# taz.de -- Erinnerung an rassistische Gewalt: Zeichen gegen rechtsaußen | |
> Rechtsextremismus ist in Brandenburg weiterhin eine Gefahr. In Eberswalde | |
> erinnert man an den gewaltsamen Tod von Amadeu Antonio Kiowa. | |
Bild: Herzlich willkommen in Eberswalde | |
EBERSWALDE taz | Erst Anfang dieser Woche ließ der Verfassungsschutz in | |
seinem Bericht für 2021 verlauten, der Rechtsextremismus bleibe die größte | |
Gefahr für die Demokratie im schönen Bundesland Brandenburg. Unter anderem | |
war vom [1][Compact-Magazin] die Rede, der [2][Identitären Bewegung], der | |
AfD. Der Verfassungsschutz gibt an, dass 2021 in Brandenburg die Zahl | |
rechter Gewaltstraftaten im vergangenen Jahr von 39 auf 108 gestiegen sei. | |
Vor diesem Hintergrund erscheint eine Neuigkeit aus [3][Eberswalde] | |
besonders ermutigend, die Kreisstadt des Landkreises Barnim mit etwas mehr | |
als 40.000 Einwohnern hinter der nördlichen Stadtgrenze Berlins. Denn dort | |
befindet sich seit vergangener Woche ein sogenannter Geschichtsbaum, der an | |
den gewaltsamen Tod von [4][Amadeu Antonio Kiowa] 1990 erinnert. | |
Auf sechs Tafeln wird in deutscher und englischer Sprache auf die | |
Hintergründe verwiesen. Amadeu Antonio Kiowa wurde 1962 als ältestes Kind | |
einer zwölfköpfigen Familie in Angola geboren. Im August 1987 kam er | |
gemeinsam mit 103 anderen sogenannten Vertragsarbeiter*innen aus | |
Angola voller Hoffnung in die DDR. Eigentlich wollte er Flugzeugtechnik | |
studieren, doch dann erging es ihm wie vielen anderen | |
Vertragsarbeiter*innen. Er musste seinen Pass abgeben und wurde zum für ihn | |
weniger attraktiven Beruf Fleischer ausgebildet. Die Wende brachte für | |
Kiowa wie für alle Vertragsarbeiter*innen große Unsicherheiten. | |
Auch davon berichten die neuen Tafeln in Eberswalde: Am Abend des 24. | |
November 1990 versammelten sich rechtsextreme Skinheads aus mehreren | |
Dörfern rund um Eberswalde in der Wohnung eines Eberswalder Neonazis mit | |
dem Vorhaben, auf der Straße Schwarze „aufzuklatschen“. | |
Kiowa wurde von Mitgliedern der Gruppe zusammengeschlagen, erlitt | |
schwerste Kopfverletzungen, wachte nicht mehr aus dem Koma auf und starb | |
elf Tage später. Nach Berichten von Zeitzeugen beobachteten Zivilfahnder | |
der Polizei die Tat, schritten aber nicht ein. | |
„Eberswalde hat sich seit dem Mord an Amadeu Antonio sehr gewandelt“, | |
berichtet Timo Reinfrank von der [5][Amadeu Antonio Stiftung], die den | |
Geschichtsbaum gefördert hat, gegenüber der taz. 1998 wurde diese Stiftung | |
auf Initiative der in Ostberlin geborenen Journalistin und Autorin Anetta | |
Kahane mit dem Ziel gegründet, die Zivilgesellschaft in Deutschland gegen | |
Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus zu stärken. Zwar gebe es in | |
Eberswalde „keine klassische rechtsextreme Szene mehr“, so Reinfrank, dafür | |
aber „eine rechtsextreme Infrastruktur, die sehr mobilisierungsfähig ist“. | |
Er erwähnt beispielsweise die Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen, | |
bei denen in Eberswalde oft über 1.000 Leute erschienen. | |
Sehr viel aber habe Eberswalde von der Gründung der Hochschule für | |
nachhaltige Entwicklung 1992 profitiert. Gleichzeitig lobt Reinfrank auch | |
die „hartnäckige Arbeit der Zivilgesellschaft und der afrikanischen | |
Community“. Die Stadt plane nun sogar eine Anlaufstelle für Betroffene | |
rassistischer Gewalt bei der Stadtverwaltung. Es scheint, als sei | |
Eberswalde mit ihrer Zivilgesellschaft und ihrem neuen Geschichtsbaum | |
tatsächlich mal eine Reise wert. | |
18 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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