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# taz.de -- Deutsch-russische Zusammenarbeit: „Wir arbeiten weiter, nur nicht…
> Unter anderem DAAD und DFG stellen die institutionelle Zusammenarbeit mit
> russischen Instituten ein. Sie reagieren auf Russlands Angriffskrieg.
Bild: Leseraum in der russischen Staatsbibliothek Moskau
Berlin taz | Im September 2014 eröffnet in Kasan, der sechstgrößten Stadt
in Russland, das German-Russian Institute of Advanced Technologies, kurz:
GRIAT. Anfangs bauen zwei deutsche Hochschulen dort
ingenieurwissenschaftliche Masterstudiengänge auf, 2016 kommt eine dritte
hinzu. Insgesamt neun Studiengänge mit Doppelabschluss können russische
Studierende mittlerweile an der renommierten Kasaner Nationalen Technischen
Forschungs-Universität belegen. Doch dann [1][marschiert Russland in die
Ukraine ein] – seither liegen alle Hochschulkooperationen auf Eis.
Am 25. Februar 2022, am Tag nach dem Angriff auf die Ukraine,
veröffentlicht die Allianz der Wissenschaftsorganisationen ein Statement.
Die wichtigsten deutschen Forschungseinrichtungen sind sich einig: Die
Kooperationen und der Austausch mit der Ukraine sollen gestärkt, die mit
Russland hingegen eingefroren werden. Keine deutschen Forschungsgelder
sollen Russland in irgendeiner Weise mehr zugutekommen.
Zu dem Zeitpunkt zählt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) 887
Austauschprojekte mit Russland. Allein die Deutsche Forschungsgemeinschaft
(DFG) fördert 183 deutsch-russische Forschungskooperationen. Russische
Studierende stellen an deutschen Hochschulen bis dahin die fünftgrößte
Gruppe innerhalb der internationalen Studierenden dar. Der akademische
Austausch, der Deutschland und Russland seit Jahrhunderten verbindet, reißt
plötzlich ab – auch beim Leuchtturmprojekt in Kasan.
Mit welchen Folgen, kann Peter Scharff von der Technischen Universität
Ilmenau berichten, einer der drei beteiligten deutschen Hochschulen: „Das
Projekt läuft auf russischer Seite und es läuft auf deutscher Seite weiter,
wir arbeiten nur nicht mehr gemeinsam.“ Scharff, von 2004 bis 2020 Rektor
der TU Ilmenau, leitete GRIAT von Ilmenauer Seite aus. Gefördert wurde das
Projekt unter anderem vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD).
## Die russische Wissenschaftselite unterstützt den Krieg
Heute vergibt die Universitätsleitung keine Doppelabschlüsse mehr. Die
Professor:innen fliegen nicht mehr nach Russland. Digitale
Lehrveranstaltungen sind ausgesetzt. Offiziell ist das Projekt auf Eis
gelegt, erzählt Scharff. Das heißt aber nicht, dass die Kontakte gänzlich
ruhen. Alle ein bis zwei Wochen sehen sich die
Projektkoordinator:innen aus beiden Ländern immer noch digital und
tauschen sich aus. Der deutsche Institutsdirektor ist auch immer noch vor
Ort in Kasan.
„Wir geben noch nicht auf. Das Projekt ist nicht abgebrochen, nur erst mal
unterbrochen“, sagt Scharff. Er war oft in Russland, aber auch in der
Ukraine und hat Kolleg:innen in beiden Ländern. Scharff weiß, dass sein
Projekt wegen der russischen Aggression abgebrochen worden ist. Dennoch hat
er das Gefühl, mit dieser Strafe mitunter die Falschen zu treffen. „Es ist
alles furchtbar. Gerade in der Wissenschaft sind viele Menschen in Russland
schockiert von dem Krieg“.
Doch das stimmt nur zum Teil. Anfang März veröffentlichen mehr als 700
russische Universitätsdirektor:innen einen Brief, in dem sie die
russische Regierung und den Krieg offen unterstützen. Die russische
Wissenschaftselite unterstützt den Kurs der Regierung.
Zwar haben mehr als 8.000 russische Wissenschaftler:innen und
Wissenschaftsjournalist:innen den Krieg in einem Brief verurteilt.
Die leitenden Stellen stellen sich aber weiter offiziell hinter den Kreml
und seine außenpolitischen Ziele in der Ukraine. Ein Dilemma, weiß auch
DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee. „Wir wissen, dass dieser Schritt auch
Ungerechtigkeiten schafft und zahlreiche Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler sowie Studierende trifft, die sich für friedliche und
rechtsstaatliche Verhältnisse sowie gute nachbarschaftliche Beziehungen
einsetzen“.
## Geld ist das Hauptproblem
Auch der DAAD brach am 25. Februar die Beziehungen zu Russland ab.
Zumindest von deutscher Seite aus nach Russland. Andersherum, betont der
DAAD, werden weiterhin Stipendien an russische Wissenschaftler:innen
und Studierende vergeben. So wurden seit Beginn des Angriffskriegs 82
Stipendien für russische Staatsbürger:innen zugesagt.
Auch die Gelder für die 183 deutsch-russische Forschungskooperationen der
DFG fließen weiter. Allein für das Jahr 2022 wurden für diese Projekte 14,5
Millionen Euro Fördermittel bewilligt. Allerdings dürfen diese Mittel nur
noch auf deutscher Seite genutzt werden, schreibt DFG-Präsidentin Katja
Becker im hauseigenen Magazin forschung.
Eins der betroffenen Projekte ist der Sonderforschungsbereich zu
Quantentechnologie an der Technischen Universität Dortmund. Eigentlich
haben die Physiker:innen der TU Dortmund gemeinsam mit der Staatlichen
Universität und dem Ioffe-Institut in Sankt Petersburg geforscht. Das
Problem jetzt: „Da unser Sonderforschungsbereich ein Kooperationsprojekt
war, treffen die Sanktionen das Projekt natürlich zentral“, erklärt Marc
Aßmann. Der Professor für Physik leitet eins der noch laufenden 24
Unterprojekte.
Acht Jahre lang hat die DFG das Projekt gefördert, es stand kurz vor
Abschluss der zweiten Phase und hätte noch ein Mal um vier Jahre verlängert
werden können. „Am härtesten trifft es die Doktoranden“, erzählt Aßmann…
taz. „Die Forschungsphase geht jetzt wie geplant zu Ende, doch ein Teil
fehlt nun.“ Die meisten Abschlussarbeiten würden über Drittmittel der DFG
finanziert. Diese Mittel seien aber befristet. Das Umsteuern des Projekts
auf andere Partneruniversitäten oder zur Zusammenarbeit mit anderen
Wissenschaftler:innen koste vor allem Zeit. Und die ist durch die
Befristung der Gelder nicht gegeben.
Zu dem kommt: Die Institute in Deutschland und Russland haben sich die
Arbeit teilweise aufgeteilt. Forscher:innen konnten damit rechnen, auf
Forschungsergebnisse der jeweils anderen Seite zurückgreifen zu können:
„Zum Beispiel gab es Projekte, in denen die Experimente hier in Dortmund
durchgeführt wurden“, erklärt Aßmann. Die Theorie für die im Experiment
beobachteten Ergebnisse sei aber in Sankt Petersburg entwickelt worden.
Ohne die Theorie, so Aßmann, fehlt ein großer Teil der Experimente und der
Abschlussarbeiten.
Hinter dem Titel des Gesamtprojekts „Kohärente Manipulation
wechselwirkender Spinanregungen in maßgeschneiderten Halbleitern“ steht
Grundlagenforschung. Sie soll dazu dienen, immer kleinere Prozessoren für
Computer und Handys herstellen zu können. Aktuell ist ein Limit erreicht.
Die Forscher:innen der TU Dortmund wollen herausfinden, wie sich
Störeffekte der Elektronen bei noch kleineren Chips vermeiden lassen.
Weil die russischen Partner weggefallen sind, muss die TU Dortmund teils
auf andere Kooperationspartner ausweichen, teils Arbeiten thematisch neu
ausrichten. Das Hauptproblem aber sei das Geld. „Wir versuchen natürlich
gerade Verzögerungen für die Leute, die im Projekt beschäftigt sind, zu
minimieren, damit ihnen durch das Ende des Projekts möglichst keine
Nachteile entstehen“, sagt Aßmann. „Das ist aber nicht immer ganz einfach.…
Umfassend aktualisiert am 10.08.2022 um 14:00 Uhr. d. R.
10 Aug 2022
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## AUTOREN
Anne Frieda Müller
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