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# taz.de -- Urteil über antisemitisches Schandmal: Judenhass bleibt Judenhass
> Die „Judensau“ darf ohne verständlichen Kontext in Wittenberg bleiben.
> Das ist eine verpasste Chance mit weitreichenden Folgen.
Bild: Die umstrittene Schmähplastik an der Stadtkirche Wittenberg
Verstehen Sie das? „Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha
Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, starb
in 6 Millionen Juden unter einem Kreuzeszeichen“. Mit dieser Inschrift in
einer Bodenplatte sieht der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eine
hinreichende Distanzierung, um aus einem antisemitischen Schandmal ein
Mahnmal zu machen.
Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob ein Sandsteinrelief aus dem
13. Jahrhundert an der Stadtkirche zu Wittenberg entfernt werden muss, weil
dieses eine Beleidigung darstellt. [1][Auf dem Relief ist eine Sau zu
sehen, an deren Zitzen Juden saugen. Ein Rabbiner schaut dem Tier in den
After. Es handelt sich um ein klassisches antisemitisches Stereotyp des
Mittelalters].
Es ist erlaubt, dass solcherart in Stein gemeißelter Judenhass bestehen
darf, wenn er in einem entsprechenden Kontext gestellt wird. Niemand
verlangt einen neuen Bildersturm. Und keiner möchte den Pfarrern zu
Wittenberg unterstellen, sie selbst seien deshalb [2][eingefleischte
Antisemiten, so wie Martin Luther,] der hier einst predigte. Die
Entscheidung aber, der verschwurbelte Spruch unter dem Relief sei eine
hinreichende Erklärung, geht fehl.
Mag sein, dass die akademisch gebildeten Richter den Satz interpretieren
können. Das Laufpublikum kann es sicher nicht. Es sieht den Judenhass an
der Kirche und eine unverständliche Erklärung darunter. Deshalb stellt das
Relief weiterhin eine Beleidigung für Jüdinnen und Juden dar.
Das Gericht hat darum eine Chance verpasst. Es hätte bei seinem Urteil
bleiben können, aber in der Begründung deutlich machen müssen, dass eine
Erklärung zu einem antisemitischen Machwerk so verfasst sein muss, dass sie
auch verstanden werden kann. Schließlich betrifft das Relief der „Judensau“
nicht nur die Stadt Wittenberg, sondern Dutzende weitere Kirchen in
Deutschland, die Ähnliches zur Schau stellen. Und Judenhass bleibt
Judenhass, auch wenn er über vierhundert Jahre alt ist.
14 Jun 2022
## LINKS
[1] https://archivalia.hypotheses.org/126217
[2] https://www.zentralratderjuden.de/aktuelle-meldung/fuer-juden-ist-martin-lu…
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Antisemitismus
Evangelische Kirche
Martin Luther
Mahnmal
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Schwerpunkt Rassismus
Antisemitismus
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