.atb-potsdam.de/de/ueber-uns/team/mitarbeiter/person/hans-jorg-g…
[4] /Hanf-als-nachhaltiges-Textilmaterial/!5808911
[5] https://www.hanffaser.de/uckermark/
[6] https://www.hanffaser.de/uckermark/index.php/uber-hanf/landwirtschaft
[7] https://www.hanf-akademie.de/
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
nachhaltige Kleidung
Landwirtschaft
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Hanf
Dämmstoff
Schwerpunkt Stadtland
Kasachstan
Hanf
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