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# taz.de -- Die Wahrheit: Molly Bluhm meets Rolf Eden sel.
> In der vorigen Woche verstarb Berlins führender Schwerenöter. Vor langer
> Zeit traf der Großmausler und Oberpuderer einmal eine illustre Dame.
Bild: Sanft würden die ersten Flocken des Winters alle Probleme dieser düster…
Eines Tages kam die Chefredaktion der taz auf die Schnapsidee, unseren
Irland-Korrespondenten Ralf Sotscheck für drei Monate als Chef des
Berlin-Ressorts einzusetzen. Als gebürtiger Berliner mit weltoffenem Blick
würde er der etwas zu lokalen Redaktion gut tun, so der Gedanke. Eine
Schnapsidee war es insofern, weil Sotscheck seine grüne Insel schon bald
sehr vermisste und Heimweh bekam – und weil er allerlei verrückte Ideen
hatte.
Im Berlin des Jahres 1999 prägten die beiden Spitzenkräfte Eberhard Diepgen
(CDU) und Walter Momper (SPD) den Wahlkampf um das Amt des Regierenden
Bürgermeisters. In seiner neuen Funktion als Ressort-Chef ließ Sotscheck
nun diverse Autoren mit eben nicht dem handelsüblichen landespolitischen
Hintergrund über typische Figuren des Berliner Stadtlebens schreiben –
beispielsweise in der Rubrik „Diepgen des Tages“, als Anlehnung an die
„Gurke des Tages“ auf der Wahrheit-Seite.
Mich setzte Sotscheck auf den damals bereits antiken Schwerenöter Rolf Eden
an und verpasste mir den Decknamen „Molly Bluhm“. Eine Anspielung auf die
weibliche Hauptfigur aus James Joyce’ Roman „Ulysses“. Mit dem „Schimmer
der Huren in ihren schläfrigen Augen“ sollte ich mich schriftlich an Eden
heranmachen.
Er verströme „einen leicht käsigen Geruch“ und habe eine „Wellpappe von
Gesichtshaut“, beschrieb ich den „Großmausler“ und „Oberpuderer“, de…
als Molly Bluhm angeblich getroffen hatte. Er sei nichts als blond: „Er
trägt ein blondes Smokingjackett, fährt einen blonden Rolls-Royce und liebt
blonde Häschen. Bereits am Nachmittag bürstet er das erste blonde Fell.“
Selbstverständlich wähle er beide, „Diepgen und Momper“, dichtete ich Eden
an. Denn: „Wir Männer müssen doch zusammenhalten.“ Worüber er heftig lac…
muss, „bis ein Husten ihn unterbricht und ein blonder Auswurf auf dem
Parkett einen hässlich glänzenden Fleck hinterlässt. Zeitlupenlangsam
erhebt sich eins der ‚Girls‘ an seiner Seite, geht in die Knie und leckt
das Nass zufrieden auf.“
Gerade diese leicht eklige Stelle muss ihm gut gefallen haben, denn nach
Erscheinen der Glosse schickte Eden ein Fax mit dem Wunsch, Molly Bluhm
kennenzulernen: „Anbei erhalten Sie ein Brief an Ihrer freien Mitarbeiterin
Frau Molly Bluhm.“ Drei Fehler in einem Satz, wahrscheinlich hatte er den
Brief einem seiner Häschen diktiert.
Sotscheck war begeistert und beauftragte mich, Eden öffentlich zu
antworten. „Wenn Sie Lust und Zeit haben, rufen Sie mich bitte an“, hatte
der letzte Westberliner Charmeur mit seiner Handy-Nummer gelockt. Ich gab
ihm einen Korb: „Eher ziehe ich mich für den echten Playboy aus, als Sie
ein wenig mehr kennenzulernen.“
In der vorigen Woche verstarb Rolf Eden im Alter von 92 Jahren. Und Molly
Bluhm bedauert es inzwischen schon ein wenig, die alte blonde Bürste nicht
getroffen zu haben. Sein Samen ruhe in Frieden.
16 Aug 2022
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
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