# taz.de -- Beistand für ukrainisches Fußballteam: Gönnerhafte Fans | |
> Die politische Vereinnahmung des Fußballs treibt seltsame Blüten. Warum | |
> sollte das ukrainische Team gerade jetzt die WM-Qualifikation verdient | |
> haben? | |
Bild: Unverdient? Oleksandr Karawaew deprimiert die verpasste WM-Qualifikation | |
Gegönnt, gerecht oder verdient. Das sind Worte, die oft fallen, wenn es um | |
Fußball geht. Zuletzt am Sonntag, denn da spielte in der WM-Qualifikation | |
Wales gegen die Ukraine. Den Ukrainern hätte man den Sieg „gegönnt“, | |
lautete eine Redewendung, die sogar in die Nachrichtensprache der | |
ZDF-„heute“-Nachrichten Einzug hielt. Andere sagten, die Ukraine haben | |
einen Sieg „verdient“ oder „gerecht“, denn dann hätte das Land der Wel… | |
vor allem dem Aggressor Russland zeigen können, dass es sich auch | |
fußballerisch wehrt. | |
Nun mag man das Ergebnis ärgerlich finden, aber dass der ukrainische | |
Spieler Andrij Jarmolenko einen Freistoß des Walisers Gareth Bale | |
unglücklich ins eigene Tor köpfte, ist eine sporthistorische Tatsache. Das | |
Eigentor, [1][das die Nichtqualifikation der Ukraine] zur WM bedeutete, war | |
nicht unfair erzielt worden, es wurden keine anderen als fußballerische | |
Mittel angewandt. Andersherum wird ein Fußballschuh draus: Gerade | |
Statements wie „Wales hätte sich nicht so anstrengen müssen“ oder „Die | |
Ukraine hätte den Sieg mehr verdient“ sind unfußballerisch, also | |
unsportlich. Der Fußball ist kein Staat im Staate, aber eine recht autonome | |
gesellschaftliche Macht innerhalb der Gesellschaft. | |
An Versuchen, den Fußball zu instrumentalisieren, hat es in der | |
Sportgeschichte nie gemangelt. Die Nazis wollten etwa nach dem „Anschluss“ | |
Österreichs 1938 die Überlegenheit ihres Regimes beweisen, in dem fünf | |
Österreicher und sechs Deutsche aufliefen; Reichstrainer Sepp Herberger | |
soll sich gewehrt haben und musste sich [2][von DFB-Präsident Felix | |
Linnemann] anhören: „Der Reichsführer wünscht ein 6:5 oder 5:6! Die | |
Geschichte erwartet das von uns!“ Die großdeutschkotzige Elf schied bei der | |
WM 1938 früh aus. | |
Berühmt sind auch die Versuche in sogenannten realsozialistischen Staaten, | |
sich den Fußball politisch zu Nutze zu machen. [3][Der BFC Dynamo] etwa | |
wurde in der DDR-Oberliga von Stasi-Minister Erich Mielke protegiert. | |
Dynamo dominierte lange die nationale Liga. Aber der Zweck dieser | |
Vereinnahmung wurde verfehlt. Die Erfolge bewirkten keine Sympathieschübe, | |
eine Loyalität fürs jeweilige System wurde nicht hergestellt. Erst und | |
gerade, wenn sich zeigt, dass Erfolge beinahe aus sich selbst heraus | |
gelingen, erwächst Respekt oder gar Liebe zu einem Team. Schon die leiseste | |
Vermutung, hier habe jemand nachgeholfen, macht die Wirkung kaputt. | |
Die Ukraine (Staat) ist in einen Krieg gestürzt worden, den sie gewinnen | |
oder verlieren kann. Die Ukraine (Fußballteam) hatte sich in einer | |
Qualifikation zu bewähren, hat trotz widriger Bedingungen gut gespielt und | |
ist dennoch letztlich gescheitert. | |
Die Politik des Fußballs besteht nicht im sportlichen Erfolg, der zustande | |
gekommen wäre, weil man es den Spielern gegönnt hätte. Nein, die politische | |
Lehre ist die, dass jederzeit ein Scheitern droht, überall, auch im | |
Fußball. | |
Erfolg muss gleichwohl nicht ohne Respekt vorgetragen werden. Die | |
walisischen Spieler gingen nach dem Spiel in Cardiff zu den etwa 2.000 | |
Ukraine-Fans. „Wir wollten ihnen einfach unsere Wertschätzung für das | |
zeigen, was sie als Nation durchmachen“, sagte Wales-Trainer Robert Page. | |
Das dürfte mehr wert sein als ein geschenkter Sieg. | |
8 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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