| # taz.de -- Gefühlsausbrüche bei Kindern: Schreien, lachen, weinen | |
| > In der Öffentlichkeit benehmen sich Kinder oft so, wie Eltern es gerade | |
| > nicht gern hätten. Gut so. Kinder sollten ihre Gefühle zeigen dürfen. | |
| Bild: Kinder sollten ihre Gefühle ausdrücken dürfen auch durch unbegründbar… | |
| Dass ich es rechtzeitig zu meinem Ergotherapietermin geschafft habe, grenzt | |
| an ein Wunder. Also eigentlich war es kein Wunder, sondern ein Vater. | |
| Mitten auf einer Wiese zwischen Kita und unserem Zuhause gab ich auf. Ich | |
| setzte die Kinder neben die Seniorenturngeräte in den Schotter und kippte | |
| erschöpft den Beutel mit dem Sandspielzeug aus. „Okay, hier, dann spielt.“ | |
| – „Ich hab Hunger“, antwortete der Vierjährige, der davor schon 20 Minut… | |
| lang lustlos einen 5-Minuten-Weg hinter mir hergeschlurft war und bereits | |
| ein Brötchen, zwei Haferriegel und ein Quetschi verdrückt hatte, während | |
| ich unter Gebrüll den Einjährigen unter den Arm klemmen musste, um ihn in | |
| die richtige Richtung zu tragen. | |
| Der Einjährige kann jetzt gehen. Bisher nur an der Hand, aber das hindert | |
| ihn nicht daran, unter Gebrüll und Ziehen einen Weg einzufordern, der für | |
| unser eigentliches Ziel meistens überhaupt keinen Sinn ergibt. Vor einigen | |
| Tagen hat er [1][komplett die Fassung verloren], weil ich mit ihm nicht in | |
| eine Schule gehen wollte, an der wir vorbeikamen. | |
| Ich hatte diese Phase vergessen. Vielleicht verdrängt. Oder vielleicht habe | |
| ich es nicht mehr so in Erinnerung, weil man mit einem Kind noch eher | |
| gewillt ist, sich dessen Tempo anzupassen. Aber mit zwei Kindern ist da | |
| immer noch jemand, der warten muss. Auf dem Weg zur Kita haben wir eine | |
| Stunde gebraucht, wo ich sonst in 15 Minuten bin. Dann noch 20 Minuten | |
| buddeln in der Kita, weil der Einjährige bleiben wollte. Sein Bruder nicht. | |
| Ich konnte mir auf dieser Wiese ausrechnen, dass der Termin in 45 Minuten | |
| so nicht zu schaffen ist. Also rief ich den Mann an und flehte ihn an, er | |
| möge sie holen. Er unterbrach die Lohnarbeit – ein Glück, dass er das kann | |
| – und machte sich auf den Weg. Ich kramte noch einen Apfel raus und setzte | |
| mich auf den großen Stein, auf den der Vierjährige geklettert war. Der | |
| Einjährige rieb seine Hose hocherfreut mit Staub und Schotter ein. Keine | |
| Spur mehr von dem Gebrüll, das bis eben noch Passanten dazu veranlasste, | |
| mich zu mustern. Mit einem Blick, der sagt, was kein Elternteil je hören | |
| wollte: „Ja, was hat er denn?“ | |
| ## Anstrengend sein dürfen | |
| Kinder brüllen. Oft ohne ersichtlichen oder rationalen Grund. Das Erste, | |
| das ich als Mutter gelernt habe, ist, dass einem das nicht unangenehm sein | |
| sollte. Weil man sich sonst ständig schlecht fühlt. Weil Kinder ihre | |
| Gefühle ausdrücken. Sie verhalten sich oft nicht so, wie man es gerne | |
| hätte. Und das liegt nicht an „schlechten Eltern“, meistens im Gegenteil. | |
| Ein Kind sollte zeigen dürfen, was es will und fühlt. Auch wenn das | |
| anstrengend ist. | |
| 45 Minuten später saß ich bei der Ergotherapeutin. Sie hat drei Kinder und | |
| wusste sofort, wovon ich sprach. Irgendwann kamen wir auf Prinz Louis. Wir | |
| hatten beide die Bilder gesehen, wie Herzogin Kate versucht, beim | |
| Thronjubiläum der Queen den Vierjährigen zu bändigen. Es hatte etwas | |
| Trostvolles, dass selbst die königliche Familie mit all den Nannys keine | |
| Chance hat, gegen das Gemüt eines Kleinkindes anzukommen. | |
| 21 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Saskia Hödl | |
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