Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gerichtsprozess gegen Ex-Soldaten: Größenwahn aus Deutschland
> Zwei Bundeswehrsoldaten sollen geplant haben, eine eigene Söldnertruppe
> in den Bürgerkrieg im Jemen zu schicken. In Stuttgart stehen sie nun vor
> Gericht.
Bild: Sollen versucht haben, eine terroristische Vereinigung zu gründen: Ex-So…
Stuttgart taz | Der Plan, den die beiden Angeklagten gehabt haben sollen,
klingt größenwahnsinnig: eine [1][eigene Söldnertruppe] aufbauen mit bis zu
250 Mann, finanziert von Saudi-Arabien. Und diese Truppe sollte dann den
jahrelangen Bürgerkrieg im Jemen beenden.
So trägt es die Vertreterin des Generalbundesanwalts am Donnerstag vor dem
Oberlandesgericht Stuttgart vor. Die beiden Angeklagten werden in
Handschellen hereingeführt und hinter einer Glasscheibe platziert.
Arend-Adolf G., 60, hält sich einen Zettel vors Gesicht, Achim A., 52,
zieht gleich seine FFP2-Maske ab. Beide waren früher bei der Bundeswehr,
kennen sich aber erst seit 2014.
Spätestens Anfang 2021 hätten die beiden den Entschluss gefasst, eine
paramilitärische Einheit aufzubauen, gebildet aus ehemaligen und
möglicherweise auch aktiven Mitgliedern der Bundeswehr, sagt Staatsanwältin
Verena Simon. Sie hätten im [2][Jemen Gebiete] erobern wollen, um
Friedensverhandlungen zwischen Huthi-Rebellen und der anerkannten Regierung
zu erzwingen. Bemerkenswert ist ihr mutmaßliches Motiv: Die Angeklagten
haben laut Anklage aus „christlich-fundamentalistisch gefärbten
Vorstellungen“ heraus gehandelt und sich auch an den Wahrsagungen einer
angeblichen Hellseherin orientiert. Daneben sollen sie aber auch
wirtschaftliche Interessen gehabt haben. Sie kalkulierten demnach mit einem
Söldnerlohn von mindestens 40.000 Euro im Monat und sollen vorgehabt haben,
ein „privates Militärunternehmen erfolgreich am Markt zu etablieren“.
## A. befasste sich mit „nation building“
Der Generalbundesanwalt sieht darin die versuchte Bildung einer
terroristischen Vereinigung. Denn die beiden mutmaßlichen Rädelsführer
hätten mit ihrer Truppe zwangsläufig auch schwere Straftaten wie Mord und
Totschlag begangen – ohne einen Rechtfertigungsgrund, wie ihn offizielle
Kriegsparteien haben. Die Angeklagten hätten zivile Opfer einkalkuliert.
Sie hätten Gebiete aushungern, von der Wasserversorgung abschneiden und mit
Gas kontaminieren wollen.
Achim A. hat schon vor dem Ermittlungsrichter ausgesagt, dass er nie den
rechtlichen Rahmen habe verlassen wollen. Auch vor Gericht lässt er sich
ausführlich ein. Er referiert über seine Jobs als Dozent und Berater, nennt
viele Namen, wirkt wie bei einem Bewerbungsgespräch. Er berichtet von
seinem Verein, den er 2015 gegründet hat und der sich mit „nation building“
befasste. Er betont, dass er gute Kontakte hatte und Erfahrungen im
diplomatischen Bereich. Dass es also nicht so abwegig gewesen sei, dass er
sich per Mail mehrfach an saudi-arabische Regierungsstellen wandte. Ohne
Antwort.
A. erzählt auch davon, dass er 2017 zusammen mit einem Asgaard-Vertreter in
Somalia war, um dort Sicherheitskräfte aufzustellen; das Projekt kam nie zu
Stande. Arend-Adolf G. berichtet, wie er nach Jobs bei Paketdiensten und im
Teppichverkauf sowie einer Zeit als aktiver Bundeswehrreservist zeitweilig
Asgaard-Geschäftsführer war. Beide Angeklagte waren 2017 für die Firma im
Irak, zur Bewachung der saudischen Botschaft.
Der Vorsitzende Richter fragt: „Wie kommt der Herr A. dazu, er müsse was
unternehmen, um in Somalia eine Stabilisierung“ zu erreichen? Es werde
wenig in Konflikte eingegriffen, sagt A. „Ich wollte etwas bewegen, ich
wollte große Politik gestalten.“ A. beschreibt sich als tiefreligiös, er
habe sich viel mit Voraussagungen beschäftigt, eine türkische Wahrsagerin
habe Informationen in der Jemensache vermittelt. Er habe ihr zumindest eine
Weile total vertraut. „Durch das blinde Vertrauen kam ich überhaupt in
diese Situation.“
9 Jun 2022
## LINKS
[1] /Ermittlungen-des-Generalbundesanwalts/!5806099
[2] /Belagerung-im-Jemen-Krieg/!5855991
## AUTOREN
Sebastian Erb
## TAGS
Jemen
Söldner
Jemen Bürgerkrieg
Bundeswehr
KSK
Jemen Bürgerkrieg
Jemen
Bundeswehr
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
## ARTIKEL ZUM THEMA
Waffenruhe im Jemen verlängert: Nochmal zwei Monate Schonfrist
Während der Waffenruhe ging die Gewalt zurück, andere Bedingungen wurden
aber nicht erfüllt. In letzter Minute einigt man sich auf eine
Verlängerung.
Krieg im Jemen: „Ein Gefängnis wie eine Müllhalde“
Saudi-Arabien lässt 163 jemenitische Gefangene frei – angeblich
Huthi-Kämpfer. Die taz konnte zwei von ihnen ausfindig machen: Sie
widersprechen.
Ermittlungen des Generalbundesanwalts: 150 private deutsche Krieger
Zwei ehemalige Bundeswehrsoldaten sollen den Aufbau einer Söldnertruppe
geplant haben. Einsatzort: Der Bürgerkrieg in Jemen.
taz-Recherche zu rechtem Netzwerk: Hannibals Reisen
Uniter will jetzt auch Autokraten unterstützen. Deutsche Behörden rätseln
derweil: Ist der Verein gefährlich?
Private Sicherheitsfirmen im Auslandseinsatz: Deutsche Söldner, private Dienste
Militärische Dienstleistungen werden zunehmend privatisiert. Die deutsche
Firma Asgaard will Söldner nach Somalia schicken und stößt damit auf
Kritik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.