# taz.de -- Spannungen zwischen Kosovo und Serbien: Nummernschilder als Zankapf… | |
> Nach Barrikaden und Schüssen an der Grenze zu Serbien hat die Regierung | |
> im Kosovo neue Einreiseregeln verschoben. Droht nun eine Eskalation? | |
Bild: Kosorvarische Polizisten bei einer Kontrolle am 1. August bei Zupče | |
SPLIT taz | Als serbische Extremisten im Nordkosovo am Wochenende Straßen | |
blockiert und sogar Schüsse auf kosovarische Polizisten abgegeben haben, | |
war es nicht der erste Vorfall dieser Art. [1][Barrikaden wurden in den | |
letzten Jahren immer wieder gebaut], der Verkehr zwischen den Nachbarn | |
Serbien und Kosovo dadurch unterbrochen. Meist reicht eine Kleinigkeit für | |
eine erneute Eskalation an der Grenze. Diesmal geht es um Einreiseregeln. | |
Autos mit kosovarischen Nummernschildern dürfen bislang nicht nach Serbien | |
einreisen, sie müssen an der Grenze provisorische serbische Nummernschilder | |
benutzen. Kosovo will deshalb jetzt im Gegenzug Autofahrer aus dem vor | |
allem von Serben bewohnten Teil Nordkosovos nicht mehr mit serbischen | |
Nummernschildern wie bisher ins Land einreisen lassen. Die serbische | |
Bevölkerung in Nordkosovo soll in Zukunft kosovarische Autonummern und auch | |
Personaldokumente nutzen. Die Serben aus Nordkosovo und Nordmitrovica | |
sollen in Zukunft als kosovarische Staatsbürger behandelt werden. | |
Diese Regelung sollte am 1. August in Kraft treten. Für internationale | |
Diplomaten wie die US-amerikanische Botschaft im Land ist klar, dass Kosovo | |
lediglich eine Gleichbehandlung fordert, die Serbien aber bisher partout | |
verweigert. | |
Belgrad erkennt die staatliche Unabhängigkeit Kosovos, die das Land 2008 | |
ausgerufen hatte, immer noch nicht an. In der serbischen Verfassung wird | |
Kosovo weiterhin als autonome Provinz Serbiens aufgeführt. | |
Obwohl Kosovo von über 100 Staaten der Welt diplomatisch anerkannt ist, | |
versucht Serbien alles, dessen politische und wirtschaftliche Entwicklung | |
zu behindern. Als 2010 die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den | |
[2][Eintritt Serbiens in die EU] von einem Verhandlungsprozess mit Kosovo | |
abhängig gemacht hatte, der letztlich in der diplomatischen Anerkennung des | |
Landes münden sollte, sind Erfolge in diesem Friedensprozess rar gesät. | |
Auch in Fragen wie der der Autokennzeichen und der Personalpapiere ist man | |
nicht weiter gekommen. | |
## Serbiens Einfluss im Nordkosovo | |
Die geplante Verschärfung der Einreiseregeln wurde nach Bitten der EU und | |
der USA um vier Wochen verschoben und soll nun ab dem 1. September | |
umgesetzt werden. Kosovos Regierungschef Albin Kurti forderte jedoch, | |
zuerst müssten die serbischen Barrikaden an der Grenze abgebaut werden. | |
Laut dem staatlichen serbischen Fernsehen RTS kamen militante Serben der | |
Forderung am Montag nach. | |
Während in den südlichen Enklaven des mehrheitlich von Albanern besiedelten | |
Kosovo Serben problemlos leben und arbeiten können, wie die Kurti-Regierung | |
betont, hat Belgrad nach wie vor großen Einfluss auf den Norden Kosovos. | |
Dort schürt die serbische Regierung immer wieder Spannungen. | |
So machten Kurti und die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani den | |
serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić für die Proteste gegen die neuen | |
Vorschriften verantwortlich. Osmani und Kurti warnen die internationale | |
Gemeinschaft schon seit Langem vor der Gefahr koordinierter serbischer und | |
[3][russischer Aktivitäten auf dem Balkan]. Nicht nur sie sehen in dem | |
Projekt „Serbische Welt“, das heißt der Koordinierung der serbischen | |
Einflussbereiche in Kosovo, Montenegro und Bosnien und Herzegowina mit der | |
prorussischen Politik Belgrads, eine große Gefahr für die Stabilität der | |
Region und Europas. | |
## KFOR in Alarmbereitschaft | |
Vučić hingegen beschuldigte die kosovarische Regierung, die Spannungen vom | |
Wochenende ausgelöst zu haben. Kurti spiele sich auf wie der ukrainische | |
Präsident Wolodimir Selenski. Vučić traf sich mit serbischen Generälen, um | |
eine Drohkulisse aufzubauen. Und nicht nur diese Drohung steht im Raum: | |
Russisches Militär ist nicht einmal 150 Kilometer von Prishtina entfernt in | |
der südserbischen Stadt Niš stationiert. | |
Zu einer solchen Eskalation wird es wohl nicht kommen, aber die | |
internationale Dimension des Konfliktes in Kosovo ist nicht zu | |
unterschätzen. Die dortige Friedensmission KFOR wird von der Nato angeführt | |
und von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und anderen Staaten | |
unterstützt. Rund 3.800 Soldaten aus 28 Ländern sind an der Mission | |
beteiligt – auch 70 Soldaten der Bundeswehr. | |
In einem Statement heißt es, die Lage in den nördlichen Regionen des Kosovo | |
sei angespannt. Die KFOR sei jedoch bereit einzugreifen, „falls die | |
Stabilität in der Region auf dem Spiel steht“. | |
1 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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