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# taz.de -- Ausstellung „Testament von Butscha“: Die Ruhe stören
> In Berlin wird derzeit das „Testament von Butscha“ ausgestellt. Ein
> ausgebranntes Auto wird dabei zum Mahnmal gegen Moskaus Angriffskrieg.
Bild: Ukrainekrieg ganz nahe: die Ausstellung „Testament von Butscha“ am Be…
Das Auto war dunkelblau, erinnert sich Evgenij Mishchenko. Seine Mutter
Tamila und seine 14-jährige Schwester Hanna versuchten am [1][5. März 2022
mit dem Auto aus Butscha zu fliehen]. Sie haben es nicht geschafft. Nachdem
die russische Armee aus dem Kiewer Vorort abgezogen war, fand Evgenij
Mishchenko das Fahrzeug. Es war komplett ausgebrannt. Auf dem Video sieht
man ihn auf dem Autofriedhof in Butscha. Neben ihm die Überreste des Autos,
in dem seine Familie war.
Das ausgebrannte Fahrzeug steht seit Montag am George-Grosz-Platz in
Berlin, direkt am Kurfürstendamm. Es steht auf einem schwarz glänzenden
Sockel, der die Aufschrift „Das Testament von Butscha“ trägt. Geht man ganz
nah ran, dann riecht es nach verbranntem Gummi. Nur die Karosserie ist
übrig geblieben. Im Inneren des Wagens stehen verkrümmt die Skelette von
Lenkrad und Sitzen.
Einschusslöcher gibt es auf der Fahrer- und Beifahrerseite. Auch das
Autodach ist durchlöchert. Am Ku’damm leuchtet es über den Löchern grün,
denn man blickt auf die Baumkrone eines alten Baumes. Über die ganze
Karosserie zieht sich eine bizarre Marmorierung. Die weiße Schicht, die
sich gebildet hat, ist von rostbraunen Schichten durchgezogen.
## Ukrainisch-deutsches Projekt
Dieses Mahnmal, das die [2][Gräuel des russischen Angriffskrieges] in einem
Objekt und an dem Schicksal von zwei Menschen kondensiert, ist bis zum 15.
September am George-Grosz-Platz zu sehen. Flankiert wird es von vier
Mediensäulen, die Informationen zu dem konkreten Ereignis bereitstellen.
Das ukrainisch-deutsche Projekt wurde von Andriy Radnyuk und Roman
Semenyshyn-Braescu initiiert, beide sind Angehörige der ukrainischen
Territorialverteidigung. Der [3][ukrainische Botschafter Andrij Melnyk] hat
die Schirmherrschaft übernommen.
In Berlin wird die Präsentation unterstützend begleitet von Oleksander
Shpak, Tänzer beim Staatsballett Berlin, und der Regnum Legis gGmbH,
Gesellschaft für rechtsstaatliches Bewusstsein, – in Zusammenarbeit mit dem
Bezirksstadtrat für Ordnung, Umwelt, Straßen- und Grünflächenamt.
Bei der Eröffnung benennt Oliver Schruoffeneger (Grüne) seine Motivation,
dieses temporäre Mahnmal gerade am Ku’damm, in unmittelbarer Nähe von
pittoresken Straßencafès und hochpreisigem Konsumangebot zu ermöglichen:
„Wir haben eine enge Partnerschaft mit der ukrainischen Stadt
Kiew-Petschersk. Das bringt uns den Krieg besonders nah. Viele haben uns
gefragt: Müsst ihr den Krieg mit diesem Projekt hierher tragen? Das tun wir
nicht, aber unsere Ruhe, unsere Bequemlichkeit muss gestört werden.“
Schruoffeneger will sensibilisieren. Er möchte Empathie wecken für die
Situation der Menschen in der Ukraine und sieht das als wichtigen
Bestandteil der politischen Bildung. Der ukrainische Botschafter betont in
seiner Eröffnungsrede, dass die russischen Staatsbürger eine
Mitverantwortung für den Krieg tragen: „Es war nicht Putin, sondern es war
ein russischer Soldat, der die Entscheidung getroffen hat, das Auto zu
beschießen.“
## Erfahrungen der Ukraine weitergeben
Hanna Mishchenko, die am 5. März mit nur vierzehn Jahren aus dem Leben
gerissen wurde, hat gern gemalt. Ihre Bilder haben überlebt. Einige sind in
Berlin zu sehen. Sie stehen zum Verkauf, der Erlös soll den Angehörigen der
Kriegsopfer zugute kommen.
Eines ihrer Bilder zeigt einen mit feinem Strich gemalten Hirsch, der
seinen Blick konzentriert auf sein Gegenüber richtet. Sein Geweih hat sich
zu einem Baum ausgewachsen, der drei Mal so groß ist wie der Hirsch selbst.
Blüten ranken sich um die Äste, Vögel sitzen darin, und der Hirsch hält
still, um sie nicht aufzuschrecken.
Andriy Radnyuk und Roman Semenyshyn-Braescu wollen das „Testament von
Butscha“ an so vielen Orten wie möglich zeigen: „Wir möchten die
Erfahrungen der Ukraine weitergeben, damit sich die Tragödie von Butscha
nirgendwo anders ereignet. Denn jeder und jede hätte in diesem Auto sitzen
können.“
24 Aug 2022
## LINKS
[1] /Russische-Propaganda-gegen-Ukraine/!5847102
[2] /Ukrainische-Stadt-als-Kriegsziel/!5864879
[3] /Ukrainischer-Botschafter-in-der-Kritik/!5865345
## AUTOREN
Katja Kollmann
## TAGS
Ausstellung
Berlin
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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