Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vorzeitige Entlassungspraxis in Berlin: Zeit, Hausaufgaben zu machen
> Berlin wird rot-grün-rot regiert, aber Knackis haben in der Hauptstadt
> nach wie vor keine Lobby.
Bild: Haftanstalt Tegel
Keine öffentliche Empörung, nichts folgte, als in dieser Woche die Zahlen
bekannt gegeben wurden: [1][Berlin schneidet im Bundesvergleich fast am
schlechtesten] ab, wenn es um die vorzeitige Entlassung aus Strafhaft geht.
Nur jeder zehnte Häftling kommt nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner
Strafe vorzeitig frei.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Immerhin wird die
Hauptstadt seit annähernd 6 Jahren von rot-rot-grünen oder rot-grün-roten
Koalitionen regiert, die sich die Vermeidung von Haftstrafen auf die Fahnen
geschrieben haben. Aber Knackis haben in Berlin nach wie vor keine Lobby.
In Bremen, Hessen und Baden-Württemberg wird fast jeder fünfte Häftling
vorzeitig entlassen, nur in Sachsen-Anhalt ist die Quote schlechter als in
Berlin. Es ist noch gar nicht so lange her, da lag die vorzeitige
Entlassungsrate in Berlin sogar bei nur 6 Prozent.
Angesichts der Tatsache, dass ein Grüner in der letzten Legislaturperiode
als Justizsenator die Strippen zog, hätte man da einen deutlicheren Anstieg
erwartet. Solange er in der Opposition war, hatte Dirk Behrendt stets
vollmundig die Missstände beklagt. Wenigstens das hat er als Justizsenator
dann aber auf den Weg gebracht: Der Kriminologische Dienst untersucht in
einer wissenschaftlichen Studie, woran es liegt, dass es in Berlin so
selten zu vorzeitigen Entlassungen kommt.
## Die Gründe sind bekannt
Eine solide Datengrundlage könnte helfen, wenngleich die wesentlichen
Gründe für Strafvollzugsexperten wie den langjährigen [2][Vorsitzenden des
Berliner Vollzugsbeirats, Olaf Heischel,] auch so feststehen: mangelnder
Mut der Haftanstalten, positive Prognosen für die vorzeitige Entlassung zu
stellen, sowie eine sehr restriktive Rechtsprechung der
Strafvollstreckungskammern am Landgericht. Die haben die letzte
Entscheidung.
Wenn es keinen Veränderungswillen gibt, nützen aber auch die besten Studien
nichts. Zuständige Fachreferenten der Senatsverwaltung für Justiz haben
gerade unlängst wieder gegenüber der taz angeführt, dass Berlin im
bundesweiten Vergleich gar nicht so schlecht da stehe, wie behauptet werde.
Schließlich sei die Hauptstadt führend, was den offenen Vollzug angehe. Mit
Verlaub, da werden Äpfel mit Birnen vergleichen.
Machen wir einen Faktencheck: Die absolute Mehrzahl der Berliner Gefangenen
sind Männer; 2.264 sitzen aktuell im geschlossenen Vollzug ein. Im offenen
Vollzug befinden sich 679 – eine Quote von rund 30 Prozent aller männlichen
Gefangenen. Der offene Vollzug ermöglicht, ein Leben in Freiheit zu
erproben. Die Insassen gehen außerhalb der Anstalt zur Arbeit und dürfen
teilweise an Wochenenden zu Hause schlafen. Das ist zu begrüßen. Zum
Vergleich: In Bayern liegen die Prozentzahlen der Gefangenen, die in den
offenen Vollzug kommen, im einstelligen Bereich.
Auf eine Entlassung nach zwei Dritteln ihrer Strafe können aber auch die
Insassen des offenen Vollzugs in Berlin nur vergleichsweise selten hoffen.
Wäre es anders, lägen die Zahlen der vorzeitigen Entlassungen nicht bei 11,
sondern bei 25 bis 30 Prozent. Wenn sich schon diese Gefangenen keine
Hoffnungen machen können, dann die Insassen des geschlossenen Vollzugs erst
recht nicht.
Diese Praxis muss sich ändern. Es ist Zeit, dass die rot-grün-rote
Landesregierung ihre Hausaufgaben macht. Allen voran [3][Justiz-Senatorin
Lena Kreck (Linkspartei),] die in Antrittsinterviews Anfang des Jahres
stets betonte: Der Knast sei nur die Ultima Ratio.
16 Jul 2022
## LINKS
[1] /Strafvollzug-in-Berlin/!5864259
[2] /Strafvollzug-in-Berlin/!5829677
[3] /Berliner-Senatorin-ueber-linke-Justizpolitik/!5828727
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Berlin
Lena Kreck
Strafvollzug
Lena Kreck
Strafvollzug
Lena Kreck
Repression
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Senatorin verzichtet auf Titel: Kreck ist nicht mehr Professorin
Berlins linke Justizsenatorin arbeitet weiter für ihre einstige Hochschule.
Nach viel Kritik will sie ihren Professorinnentitel aber nicht mehr führen.
Strafvollzug in Berlin: Berlin lässt Knackis länger sitzen
Nur jeder zehnte Häftling wird in Berlin nach zwei Dritteln seiner Strafe
entlassen. In fast keinem anderen Bundesland ist die Quote niedriger.
Strafvollzug in Berlin: Kein guter Ort für Gefangene
Der Berliner Vollzugsbeirat appelliert an neue Justizsenatorin, die
Teilanstalt II in der JVA Tegel zu schließen. Die Bedingungen dort seien
unwürdig.
Berliner Senatorin über linke Justizpolitik: „Der Knast ist nur Ultima Ratio…
In Berlin stellt jetzt die Linke die Justizsenatorin. Lena Kreck über
Repression, Ersatzstrafen für Schwarzfahrer_innen und die Öffnung aller
Knäste.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.