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# taz.de -- Hohe Inflation: „Verdeckte Armut“ erschwert Hilfen
> Angesichts der starken Teuerung fordern Diakonie und DIW-Institut mehr
> Staatszuschüsse für arme Haushalte. Zielgenauigkeit bleibt ein Problem.
Bild: Rentner:innen würden kaum von dem 100-Euro-Zuschuss-Vorschlag profitiere…
Berlin taz | Angesichts der Preisentwicklung fordern der Sozialverband
Diakonie und der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
(DIW), Marcel Fratzscher, weitere Entlastungen für einkommensschwache
Haushalte. „Wir sehen derzeit eine höchst unsoziale Inflation“, erklärte
Fratzscher am Mittwoch in Berlin.
Eine von der Diakonie in Auftrag [1][gegebene Studie] des
Consulting-Unternehmens DIW Econ, einer DIW-Tochterfirma, zeigt nun, dass
das ärmste Fünftel der Bevölkerung nahezu zwei Drittel seiner
Konsumausgaben für die Preistreiber Nahrungsmittel, Wohnen und
Haushaltsenergie aufwenden müsse und daher besonders unter der Inflation
leide. Ein Drittel der Menschen in Deutschland, mehr als in fast allen
anderen Ländern Europas, habe „praktisch kein Erspartes“, auf das sie
zurückgreifen könnten, um 150, 200 Euro mehr im Monat stemmen zu können,
erläuterte Marcel Fratzscher.
Der DIW-Präsident unterstützte den Vorschlag der Diakonie, wonach
Haushalte, die Wohngeld, Kinderzuschlag, Hartz-IV-Leistungen oder
Grundsicherung im Alter beziehen, für einen Zeitraum von sechs Monaten 100
Euro pro Monat an staatlicher Hilfe erhalten sollen, um die Folgen der
Inflation abzufedern. Die Inflationsrate hatte im [2][Juni 7,6 Prozent]
betragen, das war etwas weniger als die 7,9 Prozent im Mai, so die Zahlen
des Statistischen Bundesamts vom Mittwoch.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte die Bundesregierung auf, eine
„Notlage von nationaler Tragweite“ zu beschließen, um dann den Zuschuss mit
Gesamtkosten von 5,4 Milliarden Euro festzulegen. Dieser würde die bisher
schon vorliegenden [3][Entlastungspakete] in Höhe von 30 Milliarden Euro
ergänzen.
Anhand der Studie zeigte sich allerdings, dass Rentner:innen kaum von
dem 100-Euro-Zuschuss profitieren würden. Hier zeige sich das Phänomen der
„verdeckten Armut“, sagte Maximilian Priem von DIW Econ. Da
Rentner:innen trotz sehr kleiner Einkommen oft weder Grundsicherung noch
Wohngeld beantragen, würden sie – wie auch bei der Energie-Pauschale –
nicht die Voraussetzungen für den 100-Euro-Zuschuss erfüllen.
Der Vorschlag der Diakonie beziehe sich auf eine bestimmte Gruppe, ergänzte
Fratzscher. Aber auch viele Menschen in der Mittelschicht seien extrem
belastet durch die Inflation. Deshalb müsse die Politik weitere Maßnahmen
erarbeiten. Fratzscher sprach sich unter anderem für einen Preisdeckel für
Heizenergie bis zu einer bestimmten Verbrauchsgrenze aus.
Der DIW-Präsident räumte ein, dass von dieser Preisdämpfung dann auch
wohlhabende Haushalte profitieren würden. Das sei der Preis dafür,
bedürftigen Menschen helfen zu können. Die Sozialsysteme in Deutschland
hätten das Problem, nicht zielgenau genug agieren zu können. Zur
bedarfsgerechten Entlastung aller Bedürftigen brauche es eine
Daten-Infrastruktur, die sicherstelle, dass niemand durchs Raster falle. Er
sprach sich für eine Datenbank auf Bundesebene aus, die Informationen der
Steuer- und Sozialbehörden zu Haushaltszusammensetzung und
Einkommenssituationen zusammenführen und so unbürokratische Auszahlungen
ermöglichen könnte.
13 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.diw.de/de/diw_01.c.845610.de/inflation_trifft_untere_einkommen_…
[2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/_…
[3] /Entlastungspaket-der-Ampel/!5844824/
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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