# taz.de -- Bekämpfung der Tigermücke: „Niemand möchte diese Mücke haben�… | |
> Die Tigermücke muss weg, bevor sie sich ausbreitet, sagt Insektenexpertin | |
> Doreen Werner. Aber was heißt das für andere Arten oder den Gartenteich? | |
Bild: Mahlzeit! Tigermücke bei der Nahrungsaufnahme | |
taz: Frau Werner, Sie haben mit Ihrem Institut vor Kurzem [1][erstmalig | |
nachgewiesen, dass die Asiatische Tigermücke in Berlin überwintert hat]. | |
Wie gefährlich kann sie für uns werden? | |
Doreen Werner: Die Gefährlichkeit von Mücken besteht in ihrer Kompetenz, | |
Krankheitserreger zu übertragen. Per se ist auch die Asiatische Tigermücke | |
erst mal nur lästig, weil sie eine Blutmahlzeit aufnehmen muss, uns also | |
sticht. Aber aus zahlreichen Studien wissen wir, dass sie über 20 | |
verschiedene Krankheitserreger übertragen kann. Wenn wir nun einen | |
Reiserückkehrer, der sich in den Tropen mit dem Dengue- oder | |
Chikungunya-Virus infiziert hat, mit dieser Mücke zusammenbringen, kann es | |
zur Übertragung dieser Erreger auf die Mücke kommen – und die Mücke ist in | |
der Lage, diese Erreger weiterzugeben. | |
Warum können das unsere heimischen Stechmücken nicht? | |
Wir haben in Deutschland über 50 verschiedene Stechmückenarten, und einige | |
davon sind durchaus kompetent dafür, Krankheitserreger zu übertragen. Es | |
gibt auch entsprechende Viren, die in Deutschland zirkulieren, aber die | |
sind nicht so gefährlich, dass sie zu Todesfällen führen können. Oft | |
verursachen sie nur leichte Beschwerden. Problematischer ist da schon das | |
West-Nil-Virus, das hier seit 2018 zirkuliert und auch von heimischen | |
Stechmücken übertragen wird. | |
Kann man die Stiche der Tigermücke eigentlich von anderen unterscheiden? | |
Viele assoziieren mit „Tigermücke“ eine besonders große Mücke. Tatsächl… | |
handelt es sich um eher kleine Mücken, und ihre Stiche – also etwa der | |
Juckreiz, den sie verursachen – unterscheiden sich nicht grundsätzlich von | |
denen anderer Mückenarten. | |
Dass die Tigermücke im Norden Deutschlands nicht schon länger lebt, hat ja | |
offenbar damit zu tun, dass es hier auch mal sehr kalte Frostperioden gibt. | |
Die werden vielleicht seltener, aber im Prinzip müssten wir doch jetzt nur | |
auf einen strengen Winter warten. | |
Es ist richtig, dass die Tigermücke im Gegensatz zu anderen invasiven | |
Mücken als wärmeliebende Art gilt, und wir dachten noch vor einigen Jahren, | |
dass vielleicht die kälteren Wintermonate dafür sorgen könnten, dass sie | |
sich in Deutschland nicht ansiedelt. Leider wurden wir eines Besseren | |
belehrt: Nach unseren Untersuchungen kann sie auch die eisigen | |
Temperaturen, die hier manchmal im Winter herrschen, für eine gewisse Zeit | |
überstehen. | |
Das klingt nicht so gut – und [2][der Senat ruft ja auch zur Bekämpfung] | |
der Tigermücke auf. Aber kann man eine einzelne Art bekämpfen? Richten sich | |
nicht alle denkbaren Maßnahmen ganz generell gegen Mücken, vielleicht sogar | |
andere Insekten? | |
Die Asiatische Tigermücke ist sehr eng an den urbanen Lebensraum, also den | |
Wohnbereich des Menschen, gebunden. Hier besiedelt sie kleinste | |
Wasserbestände wie Untersetzer von Blumentöpfen, Gießkannen, Vasen, die | |
draußen stehen, oder auch Regentonnen. In diesen kleinen Wasseransammlungen | |
kann man nun ganz gezielt ein toxisches Einweiß des Bacillus thuringiensis | |
israelensis (Bti) einsetzen. Dieses Mittel sollte von Experten ausgebracht | |
werden, aber jeder einzelne kann dafür sorgen, dass es weniger von diesen | |
Brutstätten gibt. Wenn man nun zügig mit der Bekämpfung anfängt und nicht | |
wartet, bis die Tigermücke sich ausgebreitet hat, kann man sie | |
möglicherweise noch gut unter Kontrolle bekommen. | |
Aber dieses Toxin tötet doch auch andere Mücken, oder? | |
Ja, wenn man die Bruthabitate der Tigermücke bekämpft, trifft das | |
sicherlich auch die Gemeine Hausmücke, die in Deutschland flächendeckend | |
verbreitet ist, zu. Aber Mücken haben ein sehr gutes Fortpflanzungsschema, | |
und wir können sicher sein, dass diese Mücke den Weg zurück finden wird. | |
Ich frage deshalb, weil die Bekämpfung einzelner Arten immer in die | |
ökologischen Kreisläufe eingreift. Mücken sind ja Nahrung für alle | |
möglichen anderen Tiere. | |
Das ist richtig, Mücken in ihrer Gesamtheit stellen einen wesentlichen | |
Faktor im ökologischen Gefüge dar. Aber ich kann Ihnen versichern, dass | |
keiner von uns die Asiatische Tigermücke haben möchte. Ich möchte nicht | |
diejenige sein, die Dengue oder Chikungunya bekommt oder einen Todesfall in | |
der Familie zu beklagen hat. Und dabei bin ich überhaupt kein Freund von | |
Panikmache. Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung ist in Deutschland | |
derzeit noch relativ gering, aber nicht bei Null. Von daher ist eine | |
Bekämpfung wirklich anzuraten. Dort, wo sich die Tigermücke entwickelt, | |
also in künstlichen Kleingewässern im Siedlungsbereich, kommen bei einer | |
fachgerechten Bekämpfung keine anderen Insekten zu Schaden. Und das | |
Bti-Toxin wirkt tatsächlich nur bei Larven aus der Gruppe der Mücken. | |
Nachgewiesen wurde die Tigermücken-Population in einem Kleingartenverein. | |
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Gartenteiche wichtige Biotope sein | |
können. Müssen die jetzt trockengelegt werden? | |
Gartenteiche sind von der Bekämpfung überhaupt nicht betroffen. In denen | |
gibt es so viele natürliche Gegenspieler der Mückenlarven, z.B. räuberisch | |
lebende Insekten wie Libellen oder auch andere Insektenlarven, dass sie | |
schon für die Reduktion der Mücken sorgen. Und wenn auch noch Frösche oder | |
Fische darin zu finden sind, haben Mückenlarven überhaupt keine Chance. | |
Überlebt nicht ein gewisser Anteil der Mücken trotzdem? Sonst würden die | |
Mücken ja – platt gesagt – keine Eier mehr in Teichen ablegen. | |
Im Gartenteich sind Mücken wirklich ein Teil des Nahrungsnetzes und tragen | |
dazu bei, andere Insekten oder andere Tierarten mit Futter zu versorgen. | |
Daher weichen sie auch auf andere Bruthabitate aus, in denen keine | |
natürlichen Fressfeinde auftreten, nämlich die besagten Kleinstansammlungen | |
von Wasser. | |
Nun gibt es die Tigermücke nachweislich in Treptow. Sollte die Bekämpfung | |
trotzdem gleich stadtweit stattfinden? | |
Das A und O ist jetzt das Auffinden der Populationen. Dazu dient unser | |
[3][Citizen-Science-Projekt „Mückenatlas“], bei dem interessierte Bürger | |
eingeladen sind, uns Stechmücken zuzuschicken. Wenn wir darüber Hinweise | |
finden, dass sich die Tigermücke an einem Ort etabliert hat, führen wir als | |
Wissenschaftler ein kleinräumiges Stechmücken-Monitoring durch: Hat sich | |
die Mücke wirklich dort angesiedelt? Lassen sich mehrere | |
Entwicklungsstadien finden? Dann kommunizieren wir das den Behörden, und | |
die Bekämpfung wird in Gang gesetzt. | |
Das heißt, die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger ist weiterhin wichtig? | |
Sie ist enorm wichtig und gewollt. Letztendlich betreibt jeder | |
Gesundheitsfürsorge für sich selbst und andere, wenn er bei dem Projekt | |
mitmacht. | |
Sie haben das Bakterientoxin angesprochen, es gibt aber auch andere | |
Strategien, in den USA etwa das Ausbringen gentechnisch veränderter Mücken, | |
die nur noch männliche Nachkommen erzeugt. Ist so was auch sinnvoll oder | |
eher gefährlich? | |
Das Ausbringen gentechnisch veränderter Mücken wäre in Deutschland nicht | |
akzeptabel und ist unter den aktuellen epidemiologischen Bedingungen auch | |
gar nicht nötig. In Baden-Württemberg werden aber zum Beispiel schon | |
bestrahlte Stechmücken-Männchen ausgesetzt. Sie sind steril, und nach der | |
der Kopulation entstehen nur unbefruchtete Eier. Aber das ist eigentlich | |
erst ein Thema, wenn die Population schon so groß ist, dass man mit einer | |
Haus-zu-Haus-Begehung und der individuellen Bekämpfung in den | |
Wasserbehältern nicht mehr nachkommt. | |
26 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Asiatische-Tigermuecke-in-Berlin/!5865890 | |
[2] https://www.berlin.de/lageso/gesundheit/gesundheitsschutz/umweltbezogener-g… | |
[3] https://mueckenatlas.com/ | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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