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# taz.de -- Gedenken an Amadeu Antonio: „Unseren Bruder nicht vergessen“
> Vor 30 Jahren wurde Amadeu Antonio in Eberswalde Opfer rassistischer
> Gewalt. Sein Freund Augusto Jone Munjunga erinnert sich.
Bild: Jedes Jahr wird in Eberswalde an Amadeu Antonio erinnert
Berlin/Eberswalde taz | „Auf die Straße gehen war gefährlich, alleine
rausgehen Selbstmord. Wir konnten nur zu dritt oder zu viert einkaufen
gehen.“ Es sind Sätze wie diese, die unter die Haut gehen, wenn Augusto
Jone Munjunga über die Zeit vor 30 Jahren in Eberswalde erzählt. Munjunga
war Freund und Kollege von Amadeu Antonio Kiowa, der vor 30 Jahren von
Neonazis in der brandenburgischen Stadt ermordet wurde.
Heute ist Munjunga Sprecher des afrikanischen Kulturvereins Palanca. Am
Donnerstag sprach er auf Einladung des Mediendienst Integration über die
Geschehnisse in jenem Jahr 1990 bei einer Onlineveranstaltung, gemeinsam
mit Ines Karl, Oberstaatsanwältin und Leiterin der Berliner Zentralstelle
für Hasskriminalität, und Anetta Kahane, Vorsitzende der nach Amadeu
Antonio benannten Stiftung.
Der 28-jährige Amadeu Antonio gilt als eines der ersten Opfer rassistischer
Gewalt nach der Wende. Der Mord führte in Eberswalde zur Bildung
zivilgesellschaftlicher Initiativen, die bis heute jedes Jahr an die Tat
erinnern. Auch dieses Jahr wird [1][es am 6. Dezember eine Demo] und die
symbolische Umbenennung der Straße, in der die Tat geschehen ist, in
„Amadeu-Antonio-Straße“ geben (siehe Kasten). Denn, wie Munjunga sagt: „…
wollen unseren Bruder nicht vergessen.“
Amadeu Antonio und Munjunga kamen beide 1987 aus Angola als
Vertragsarbeiter in die DDR und arbeiteten in einem Schlachtkombinat in
Eberswalde, wo sie sich angefreundet haben. Die Bedrohung durch
rassistische Gewalt war damals Alltag, berichtet Munjunga.
In dem Wohnheim, in dem die Arbeiter untergebracht wurden, „waren nette
Leute, die Bescheid gesagt haben, wenn Skinheads unterwegs waren“. In der
Nacht des Angriffs auf Amadeu Antonio habe sie allerdings niemand gewarnt –
auch nicht die Polizei, die nachweislich davon wusste, dass sich an dem
Abend Rechtsextreme treffen wollten, um Ausländer:innen anzugreifen.
„Jeder musste versuchen, sein Leben zu retten“, erzählt Munjunga über jene
Nacht im November 1990. Amadeu Antonio und die Freunde, mit denen er
unterwegs war, wurden mit Schlägen, Tritten und Baseballschlägern von rund
50 Skinheads attackiert. Während die anderen meist schwerverletzt fliehen
konnten, erlag Amadeu Antonio nach elf Tagen Koma am 6. Dezember seinen
Verletzungen.
1994 hat Munjunga gemeinsam mit anderen den afrikanischen Kulturverein
Palanca in Eberswalde gegründet, „in einer Zeit, in der viele Angst gehabt
haben, als Schwarze Leute zusammenzukommen“. Trotz Anschlägen auf das
Vereinshaus und regelmäßigen Anfeindungen veranstalten sie mit dem Palanca
bis heute Trommel- und Tanzgruppen und machen antirassistische
Bildungsarbeit in Schulen.
Mit [2][Blick auf die Gegenwart] sagt Munjunga, dass sich die Situation in
den letzten 30 Jahren zwar verbessert habe. Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit seien aber weiter ernst zu nehmende Probleme.
Ines Karl unterstützt diese Einschätzung. Insgesamt 2.410 Fälle von
Hasskriminalität seien alleine in Berlin im Jahr 2019 gemeldet worden, 570
von ihnen wurden im Internet begangen. Dies sei allerdings „nur die Spitze
des Eisbergs“, sagt Ines Karl. Dahinter liege ein „großes Dunkelfeld“,
welches es zu erhellen gelte, denn „auch wenn der Tod von Amadeu Antonio
schon lange zurück liegt, ist die Geschichte noch lange nicht beendet“, so
Karl.
## Mehr als 100 Tote durch rechte Gewalt seit 1990
Auch die Ausführungen von Anetta Kahane weisen in diese Richtung. Nach
Angaben der Amadeu-Antonio-Stiftung reiht sich der Mord des Angolaners vor
30 Jahren ein in 113 weitere Todesfälle durch rechte Gewalt, die die
Stiftung bisher gezählt hat. Auch wenn die Dunkelziffer in diesem Fall
vermutlich ebenfalls höher liegt, da „viele Täter nie ermittelt wurden“,
wie Kahane erklärt.
Weil Rassismus heute – wenn auch in anderen, teilweise subtileren Formen –
immer noch gegenwärtig sei, ist für Munjunga das Gedenken an die Opfer
rassistischer Gewalt von großer Bedeutung. Damals haben er und andere sich
entschieden hierzubleiben, um gegen die rassistischen Zustände anzukämpfen.
Heute gelte das immer noch, denn, so Munjunga: „Wir wollen weitermachen.“
5 Dec 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Roberto Sanchino Martinez
## TAGS
Amadeu-Antonio-Stiftung
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