# taz.de -- Migration und Teilhabe in Hannover: Über Geschwurbel hinaus | |
> Mit „Wir 2.0 – Migration und Teilhabe“ wurde in Hannover ein | |
> Integrationsplan neu aufgelegt. Er entwirft eine Vision von einer | |
> Einwanderungsstadt. | |
Bild: Mehr als ein paar neue Rekrutierungsziele für die Stadtverwaltung: das N… | |
HANNOVER taz | Am Ende geht es natürlich mal wieder bloß ums Personal. | |
„Hannover: Verwaltung plant bis Ende 2026 ein Drittel aller neuen Stellen | |
mit Migranten zu besetzen“, titelt die Hannoversche Allgemeine Zeitung. | |
So hätte das der neu aufgelegte lokale Integrationsplan „Wir 2.0“, aus dem | |
diese Zahl stammt, natürlich nie ausgedrückt. Der spricht an dieser Stelle | |
nämlich lieber von „Beschäftigten mit Migrationsbiografie“ – erklärt im | |
Vorwort aber auch gleich, warum der Ausdruck eigentlich blöd ist (weil er | |
das diskriminierende Merkmal fixiert, das man eigentlich bekämpfen möchte). | |
Natürlich hat man in Hannover sehr genau registriert, wie [1][die | |
Diskussion in Berlin verlaufen] ist, wo eine starre Migrantenquote an den | |
rechtlichen Bedenken der SPD gescheitert ist. | |
Also hat man lieber weiche Zielzahlen formuliert, und zwar für die | |
Gesamtheit der Beschäftigten (das sind mehr als 11.000), die | |
Auszubildenden, die Führungskräfte und die Laufbahngruppen Mittlerer, | |
Gehobener und Höherer Dienst, jeweils einzeln. Es sind keine wahnwitzig | |
hohen Quoten, man hat sich die Ausgangszahlen angeguckt und Zielgrößen | |
definiert, die ein paar Prozent darüber liegen. | |
Also zum Beispiel 17 Prozent der Beschäftigten insgesamt, ausgehend von | |
jetzt 15 Prozent. Das bedeutet aber immer noch, dass man in den nächsten | |
fünf Jahren 30 Prozent aller frei werdenden Stellen mit Menschen mit | |
Migrationsgeschichte besetzen müsste. Das klingt vielleicht nicht | |
revolutionär, ist aber bedeutend mehr als die wolkigen Absichtserklärungen, | |
die sich andere Städte leisten. | |
Nun könnte man auch zynisch sagen, ah ja, das ist ihnen ja gerade noch | |
rechtzeitig eingefallen. [2][Aktuell sind 700 Stellen in der Verwaltung | |
unbesetzt,] der Fachkräftemangel ist an allen Ecken und Enden spürbar und | |
ein Ende ist nicht in Sicht. Hannover ist bisher außerdem dafür berühmt, | |
bei den Stellenausschreibungen päpstlicher zu sein als der Papst und es | |
Quereinsteigern besonders schwer zu machen. Es wird also abzuwarten sein, | |
wie sich diese Zielvorgaben nachher tatsächlich in die Praxis | |
transportieren zu lassen. | |
Allerdings ist so ein Vorwurf auch ein bisschen unfair. Denn [3][dieser | |
Verwaltungsentwurf „Wir 2.0 – Migration und Teilhabe“] umfasst bedeutend | |
mehr als ein paar neue Rekrutierungsziele für die Stadtverwaltung. Auf rund | |
hundert Seiten entwirft er eine Vision von Hannover als Einwanderungsstadt, | |
benennt Probleme und Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Soziales, | |
Demokratie, Kultur, Wirtschaft und eben Stadtverwaltung, und zwar nicht | |
ungefähr und wolkig, sondern ziemlich konkret, benennt Verantwortlichkeiten | |
und installiert ein Gremium, das die Umsetzung überwachen soll. | |
Man ahnt, dass dies das Ergebnis eines langen und zähen Prozesses ist, in | |
dem die beteiligten Migrantenorganisationen offenbar einiges an | |
Überzeugungsarbeit geleistet haben. Dafür kommt das Ganze jetzt in einer | |
überraschend frischen und klaren Sprache daher, die sich wohltuend abhebt | |
von dem salbungsvollen und paternalistischen Geschwurbel, das man in | |
Sonntagsreden zur Integration sonst so ertragen muss. Jetzt muss es nur | |
noch wirken. | |
8 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Quote-fuer-Menschen-mit-Migrationsgeschichte/!5741900 | |
[2] https://www.haz.de/lokales/hannover/700-stellen-unbesetzt-stadt-hannover-su… | |
[3] https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Soziales/Integration-E… | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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