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# taz.de -- Klimakrise und Klimapolitik: Ein Sommer geht zu Ende
> Am Ende des Hitzesommers schaut unser Kolumnist einen Horrorfilm und
> liest in der Bibel. Aber auch dort findet er keine Lösung für die
> Klimakrise.
Bild: Der Mann mit der Aktentasche: Olaf Scholz auf dem Weg zum Gas – äh –…
Der Sommer geht zu Ende! Noch nie klang dieser Satz so vorfreudig wie in
diesem Jahr. Morgens ist jetzt manchmal das Fenster leicht beschlagen, aber
vielleicht liegt das auch am Pfusch am Bau.
Ein Sommer geht zu Ende, den man sich auch als den Beginn eines Horrorfilms
vorstellen könnte. Ein Kameraflug über die französische Atlantikküste. Wir
sehen einen Campingplatz von oben. Idylle. Am Horizont etwas Rauch. Dann
explodieren Gasflaschen, Menschen rennen schreiend aus ihren brennenden
Zelten. Dröhnende Hans-Zimmer-Musik setzt ein. Cut. Eine Fernsehmoderatorin
steht in der Mitte eines ausgetrockneten Flussbettes. Cut. Ein weinender
Fischer zieht tote Fische aus der Oder. Cut. Schwarzer Bildschirm.
In einem Horrorfilm würden in der nächsten Szene die Zombies aus ihren
Löchern steigen. Aber die Realität ist brutaler. Da steigt ein Mann mit
einer Ledertasche aus dem Flugzeug, senkt die Steuern auf Erdgas und grinst
spitzbübisch. Dieser Albtraum heißt [1][Olaf Scholz]. Und die Untoten sind
die Gasunternehmen, die als erstes [2][Robert Habeck] fressen, der in
dieser Geschichte leider auch nicht zum Helden taugt.
Wenn Sie mit apokalyptischen Filmen nichts anfangen können, können Sie ja
die Bibel aus Ihrem Nachtschrank nehmen. Denn auch dort wird der Sommer
2022 und das Fischsterben in der Oder beschrieben. Zum Beispiel im Buch
Hosea: „Darum wird das Land dürre stehen, und alle seine Bewohner werden
dahinwelken; auch die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel
und die Fische im Meer werden weggerafft.“
## Es brennt in der Gegenwart
Ich glaube nicht daran, dass uns ein Gott straft oder rettet, das müssen
wir schon selber tun. Nur war das politische Zeitfenster, in dem eine
Mehrheit der Bevölkerung die Klimakrise nicht mehr geleugnet hat, bis zu
dem Moment, in dem sie mit voller Wucht den Alltag bestimmt, viel zu kurz.
Was folgt daraus?
Eine realistische Klimapolitik kann sich nach diesem Sommer nicht darauf
beschränken, für eine klimaneutrale Welt 2050 zu kämpfen. Vielleicht ist
dieses Ziel sowieso utopisch und unvereinbar mit Moderne.
Seit der Industriellen Revolution steigt die Konzentration von CO2 in der
Luft. Wohlstand für alle, das gab und gibt es nur mit immer mehr CO2. Nur
wenn die Weltwirtschaft zusammenbrach, wie 2009 und 2020, sanken auch die
Emissionen.
Natürlich bleibt das Ziel einer klimaneutralen Welt richtig. Aber dieser
Sommer hat gezeigt, dass es nicht reicht, für ein fernes Ziel zu kämpfen,
wenn schon die Gegenwart brennt.
Wenn die Klimakrise nicht abgewendet werden kann, muss der Mensch sich an
sie anpassen. Klimapolitik muss dann den Kampf gegen die Folgen aufnehmen:
Für das Recht auf Abkühlung. Für eine Gesellschaft, die schneller auf
Katastrophen reagiert und die Swimmingpools genauso fair verteilt werden
wie das [3][Risiko, an der Hitze zu sterben]. [4][Klimaanpassung], das
klingt nicht gerade sexy, denn Anpassung klingt nach Resignation. Aber
vielleicht steckt darin auch die Chance, die Klimafrage und die soziale
Frage miteinander zu versöhnen.
Bisher sieht es leider nicht danach aus. Denn am Ende dieses Sommers
leugnet zwar niemand mehr die Gefahr der Klimakrise. Aber das Einzige, was
an die neue Wirklichkeit angepasst wird, sind die Gasabschläge. Die Angst
der Deutschen vor einem kalten Winter ist gerade größer als die vor einem
heißen Sommer. Denn den gibt es wenigstens kostenlos.
28 Aug 2022
## LINKS
[1] /Olaf-Scholz-zur-Gasumlage/!5875573
[2] /Ankuendigung-Habecks/!5877219
[3] /Hitzetote-in-Deutschland/!5873299
[4] /Schutz-vor-Hitzegefahren/!5873277
## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
Hitzesommer
Schwerpunkt Klimawandel
Kolumne Materie
Energiekrise
Erneuerbare Energien
Die Linke
Christian Lindner
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