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# taz.de -- Tigermücke in Berlin: Noch kein Dengue-Alarm an der Spree
> Das Land entwickelt Maßnahmen gegen die aus den Tropen eingewanderte
> Tigermücke. Experten warnen aber davor, das Bad mit der Mücke
> auszuschütten.
Bild: Grazil, stechfreudig und manchmal auch gefährlich: Tigermücke
Berlin taz | Sie kommt, nein, sie ist schon da und verbreitet Unruhe: Die
Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), eine kleine Blutsaugerin, die
sich vor allem in einem von den hier seit Langem heimischen Mücken
unterscheidet. Im Gegensatz zu diesen kann sie [1][gefährliche Viren –
Dengue, Zika, Chikungunya – von erkrankten auf gesunde Menschen
übertragen]. 2022 wurde in einer Kleingartenanlage in Treptow erstmals eine
Population nachgewiesen, die hier überwintert hat. Nachdem dieses Jahr auch
in Neukölln weitere Vorkommen belegt wurden, warnt die Senatsverwaltung für
Gesundheit nun noch einmal nachdrücklich vor den Risiken und kündigt
Gegenmaßnahmen an.
In einer konzertierten Aktion wollen das Haus von Senatorin Ina Czyborra
(SPD), die Gesundheitsämter der Bezirke und das Landesamt für Gesundheit
und Soziales (Lageso) dem Tier den Garaus machen. Die Koordination soll das
Gesundheitsamt Mitte übernehmen, das als Anlaufstelle fungiert: „Berliner
und Berlinerinnen können sich an uns wenden, wenn sie glauben, dass sie von
einer Tigermücke gestochen wurden, wenn sie eine Häufung von Stechmücken
besonders tagsüber festgestellt haben oder den Verdacht haben, eine
Tigermücke gefangen zu haben“, sagt Amtsarzt Lukas Murajda. „Wir werden
dann die Fälle genau beobachten und uns gegebenenfalls in Absprache mit dem
betroffenen Bezirk und dem Lageso ein Bild vor Ort machen.“
Welche konkreten Maßnahmen dann folgen, stehe noch nicht fest und werde
künftig in einer „multiprofessionellen Arbeitsgruppe“ definiert, wie die
Senatsverwaltung der taz bestätigte. Schon jetzt aber gibt sie
Handlungsempfehlungen, die die Ausbreitung von Aedes albopictus stoppen
sollen. Vor allem sollen GartenbesitzerInnen verhindern, dass sich stehende
Wasseransammlungen bilden, in denen sich die Mückenlarven entwickeln. Das
fängt bei leeren Blumentöpfen und Abdeckplanen an, Vogeltränken und
Regenrinnen sollen regelmäßig gereinigt, Regentonnen mit Netzen abgedeckt
werden. „Fördern Sie Fressfeinde wie Libellen oder Vögel“, heißt es
abschließend [2][auf der Website der Gesundheitsverwaltung].
Spätestens an dieser Stelle tun sich freilich Fragen auf: Wie fördert man
Fressfeinde, wenn man ihnen gleichzeitig eine Nahrungsquelle entzieht? Sind
Mücken – in erträglicher Zahl – nicht ein wichtiger Teil der Nahrungskett…
Müssten die unzähligen Gartenteiche, die ökologisch bewusste GärtnerInnen
angelegt haben, nicht konsequenterweise auch ausgetrocknet werden? Lässt
sich die Ausbreitung der Art am Ende wirklich verhindern? Und wie
gefährlich ist sie überhaupt?
## Alles ruhig in Italien
Letzteres ist gar nicht so einfach zu sagen. Krankheiten wie Dengue sind in
jeder Hinsicht ein Übel, und in tropischen Regionen, wo das Virus endemisch
ist, sind Tigermücken die wichtigste Verbreitungsform. Allerdings zeigt ein
Blick etwa nach Italien, wo die Mücke aufgrund des dortigen Klimas längst
flächendeckend heimisch geworden ist, dass eine Ausbreitung kein
Selbstläufer ist: WissenschaftlerInnen [3][kamen 2022 in einer Studie zum
Fazit], dass die Dengue-Erkrankungen in dem Mittelmeerland mit wenigen
Ausnahmen weiterhin Menschen betreffen, die sich bei Reisen in
Risikogebiete angesteckt haben. Es sei „keine Zunahme von Dengue-Fieber in
Italien zu erkennen“, bestätigt auch die Gesundheitsverwaltung.
Dass es trotzdem sinnvoll ist, den Anfängen zu wehren, sieht auch Derk
Ehlert. Es sei „vernünftig, sich darum zu bemühen, dass sich die Asiatische
Tigermücke nicht ausbreitet“, so der Natur- und Wildtierexperte der
Senatsumweltverwaltung zur taz. Extrem optimistisch ist er aber nicht:
„[4][Bisher haben wir keine Art stoppen können], die in unsere Region
eingewandert ist“, sagt er, „und wir müssen auch mit weiteren Arten
rechnen, die zu uns kommen.“ Zudem bedeuteten die Nachweise im Berliner
Südosten nicht, dass es keine weiteren Population im Stadtgebiet gebe. Kein
Wunder: Die Mücke unterscheidet sich nur beim genauen Hinsehen durch ihre
Zeichnung von anderen Arten, und auch dann sieht sie, zumindest für Laien,
der heimischen Ringelmücke ziemlich ähnlich.
Regelrecht kontraproduktiv fände Ehlert es aber, wenn nun ganz Berlin
anfinge, Kleingewässer trockenzulegen. Denn die erfüllen wichtige
ökologische Funktionen – von den leeren Blumentöpfen und den Regentonnen
einmal abgesehen. Er habe darum mit der Gesundheitsverwaltung noch einmal
Rücksprache gehalten und bestätigt bekommen, dass die empfohlenen Maßnahmen
sich auf Gebiete beschränkten, wo ein Auftreten festgestellt wurde.
Vermutlich wird es noch etwas dauern, bis sich im Kampf gegen die
Tigermücke ein klares Handlungsschema herausgebildet hat.
20 Aug 2023
## LINKS
[1] /Bekaempfung-der-Tigermuecke/!5867216
[2] https://www.berlin.de/sen/gesundheit/themen/gesundheitsschutz-und-umweltein…
[3] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8782038/
[4] /Fremde-Tiere-und-Pflanzen/!5949747
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
invasive Arten
Insekten
Virus
Schwerpunkt Klimawandel
invasive Arten
Insektensterben
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